In seiner ersten Grundsatzrede seit Amtsantritt als NATO-Generalsekretär hat Mark Rutte eindringlich vor einer zukünftigen militärischen Konfrontation mit Russland gewarnt. Die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine könnten seiner Meinung nach auch bald auf die NATO-Staaten zutreffen. „Was in der Ukraine passiert, könnte auch bei uns passieren“, sagte der niederländische Politiker, der seit Oktober 2024 die Rolle des Generalsekretärs übernommen hat. Diese Aussagen überraschten viele, da Rutte das Bild einer „langfristigen Konfrontation“ mit Russland zeichnete.
Obwohl er betonte, dass derzeit keine unmittelbare militärische Bedrohung durch Russland bestehe, sehe er die Gefahr einer zunehmend aggressiven Haltung Moskaus. „Russland bereitet sich auf eine langfristige Konfrontation vor“, erklärte Rutte und verwies dabei nicht nur auf den Krieg in der Ukraine, sondern auch auf die zukünftigen Herausforderungen für die westlichen Bündnisse. Rutte wies darauf hin, dass Russland seine militärische Produktion erheblich ausbaue und sich auf eine Art "Krieg auf lange Sicht" vorbereite, der die NATO-Staaten nicht unberührt lassen werde.
Besonders besorgniserregend sei für ihn die Tatsache, dass die NATO trotz deutlicher Aufstockung der Verteidigungsbudgets nicht mit der militärischen Kapazität Russlands mithalten könne. „Wir können den nächsten großen Krieg auf NATO-Gebiet verhindern“, sagte Rutte in seiner Rede. Doch dazu sei eine radikale Veränderung der militärischen Ausgaben und eine neue „Kriegsmentalität“ nötig. Es gehe nicht nur um mehr Geld, sondern auch um eine umfassendere und schnellere Aufrüstung.
Rutte appellierte an die Mitgliedsstaaten, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Bereits jetzt erfüllen nur 23 der 32 NATO-Länder das Ziel, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Insbesondere Länder wie Italien, Spanien und Kanada hinken bei den Ausgaben hinterher. Diese Länder müssten jetzt rasch handeln, um der Bedrohung standhalten zu können. Der ehemalige niederländische Ministerpräsident kritisierte, dass die NATO nicht in der Lage sei, mit der Waffenproduktion Russlands mitzuhalten und dass dies in den kommenden Jahren zu einem ernsthaften Problem werden könnte.
Die Warnung Ruttens fällt auch in einen politischen Kontext, in dem die USA unter einem künftigen Präsidenten Donald Trump möglicherweise noch mehr Druck auf die europäischen Staaten ausüben könnten, ihre Militärausgaben zu steigern. Trump hat bereits mehrfach betont, dass die europäischen NATO-Mitglieder ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen müssen, um die USA nicht weiter finanziell zu belasten.
Ob Rutte mit seiner Warnung, dass ein „Krieg“ mit Russland mittelfristig realistisch sei, bei den NATO-Verbündeten Gehör finden wird, bleibt abzuwarten. Angesichts der geopolitischen Spannungen und der zunehmenden russischen Militärmacht scheint eine weitreichende Diskussion über die Sicherheitsstrategie der NATO jedoch unumgänglich.
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OZD-Kommentar:
NATO unter Druck: Ruttens Alarmruf und die Frage nach der Bereitschaft zur Aufrüstung
Mark Rutte hat die NATO-Staaten in seiner Grundsatzrede vor eine drängende Herausforderung gestellt: Sind wir auf den kommenden „Krieg“ mit Russland wirklich vorbereitet? In einer Zeit, in der geopolitische Spannungen zunehmen und die militärische Stärke Russlands wächst, wird der Ruf nach höheren Militärausgaben immer lauter. Doch stellt sich die Frage, ob die NATO-Mitgliedsstaaten bereit sind, den notwendigen Preis zu zahlen, um ihre Verteidigungskräfte zu stärken.
Ruttens Argument, dass Russland sich auf eine langfristige Konfrontation mit dem Westen vorbereitet, ist nicht unbegründet. Dennoch könnte der Weg zu mehr Verteidigungsausgaben in vielen NATO-Staaten politisch schwierig werden. Gerade in Ländern mit knappen Haushalten oder innerpolitischen Widerständen gegen höhere Militärausgaben könnte Ruttens Forderung auf Widerstand stoßen. Ein möglicher „Krieg“ mit Russland ist keine Ferngeschichte – aber ob die NATO in der Lage sein wird, schnell und ausreichend zu reagieren, bleibt fraglich.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Mark Rutte?
Mark Rutte, geboren 1967 in Den Haag, ist ein niederländischer Politiker und seit Oktober 2024 NATO-Generalsekretär. Zuvor war er von 2010 bis 2022 Ministerpräsident der Niederlande. Er ist Mitglied der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD). Rutte gilt als pragmatisch und überzeugter Europäer.
Was ist die NATO?
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein militärisches Bündnis von derzeit 30 Staaten aus Europa und Nordamerika. Gegründet 1949, verfolgt sie das Ziel, ihre Mitglieder politisch und militärisch zu verteidigen. Die NATO spielt eine zentrale Rolle in der internationalen Sicherheitsarchitektur.
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