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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius (mit anschließendem Kommentar)

zum Gesetz zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag am 5. Dezember 2024 in Berlin

Sehr geehrte Frau Präsidentin! 
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!

Unser starkes und glaubhaftes Bekenntnis zur militärischen Abschreckung und Verteidigung war noch nie oder jedenfalls sehr lange nicht so wichtig wie heute. Das zeigt die Sicherheitslage in Europa. Das zeigt die Sicherheitslage in der Welt. Sie ist so fragil wie viele Jahrzehnte nicht mehr.

Das revisionistische, imperialistische Russland unter Putin und seine unverhohlenen Drohungen sprechen eine eindeutige Sprache. Russland hat vollständig auf Kriegswirtschaft umgestellt und stellt der Armee jedes Jahr 1.000 bis 1.500 Panzer auf den Hof. Das sind etwa doppelt so viele, wie die größten fünf europäischen Länder zusammen überhaupt im Bestand haben. Für uns steht fest: Russland ist die größte Bedrohung unserer Sicherheit. Und es wird das auf absehbare Zeit auch bleiben.

Gleichzeitig gilt nicht erst seit der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten: Die USA werden sich zunehmend anderen Weltregionen als Europa zuwenden beziehungsweise zuwenden müssen, übrigens auch in unserem Interesse. Das bedeutet: Wir Europäer müssen deutlich mehr tun für unseren Frieden und für unsere Sicherheit. Der Schutz unserer Sicherheit und der Art, in Freiheit zu leben, muss für uns höchste Priorität haben. Ich bin deshalb sehr froh und dankbar, dass wir heute drei wichtige Vorhaben debattieren, die genau diesem Ziel dienen.

Es geht zum einen um das Gesetz zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr, besser bekannt als Artikelgesetz „Zeitenwende“. Uns muss klar sein: Im Ernstfall sind es unsere Soldatinnen und Soldaten, die unsere Demokratie und unsere Freiheit verteidigen. Dafür brauchen wir ausreichend Frauen und Männer, die sich bereithalten, die bereit sind, genau das zu tun. Und das ist ein wesentliches Merkmal von Abschreckung. Genau hier setzt das Artikelgesetz „Zeitenwende“ an. Ich will deutlich sein: Ohne die im Artikelgesetz „Zeitenwende“ geplanten Änderungen gefährden wir den Aufwuchs der Brigade in Litauen. Wir gefährden außerdem zentrale Elemente unserer eigenen Sicherheit. Und wir würden den Verlust von Ansehen und Vertrauen als verlässlicher Bündnispartner in der Nato riskieren.

Litauen ist als Teil der Ostflanke besonders exponiert und besonders von Russland bedroht. Jeder, der dort war, kann die Furcht, die präsent ist, mit Händen greifen. Deutschland wird daher eine Brigade mit einer Gesamtstärke von rund 4.800 Soldatinnen und Soldaten sowie circa 200 zivilen Beschäftigten in diesem Teil des Baltikums stationieren. Die Brigade Litauen ist für mich eines, wenn nicht das wichtigste Projekt unserer Zeitenwende. Sie nimmt täglich mehr Gestalt an und ist ein großer Schritt für unser Land, aber auch ein klares Bekenntnis und Signal an die Bündnispartner. Es ist ein starkes Zeichen an alle Alliierten, aber eben auch an Russland.

Mit dem Artikelgesetz „Zeitenwende“ legen wir einen zentralen Pfeiler für die Brigade Litauen, weil erst dadurch die Soldatinnen und Soldaten, die sich dafür interessieren und die sich bereit erklären sollen, dort hinzugehen, überhaupt wissen, unter welchen Bedingungen sie das tun. Deswegen ist dieses Artikelgesetz so wichtig. Es geht um ein Gesamtpaket von notwendigen gesetzlichen Änderungen von A bis Z, und zwar buchstäblich, vom Arbeitszeitrecht bis zur Zulage für besonders wichtiges Personal. Mir ist wichtig, dass die, die sich für eine Aufgabe in Litauen interessieren, spüren: Die Rahmenbedingungen sind gut. Das, was wir ändern, sorgt aber auch grundsätzlich für konkrete und wichtige Verbesserungen in der Bundeswehr. Unsere Streitkräfte werden davon auch auf lange Sicht profitieren. Wir brauchen attraktive und klare Rahmenbedingungen für die Truppe. Das ist dringend notwendig, um qualifiziertes Personal zu halten und mehr Menschen für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen.

Wir verlangen den Frauen und Männern, die unser Land verteidigen, jeden Tag viel ab. Umso wichtiger ist unsere Unterstützung für sie. Sie ist besonders dort wichtig, wo die Rechtslage Lücken aufweist, wo Gesetze veraltete Lebensrealitäten abbilden und auch aus vielerlei anderen Gründen einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Und die sicherheitspolitischen Realitäten sind grundlegend andere geworden. Sie verlangen diese Anpassung, übrigens unabhängig von politischen Überzeugungen, für die Bundeswehr, für unsere Parlamentsarmee. Es ist wichtig, dass wir gerade jetzt zeigen: Unsere gemeinsame Sicherheit ist uns wichtig und die Menschen, die sie gewährleisten, erst recht.

Das gilt auch für den Gesetzentwurf zu dem deutsch-litauischen Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich, das ergänzend zum Artikelgesetz heute in die erste Lesung geht. Es ist gut, dass wir heute auch darüber sprechen. Das Abkommen sorgt für Rechtssicherheit und ein zeitgemäßes Stationierungsrecht für unsere Truppe in Litauen und für deren Familien. Litauen hat das Abkommen bereits vor den eigenen Parlamentswahlen ratifiziert. Mit der Ratifizierung zeigen wir heute, Sie als Bundestag, unseren litauischen Freunden: Eure Sicherheit ist unsere Sicherheit. Eure Sicherheit liegt auch in unserem eigenen nationalen Interesse und dem der Nato. Sie ist keine Frage, die dem Wahlkampf in Deutschland zum Opfer fällt. Und für diese Bereitschaft, das mitzutragen, danke ich allen Mitgliedern des Hohen Hauses.

Und das gilt auch für das dritte Vorhaben: das Gesetz über die Strafbarkeit der Ausübung von Tätigkeiten für fremde Mächte sowie zur Änderung soldatenrechtlicher und soldatenbeteiligungsrechtlicher Vorschriften. Wir schließen mit dem vorliegenden Entwurf eine gravierende Gesetzeslücke. Bis jetzt gab es kein Gesetz, das die Tätigkeit ehemaliger Soldatinnen oder Soldaten für eine sogenannte fremde Macht wie zum Beispiel Russland oder China unter Strafe stellt, selbst dann nicht, wenn dabei die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik berührt sind. Das müssen wir ändern. Und das werden wir mit diesem Gesetz tun. Künftig müssen alle ehemaligen Soldatinnen oder Soldaten, die für eine fremde Macht arbeiten wollen, diese Absicht melden. Sie können die Tätigkeit nur dann aufnehmen, wenn sie eine Genehmigung erhalten. Das gab es bislang nicht. Das Gesetz ist dringend notwendig. Wir verhindern damit, dass gezielt hoch spezialisierte frühere Bundeswehrangehörige mit lukrativen Angeboten für eigene Zwecke rekrutiert werden. Unsere Nato-Partner haben bereits vergleichbare Gesetze für eine nationale Geheimhaltung und für den Schutz von Sicherheitsinteressen. Wir dürfen hier nicht zurückbleiben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich danke ausdrücklich allen Beteiligten für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung dieser Gesetzentwürfe. Lassen Sie uns daran auch im weiteren kurzen parlamentarischen Verfahren anknüpfen. Ich bitte Sie von Herzen, im Interesse der Truppe und unserer Sicherheit: Unterstützen Sie die Verabschiedung dieser drei Gesetze! Zeigen Sie, so wie in den letzten Tagen – ich bin dafür wirklich dankbar, als Demokrat und als Verteidigungsminister –, dass die demokratischen Parteien in Deutschland auch in Zeiten des Wahlkampfes – und es gibt wahrhaftig genug Themen, über die zu streiten sich lohnt – für die Sicherheit unseres Landes und der unserer Partner einstehen! Zeigen wir gemeinsam, dass die Sicherheit der Menschen in unserem Land an erster Stelle steht!

Vielen Dank.


 Bulletin 120-1   


Kommentar zur Rede von Boris Pistorius

Boris Pistorius, der deutsche Verteidigungsminister, legte in seiner Rede im Bundestag eine klare und entschlossene Position zur aktuellen sicherheitspolitischen Lage und den notwendigen Anpassungen der deutschen Verteidigungsstrategie dar. Insbesondere hob er die Bedeutung einer starken und glaubwürdigen militärischen Abschreckung hervor, die angesichts der fragilen Sicherheitslage in Europa, verursacht durch die geopolitischen Spannungen, von entscheidender Bedeutung sei.

Pistorius betonte, dass die größte Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands und Europas aktuell von Russland unter Präsident Wladimir Putin ausgehe. Mit der fortschreitenden Militarisierung und einer „Kriegwirtschaft“, die jährlich Tausende von Panzern aufstelle, zeige Russland seine aggressiven Absichten. Diese klare Einschätzung ist unmissverständlich und verdeutlicht die Notwendigkeit, die militärische Bereitschaft Deutschlands zu steigern. Dabei wird die geopolitische Bedeutung der NATO und die zunehmende Abkehr der USA von Europa als ein zentrales Thema behandelt. Pistorius fordert die Europäer dazu auf, mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit zu übernehmen und dies auch durch eine deutliche Aufstockung der eigenen Verteidigungskapazitäten zu zeigen.

Ein besonders wichtiger Punkt seiner Rede war das Gesetz zur „Zeitenwende“, das die Bundeswehr fit für zukünftige Herausforderungen machen soll. Es geht um eine gezielte Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft und die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bundeswehr. Dies beinhaltet alles von Arbeitszeitregelungen bis zu Zulagen für besonders wichtiges Personal. Der Artikelgesetzentwurf zielt darauf ab, die Bundeswehr für zukünftige Missionen, insbesondere in Litauen, zu stärken und sicherzustellen, dass Deutschland seinen Verpflichtungen innerhalb der NATO und gegenüber den Bündnispartnern nachkommt. Besonders hervorzuheben ist hierbei die geplante Stationierung einer Brigade in Litauen, die als ein starkes Signal an Russland und die NATO-Mitglieder verstanden wird.

Pistorius unterstreicht auch, wie wichtig es ist, das Vertrauen und den Respekt gegenüber der Bundeswehr aufrechtzuerhalten. Die Soldaten, die das Land verteidigen, müssten sich auf klare und attraktive Rahmenbedingungen verlassen können. Das Gesetz zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft und die geplanten rechtlichen Änderungen für Soldaten sollen sicherstellen, dass sich Deutschland als verlässlicher Partner innerhalb der NATO behauptet. Dies ist nicht nur eine Frage der militärischen Stärke, sondern auch der moralischen und politischen Verpflichtung gegenüber den Partnern in der Ostflanke, wie Litauen.

Ein weiteres zentrales Thema ist das Gesetz zur Strafbarkeit der Tätigkeiten von ehemaligen Soldaten für fremde Mächte. Die Tatsache, dass es bisher keine gesetzliche Regelung gab, die diese Tätigkeiten unter Strafe stellt, wurde von Pistorius als gravierende Lücke in der nationalen Sicherheitsgesetzgebung bezeichnet. Mit dieser Maßnahme sollen sicherheitsrelevante Konflikte und der Einfluss von Staaten wie Russland und China auf die Bundeswehr verhindert werden. Dieser Schritt wird als notwendig erachtet, um die Integrität und Sicherheit der Bundeswehr und ihrer Alliierten zu schützen.

Insgesamt lässt sich aus Pistorius' Rede eine klare Absicht ablesen: Die Bundesregierung muss die Bundeswehr als modernes und effektives Instrument der Sicherheitspolitik weiterentwickeln. Er zeigt sich entschlossen, eine starke militärische Präsenz in Europa aufrechtzuerhalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass Deutschland innerhalb der NATO seine Rolle als verlässlicher Partner erfüllt. Die Schaffung einer geeigneten Gesetzesgrundlage für diese Vorhaben zeigt, dass Pistorius nicht nur auf kurzfristige Lösungen setzt, sondern langfristig für die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten sorgen will.

Der Minister appelliert an die politischen Akteure im Bundestag, parteiübergreifend zu handeln und gemeinsam die notwendigen Gesetze zu verabschieden, um die Sicherheit Deutschlands und Europas auch in einem zunehmend unsicheren internationalen Umfeld zu gewährleisten. Der Fokus auf die Soldaten und deren Unterstützung zeigt, dass Pistorius nicht nur an den strategischen Aspekten interessiert ist, sondern auch an der sozialen und materiellen Absicherung der Bundeswehrangehörigen, die diese wichtigen Aufgaben ausführen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Pistorius' Rede einen entscheidenden Schritt hin zu einer realistischeren und stärker fokussierten Verteidigungspolitik darstellt. Sie ist ein Bekenntnis zu einem klaren Kurs in Zeiten zunehmender globaler Unsicherheiten und einer stärkeren Verantwortung Europas für seine eigene Sicherheit.

OZD/SV