In Südkorea hat die politische Krise einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Samstag begann das Parlament mit der Abstimmung über ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Yoon Suk Yeol, doch die Abstimmung verlief chaotisch. Abgeordnete der regierenden Partei PP boykottierten weitgehend die Abstimmung, indem sie den Plenarsaal verließen, was die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Amtsenthebungsverfahrens stark reduzierte.
Laut live übertragenen Fernsehbildern hatten fast alle Abgeordneten der Regierungspartei den Saal verlassen, und die Opposition warf ihnen vor, „Komplizen eines Umsturzes“ zu sein. Für die Verabschiedung des Antrags auf Amtsenthebung waren 200 Stimmen von insgesamt 300 Abgeordneten nötig, doch die PP verfügt lediglich über 108 Sitze. Dies machte es nahezu unmöglich, die erforderliche Zahl zu erreichen. Nur zwei Abgeordnete der Regierungspartei verblieben zunächst im Parlament, während ein dritter Abgeordneter unter Applaus zurückkehrte, was jedoch die nötige Stimmenzahl nicht signifikant veränderte.
Die Abstimmung fand vor dem Hintergrund einer massiven Demonstration vor dem Parlament statt. Laut Polizeibericht versammelten sich rund 150.000 Menschen, um für den Rücktritt von Präsident Yoon zu protestieren. Organisatoren sprachen sogar von einer Million Teilnehmern. Die Proteste wurden durch die Bilder verstärkt, die die Abgeordneten beim Verlassen des Plenarsaals zeigten. Viele Demonstranten reagierten mit Buhrufen, und einige brachen in Tränen aus.
Yoon Suk Yeol steht unter massivem Druck, insbesondere seit er in einem umstrittenen Schritt das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Dies geschah im Zuge eines Haushaltsstreits zwischen seiner regierenden Partei PP und der größten Oppositionspartei DP. Yoon begründete die Maßnahme damit, das „liberale Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkorea“ zu schützen. Nachdem er das Kriegsrecht jedoch nach massivem Widerstand und einem Veto des Parlaments wieder aufhob, stürzte er das Land in politische Unruhe.
In einer Fernsehansprache hatte Yoon sich bereits entschuldigt und erklärt, dass er es seiner Partei überlassen werde, die politische Lage zu stabilisieren. Kurz nach seiner Ansprache bezeichnete der Vorsitzende der PP, Han Dong Hoon, einen Rücktritt des Präsidenten als „unvermeidlich“.
Mit einer Umfrage, die Yoon nur noch eine Unterstützung von 13 Prozent bescheinigt, steht der Präsident vor einer seiner größten politischen Herausforderungen. Sollte das Amtsenthebungsverfahren tatsächlich vorangetrieben werden, ist die politische Zukunft von Yoon Suk Yeol zunehmend ungewiss.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Südkoreas politische Krise: Zwischen Boykott und der Frage nach Yoons Zukunft
Die politische Lage in Südkorea scheint sich in einem immer gefährlicheren Strudel zu bewegen. Das Boykott der Abstimmung über die Amtsenthebung durch Yoons eigene Partei, kombiniert mit massiven Protesten der Bevölkerung, wirft ernsthafte Fragen zur Zukunft des Präsidenten auf. Trotz der Entschuldigung und dem Rücktrittsaufruf seines Parteichefs ist es schwer vorstellbar, wie Yoon seine politische Position wieder stabilisieren kann, ohne weitreichende Zugeständnisse zu machen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob die Regierung in der Lage ist, sich aus diesem politischen Sumpf zu befreien.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Yoon Suk Yeol?
Yoon Suk Yeol ist seit Mai 2022 Präsident Südkoreas. Zuvor war er als Generalstaatsanwalt tätig und erlangte Bekanntheit durch seine Unabhängigkeit von politischen Einflüssen. Yoon ist Mitglied der konservativen Partei PP und wird derzeit mit starken politischen und sozialen Herausforderungen konfrontiert. Wikipedia
Was ist die PP (People Power Party)?
Die People Power Party (PP) ist eine der beiden großen politischen Parteien in Südkorea. Sie ist konservativ ausgerichtet und stellt die Regierung unter Präsident Yoon Suk Yeol. Die Partei hat derzeit 108 Sitze im südkoreanischen Parlament. Wikipedia
Was ist das Kriegsrecht?
Das Kriegsrecht ist eine außergewöhnliche Maßnahme, die Regierungen in Krisenzeiten ergreifen, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die nationale Sicherheit zu schützen. In Südkorea wurde es von Präsident Yoon aufgrund eines Haushaltsstreits und der Bedrohung durch Nordkorea ausgerufen, jedoch schnell wieder aufgehoben, nachdem es auf massiven Widerstand stieß. Wikipedia
Foto: AFP
Alle Angaben ohne Gewähr.