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Alarm: Polioviren im Abwasser: RKI warnt

Halbe Million Kinder nicht vollständig geimpft: Polioviren entdeckt

Die Entdeckung von Polioviren im Abwasser mehrerer deutscher Städte hat das Robert-Koch-Institut (RKI) auf erhebliche Impflücken bei Kindern aufmerksam gemacht. Nach aktuellen RKI-Daten sind nur 21 Prozent der Kinder im Alter von zwölf Monaten vollständig gegen Polio geimpft – das betrifft etwa eine halbe Million Kinder. Bis zum Alter von zwei Jahren liegt die bundesweite Impfquote bei 77 Prozent, jedoch gibt es in einigen Landkreisen noch größere Defizite mit Quoten unter 60 Prozent.

Besonders die dritte Impfung, die entscheidend für den Schutz vor der gefährlichen Krankheit ist, wird oft zu spät verabreicht. Ziel sei eine Impfquote von mindestens 95 Prozent, um eine Immunitätsbarriere in der Bevölkerung zu gewährleisten. Das RKI rief Eltern dringend dazu auf, den Impfstatus ihrer Kinder zu überprüfen und fehlende Impfungen schnellstmöglich nachzuholen. Auch leichte Erkältungskrankheiten seien kein Hinderungsgrund, Impfungen durchführen zu lassen.

In Abwasserproben deutscher Städte wie München, Bonn, Köln, Hamburg und Dresden wurden abgeschwächte Lebendviren entdeckt, die aus Schluckimpfungen stammen. Deutschland verwendet seit 1998 keine Schluckimpfstoffe mit abgeschwächten Lebendviren mehr, sondern einen inaktivierten Impfstoff. Es wird vermutet, dass die im Abwasser gefundenen Viren von Reisenden stammen, die in anderen Ländern Schluckimpfungen erhalten haben.

Die abgeschwächten Viren können sich in seltenen Fällen verändern und bei unzureichend geimpften Menschen Krankheiten und sogar Lähmungen auslösen. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung hoher Impfquoten.

Die Abwasseruntersuchungen sind Teil eines Frühwarnsystems, das seit Mai 2021 an mehreren Standorten in Deutschland betrieben wird. Ziel ist es, frühzeitig Hinweise auf mögliche Polioviruszirkulation in der Bevölkerung zu erhalten und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten.

OZD

OZD-Kommentar:

Impfmüdigkeit gefährdet den Polio-Schutz in Deutschland
Die Entdeckung von Polioviren im Abwasser sollte ein Weckruf sein: Deutschlands Impflücken sind größer, als ein modernes Gesundheitssystem erlauben dürfte. Eine Impfquote von nur 21 Prozent bei Einjährigen ist alarmierend und stellt die Frage nach der Effektivität von Aufklärungskampagnen. Es zeigt sich, dass auch in Ländern mit hohem medizinischen Standard Krankheiten wieder Fuß fassen können, wenn die Impfbereitschaft sinkt. Die Abwasseruntersuchungen sind ein wertvolles Instrument, doch ohne konsequente Impfprogramme und präventive Maßnahmen könnten wir uns erneut mit vermeidbaren Gesundheitskrisen konfrontiert sehen.

Prognose: Die Diskussion über verpflichtende Impfungen wird angesichts der anhaltenden Impflücken und der Gefahr einer Polioviruszirkulation wieder aufflammen. Gleichzeitig dürften die Frühwarnsysteme ausgeweitet werden, um weitere Hinweise auf potenzielle Ausbrüche frühzeitig zu erkennen.

Biographien und Erklärungen:

Was ist das Robert-Koch-Institut (RKI)?
Das Robert-Koch-Institut ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention. Es hat seinen Sitz in Berlin und überwacht unter anderem Infektionskrankheiten und Impfprogramme in Deutschland. Website des RKI

Was ist Poliomyelitis (Polio)?
Polio, auch Kinderlähmung genannt, ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die das zentrale Nervensystem angreifen und zu dauerhaften Lähmungen führen kann. Dank weltweiter Impfkampagnen gilt die Krankheit in vielen Regionen als nahezu ausgerottet, birgt jedoch durch unzureichende Impfquoten weiterhin Risiken.

Was ist ein Frühwarnsystem für Polioviren?
Das Frühwarnsystem umfasst die Untersuchung von Abwasser auf das Vorhandensein von Polioviren. Diese Methode dient dazu, eine mögliche Viruszirkulation in der Bevölkerung frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zur Eindämmung einzuleiten.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP