Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat in Berlin erneut bekräftigt, dass ein Ende des Ukraine-Kriegs nur mit Einbezug der Ukraine selbst erreicht werden kann. "Es wird keinen Frieden über die Köpfe der Ukrainer geben", sagte Baerbock am Donnerstag nach einem Treffen mit hochrangigen Außenministern aus Europa und der Ukraine sowie der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in der Villa Borsig.
Baerbock unterstrich, dass die Ukraine langfristige militärische und finanzielle Unterstützung sowie harte Sicherheitsgarantien benötige. Dies sei nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern auch eine strategische Notwendigkeit für Europa.
Der Vorschlag des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban für eine Weihnachtswaffenruhe stieß auf Skepsis. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte, ein echter Frieden liege allein in der Hand Russlands: "Russland kann aufhören, die Ukraine unter Beschuss zu nehmen, dann gibt es keinen Krieg mehr." Bislang habe Moskau jedoch keine Bereitschaft zu einer Deeskalation gezeigt.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha warnte vor neuen Eskalationsstufen des russischen Angriffskriegs. Neben Angriffen auf Atomkraftwerke und dem Einsatz neuer ballistischer Raketen forderte er schärfere Sanktionen gegen Russland. "Putin versteht nur Stärke", betonte Sybiha, der sich zudem gegen jegliche Appeasement-Politik aussprach.
Neben der Ukraine stand auch Syrien auf der Tagesordnung. Baerbock sprach von einem "ersten großen Aufatmen" nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Sie mahnte jedoch, dass der Weg zu einer stabilen, freien Zukunft Syriens noch steinig sei. "Die territoriale Integrität Syriens muss bewahrt bleiben", sagte Baerbock und versprach deutsche Unterstützung für Waffenstillstandsinitiativen in der Region.
OZD
OZD-Kommentar
Frieden mit der Ukraine – kein Frieden ohne die Ukraine
Baerbocks klare Worte in Berlin senden ein wichtiges Signal: Der Frieden in der Ukraine darf nicht überstürzt und ohne die Beteiligung der Ukrainer beschlossen werden. Der Ansatz, langfristige Sicherheitsgarantien und finanzielle Hilfe zu priorisieren, zeigt, dass Europa die Verantwortung für Stabilität in der Region ernst nimmt. Die ablehnende Haltung gegenüber einem Waffenstillstand auf russischen Bedingungen verdeutlicht, dass echte Friedensgespräche nicht ohne klaren Rückzug Russlands möglich sind. Gleichzeitig bleibt die Frage offen, wie eine dauerhafte Sicherheitsarchitektur in der Region aussehen könnte – eine Aufgabe, die Europa und seine Verbündeten in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen wird. Die Einbeziehung Syriens in die Diskussion unterstreicht die Vernetzung globaler Konflikte. Europa muss hier ebenso geschlossen agieren, um nicht nur den Wiederaufbau zu unterstützen, sondern auch weitere geopolitische Instabilitäten zu verhindern. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Russland auf die verstärkten Sanktionen und die internationale Geschlossenheit reagiert. Parallel könnten Fortschritte in Syrien als Modell für langfristige Friedensprozesse dienen – ein Hoffnungsschimmer in einer Welt voller Konflikte.
Biographien und Erklärungen
Was ist eine Appeasmentpolitik?
Appeasementpolitik bezeichnet eine politische Strategie, bei der eine Regierung versucht, Konflikte durch Zugeständnisse und Beschwichtigungspolitik zu vermeiden, anstatt sich auf Konfrontationen oder klare Gegenmaßnahmen einzulassen. Der Begriff stammt aus dem Englischen (appease = beschwichtigen, beruhigen) und ist vor allem mit der Außenpolitik Großbritanniens und Frankreichs in den 1930er Jahren gegenüber Adolf Hitlers nationalsozialistischem Deutschland verbunden.
Historisches Beispiel:1938: Münchener Abkommen
Großbritannien und Frankreich stimmten Hitlers Forderungen zu, das Sudetenland von der Tschechoslowakei an Deutschland anzugliedern, in der Hoffnung, dadurch einen weiteren Krieg zu verhindern. Winston Churchill kritisierte diese Politik später mit den Worten: „Ihr hattet die Wahl zwischen Krieg und Schande. Ihr habt die Schande gewählt – und ihr werdet den Krieg bekommen.“Wesentliche Merkmale der Appeasementpolitik:
Zugeständnisse: Eine Macht wird durch politische oder territoriale Zugeständnisse beruhigt.
Krisenvermeidung: Ziel ist es, kurzfristig Frieden oder Stabilität zu sichern, um größere Konflikte zu vermeiden.
Schwäche statt Stärke: Die Politik wird oft als Zeichen von Schwäche und mangelnder Entschlossenheit interpretiert.Kritik:
Die Appeasementpolitik wird häufig als unzureichende oder naive Strategie kritisiert, die Aggressoren ermutigen kann, ihre Ziele weiterzuverfolgen. Im Fall des Dritten Reichs führte sie nicht zur Vermeidung des Zweiten Weltkriegs, sondern zu einer Eskalation, da Hitler die westlichen Demokratien als schwach und zögerlich wahrnahm.
Heutige Bedeutung:
Der Begriff wird oft verwendet, um politische Strategien zu beschreiben, die als zu nachgiebig oder zu zurückhaltend wahrgenommen werden – etwa in Konflikten mit autoritären Regimen wie Russland oder Nordkorea. Kritiker argumentieren, dass Appeasementpolitik langfristig mehr Schaden anrichten kann, während Befürworter auf die Vermeidung kurzfristiger Eskalationen hinweisen.
Ukraine-Krieg, Annalena Baerbock Ukraine, EU Sicherheitsgarantien Ukraine, Russland Ukraine Waffenstillstand, Syrien Assad Sturz, Kaja Kallas EU-Außenbeauftragte, Andrij Sybiha Ukraine, Putin Ukraine Sanktionen, Frieden Ukraine Russland, Ukraine militärische Unterstützung
Wer ist Andrij Sybiha?
Andrij
Sybiha ist der amtierende Außenminister der Ukraine. Er war zuvor als
Diplomat und Staatssekretär tätig. Sybiha gilt als Hardliner in der
ukrainischen Außenpolitik und betont stets die Notwendigkeit
internationaler Unterstützung.
Was ist die Villa Borsig?
Die Villa Borsig ist das Gästehaus des Auswärtigen Amts in Berlin und dient als Veranstaltungsort für internationale Treffen.
Was ist die EU-Außenbeauftragte?
Die
EU-Außenbeauftragte, aktuell Kaja Kallas, koordiniert die gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union und repräsentiert
die EU auf internationaler Ebene.
Hinweise:
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP