Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angesichts der schwächelnden Wirtschaftslage in Europa ihre Leitzinsen erneut gesenkt. Mit einer Reduzierung um 0,25 Prozentpunkte liegt der zentrale Einlagezins nun bei 3,0 Prozent. Ziel ist es, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflationsrate mittelfristig auf die angestrebten zwei Prozent zu stabilisieren. Die Entscheidung folgt auf eine erneute Zunahme der Inflation im November, die mit 2,3 Prozent leicht über der Zielmarke lag.
EZB-Chefin Christine Lagarde begründete den Schritt mit den jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen: "Das Wachstum verliert an Schwung." Die Industrie zeige weiterhin Schwäche, während sich auch das Wachstum im Dienstleistungssektor verlangsame. Die Erholung in den Sommermonaten sei vor allem durch privaten Konsum und einmalige Effekte begünstigt worden.
Die Zinssenkung soll Unternehmen und Haushalten den Zugang zu günstigeren Krediten erleichtern. Doch trotz der bisherigen Maßnahmen bleiben die Finanzierungsbedingungen "restriktiv". Experten bewerten die Entscheidung unterschiedlich: Silke Tober vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) forderte weitergehende Senkungen, um die Konjunktur nachhaltig zu stützen. Florian Heider vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung (SAFE) lobte hingegen das vorausschauende Handeln der EZB als Reaktion auf geopolitische Unsicherheiten.
Analysten wie Carsten Brzeski von ING sehen den Weg für weitere Zinsschritte offen. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) mahnte jedoch zur Vorsicht. Obwohl die Energiepreise sanken und die Konjunktur schwächelt, könnten steigende Löhne und ein schwacher Euro die Inflation hochhalten.
Lagarde wies zudem auf politische Unsicherheiten hin, etwa mögliche protektionistische Maßnahmen durch den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Solche Maßnahmen könnten das Wirtschaftswachstum zusätzlich belasten.
Mit dieser vierten Zinssenkung in diesem Jahr versucht die EZB, die Weichen für Stabilität und Wachstum zu stellen. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei 3,15 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 3,40 Prozent.
OZDOZD-Kommentar:
Risikoreiche Gratwanderung: Die EZB zwischen Wachstum und Inflation
Mit
der erneuten Zinssenkung riskiert die Europäische Zentralbank, das
Vertrauen in ihre Inflationspolitik zu gefährden. Während die Konjunktur
schwächelt, bleibt die Inflation über der Zielmarke – ein Dilemma, das
eine präzise Balance erfordert.
Kritiker werfen der EZB vor, zu zaghaft zu handeln und den Zinsschritt nicht ausreichend zu nutzen, um die Konjunktur effektiv anzukurbeln. Gleichzeitig bleibt die Sorge, dass eine zu expansive Geldpolitik mittelfristig den Inflationsdruck erhöhen könnte.
Prognose: Die EZB dürfte im kommenden Jahr weitere Zinssenkungen vornehmen, falls die Wirtschaftslage sich nicht bessert. Geopolitische Unsicherheiten und protektionistische Maßnahmen könnten jedoch neue Herausforderungen schaffen, die den Erfolg der Geldpolitik gefährden.
Biographien und Erklärungen:Wer ist Christine Lagarde?
Christine
Lagarde ist die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Die
französische Politikerin und Juristin war zuvor Direktorin des
Internationalen Währungsfonds (IWF) und gilt als eine der
einflussreichsten Frauen in der Finanzwelt. Zur offiziellen Webseite der EZB
Was ist die Europäische Zentralbank (EZB)?
Die
EZB ist die zentrale Institution des Eurosystems und verantwortlich für
die Geldpolitik in den Mitgliedsstaaten der Eurozone. Ihr Hauptziel ist
die Sicherung der Preisstabilität. Mehr Informationen zur EZB
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP