Münster - (lwl) - Früher wurden zur Darstellung der Evolution des Menschen gerne männliche Figuren gezeigt. Das LWL-Museum für Naturkunde in Münster macht es anders und zeigt in der neuen Sonderausstellung "Überlebenskünstler Mensch" ab 21. August zwei weibliche Figuren der Maskenbildnerin Lisa Büscher. Die Künstlerin hat die beiden ersten Exponate aus ihrem Berliner Atelier persönlich an das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) geliefert, um sie vor Ort in der Ausstellung aufzubauen.
Die neue Ausstellung wird den Menschen in vielen Facetten beleuchten und
will zentrale Fragen nach dem Wesen, dem Ursprung und der
Zukunftsgestaltung der Menschheit ergründen. Die beiden Figuren sind ein
Höhepunkt der neuen Ausstellung über die kulturelle Evolution des
Menschen. "Für diesen Bereich fertigte die Künstlerin zwei lebensgroße,
detailgetreue Nachbildungen einer Schamanin und eines jungen Mädchens an
einem Lagerfeuer an", sagt Kuratorin Lisa Klepfer.
Die gebürtige Münsteranerin Lisa Büscher hat in fünfmonatiger Arbeit die
detailreichen, äußerst realistischen Körper der beiden Frauen
hergestellt. "Ich bekam die Vorgabe, eine 40-60 Jahre alte, lebensreife
Schamanin und ein etwa 12 bis 16 Jahre altes, heranwachsendes junges
Mädchen zu erstellen", so die Künstlerin.
"Wir wollen mit dieser Szene betonen, wie wichtig Sprache für die
Entwicklung komplexer Gemeinschaften und die kulturelle Evolution des
Menschen gewesen ist.", sagt Ausstellungsmacherin Dr. Hanna Rüschoff
und erläutert: "Unsere Sprache macht es möglich, Wissen mit anderen zu
teilen und zuverlässig weiterzugeben. Das Erzählen von Geschichten und
gemeinsame Erzählungen bilden seit jeher den Kit unserer
Gesellschaften."
Die Szene spielt in der europäischen Kaltzeit vor etwa 20.000 bis 12.000
Jahren. Büscher hat sich für die Szenerie bestimmte Körperhaltungen
überlegt. "Die Schamanin sitzt im Schneidersitz und beugt sich sprechend
und gestikulierend am Feuer nach vorn. Das Mädchen sitzt mit
untergeschlagenen Beiden dabei und lauscht staunend der älteren Frau",
beschreibt Büscher ihre Figuren. Die besondere Herausforderung des
Projektes bestand für die gelernte Spezialeffekt-Maskenbildnerin darin,
bei den Figuren jeweils individuelle Züge und eine Gestik und Mimik
herauszuarbeiten, die der Inszenierung entspricht.
Der Entstehungsprozess begann mit einer Recherche, wobei der gelernten
Maskenbildnerin vom LWL-Museum wissenschaftliche Daten zur Verfügung
gestellt wurden. Daraufhin suchte die Künstlerin zunächst geeignete
lebende Modelle. Sie fand eine Frau, die den Vorgaben für die Schamanin
entsprach, und formte ihren Körper ab. Das junge Mädchen jedoch
modellierte Büscher frei.
Sie begann, die Köpfe und Gliedmaßen in Ton zu modellieren. Anschließend
fertigte sie aus Silikon und Gips mehrteilige Negativformen von den
modellierten Körperteilen an. Durch Füllen der Formen mit speziellen
hautfarbenen Silikonen erhielten die Nachbildungen ihre elastische,
lebensecht wirkende Hautoberfläche.
Danach bemalte die Künstlerin die so erhaltenen Silikon-Rohlinge und
stach in einem aufwändigen Verfahren Haare einzeln in die Häute. Den
Effekt, dass die Frauen einem scheinbar lebendig gegenüberstehen,
erreichte Büscher durch Einarbeitung feiner Detail wie etwa Poren und
Falten auf der Haut, einer organischer Linienführung, der Einarbeitung
natürlicher Asymmetrien und kleiner Flecken und Äderchen auf der Haut,
Mückenstichen oder gar kleiner Verletzungen.
Büscher studierte Illustration am Fachbereich Design in Münster und
arbeitete im Rahmen ihrer Tätigkeit als Maskenbildnerin bei
verschiedenen Filmprojekten mehrfach im europäischen Ausland. Schon seit
2003 ist Büscher erfolgreich in den Bereichen Figurenbau, Prosthetics
und Special-Makeup tätig. Seit 2008 arbeitet sie mit dem Museum in
Münster zusammen.
Hintergrund zur Ausstellung
Das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster
zeigt ab dem 21. August 2020 die Sonderausstellung "Überlebenskünstler
Mensch". Auf 1.200 Quadratmetern lernen Besucher den Menschen in vielen
Facetten kennen. Die Ausstellung spannt einen Bogen von den Anfängen des
Homo Sapiens als Jäger und Sammler bis zur möglichen Besiedlung des
Mars durch die Menschheit.
Die Ausstellung ist für alle Menschen geeignet. Sie beinhaltet:
Brailleschrift, einen speziellen, mehrsprachigen Audioguide (D, EN, NL)
und Tastmodelle für Menschen mit Sehbehinderung, Mitmachstationen und
untertitelte Filme. Begleitend zur Ausstellung werden
museumspädagogische Programme für Schülerinnen, Kinder und Jugendliche
sowie Führungen für Erwachsene angeboten.
Titelbild: Einzelne Körperteile, Bekleidung und die Kopfbedeckung wurden vor
Ort in der Ausstellung angebracht. Ausstellungsmacherin Hanna Rüschoff
(re.) begutachtet die Kopfbedeckung der Schamanin.
Foto: LWL/Steinweg