Der syrische Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt – und mit ihm droht das Land in ein neues Chaos zu stürzen. Die syrische Hauptstadt Damaskus fiel in die Hände islamistischer Kämpfer der HTS (Hayat Tahrir al-Sham), die die Kontrolle über die Stadt übernahmen und den langjährigen Präsidenten zum Rückzug nach Moskau zwangen. Eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, auf Antrag Russlands, wird am Montag einberufen, um die Folgen dieses dramatischen Umsturzes zu beraten.
In Damaskus, wo sich die politische und militärische Macht Assads über Jahrzehnte hinweg zementiert hatte, brachen in der Nacht des Sturzes Jubelszenen aus. Viele feierten auf den Straßen, während Plünderer die Residenz des Präsidenten stürmten und sogar die Statue seines verstorbenen Vaters Hafis al-Assad umstürzten. Unter den Eindringlingen befanden sich auch Aktivisten, die die „Befreiung“ der Stadt feierten, während gleichzeitig die Regierungseinrichtungen und die Botschaft des syrischen Verbündeten Iran verwüstet wurden.
Die islamistischen Kämpfer, die einst aus der Al-Nusra-Front hervorgingen, gaben bekannt, dass sie alle „zu Unrecht Inhaftierten“ freilassen würden. Es folgte eine Ausgangssperre in der Stadt, um die Ordnung zu wahren, während der Chef der HTS, Abu Mohammed al-Dscholani, als „Held“ empfangen wurde. In einer Rede in Damaskus sprach er von einem „historischen Sieg“ und einem Triumph „für die gesamte islamische Gemeinschaft“.
Die Offensive der Islamisten begann bereits am 27. November im Nordwesten des Landes und nahm rasant an Fahrt auf. Am Sonntag vermeldeten sie den endgültigen Fall der Stadt und den Sturz des „Tyrannen“ Assad. Zahlreiche Berichte sprechen von mindestens 910 Toten, darunter 138 Zivilisten. Die Gewalt bleibt in Syrien nach wie vor ein allgegenwärtiges Thema, und der UN-Sicherheitsrat wird sich nun mit der Frage befassen, wie der Frieden in diesem zerrütteten Land wiederhergestellt werden kann.
Die internationale Gemeinschaft reagiert unterschiedlich auf den Sturz Assads. Israel reagierte prompt, indem es Truppen in die Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen entsandte und betonte, dass es keine feindliche Macht an seiner Grenze dulden werde. Gleichzeitig gab es auch positive Reaktionen, etwa von US-Präsident Joe Biden, der den Sturz als „historische Gelegenheit“ bezeichnete und eine „Rechenschaft“ für Assads Taten forderte. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einer „historischen Chance“ für das syrische Volk, eine „stabile und friedliche Zukunft“ zu schaffen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Sturz, erinnerte jedoch an die vielen Opfer unter Assads Regime und warnte vor der Möglichkeit eines erneuten Machtvakuums.
Die USA führten derweil Luftangriffe auf Stellungen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) durch, um zu verhindern, dass die Miliz die Situation ausnutzt. In Nordsyrien wurden zudem weitere Kämpfe gemeldet, bei denen pro-türkische Kämpfer 26 Menschen in einer kurdisch kontrollierten Region töteten.
Doch trotz der internationalen Zustimmung zum Sturz Assads bleibt die Lage in Syrien äußerst fragil. Der Übergang zu einer stabilen Regierung bleibt ungewiss, und es gibt Befürchtungen, dass ein Machtvakuum zu einem noch blutigeren Konflikt führen könnte. Der UN-Sicherheitsrat wird nun entscheiden, wie die internationale Gemeinschaft mit der neuen Situation umgehen wird, während in Damaskus die Aufstände und Plünderungen weitergehen.
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OZD-Kommentar:
Syrien nach Assad: Der Weg in eine ungewisse Zukunft
Der Sturz von Baschar al-Assad markiert das Ende einer Ära des brutalen Regimes und könnte theoretisch zu einem neuen Beginn für Syrien führen. Doch wie so oft in der Geschichte von Umstürzen ist der Weg nach dem Fall eines Diktators nicht immer von Frieden und Stabilität gekrönt. Die islamistischen Kämpfer, die jetzt die Macht in Damaskus übernehmen, haben eine düstere Vergangenheit und keine klare Vision für die Zukunft des Landes. Die Gefahr eines Machtvakuums, das von verschiedenen bewaffneten Gruppen ausgefüllt wird, ist hoch. Auch die internationale Gemeinschaft muss sich fragen, wie sie mit einem Syrien umgehen kann, das von Gewalt und Instabilität geprägt bleibt. Die nächsten Wochen werden entscheidend dafür sein, ob der Sturz Assads zu einer echten Chance für das syrische Volk wird oder ob der Konflikt noch weiter eskaliert.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Baschar al-Assad?
Baschar al-Assad ist ein syrischer Politiker und Militärführer, der von 2000 bis zu seinem Sturz im Jahr 2024 als Präsident Syriens regierte. Er übernahm die Macht nach dem Tod seines Vaters Hafis al-Assad, der das Land 30 Jahre lang autoritär regiert hatte. Unter Assads Herrschaft war Syrien in einen brutalen Bürgerkrieg verwickelt, der 2011 begann, als die Regierung die pro-demokratischen Proteste niederschlug. Assad wird von vielen als Diktator betrachtet und für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.
Was ist die HTS (Hayat Tahrir al-Sham)?
Hayat Tahrir al-Sham (HTS) ist eine islamistische Miliz, die im Nordwesten Syriens aktiv ist und aus der Al-Nusra-Front hervorging, dem syrischen Ableger von Al-Qaida. Die Gruppe kämpft gegen die syrische Regierung, hat jedoch auch Konflikte mit anderen Rebellen- und islamistischen Gruppen. HTS verfolgt eine radikale islamische Agenda und wird von vielen westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft.
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