Trotz massiver pro-europäischer Proteste in Georgien hat die Wahlversammlung in Tiflis am Samstag Micheil Kawelaschwili zum neuen Präsidenten gewählt. Der Kandidat der regierenden Partei Georgischer Traum erhielt 224 Stimmen und tritt nun eine fünfjährige Amtszeit als Staatsoberhaupt an. Das Verfahren, das erstmals ohne direkte Volkswahl stattfand, wurde von der Opposition boykottiert. Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich während der Abstimmung hunderte Demonstranten, um gegen den umstrittenen Präsidenten zu protestieren.
Die Wahl Kawelaschwilis spiegelt den anhaltenden politischen Konflikt in Georgien wider. Die Opposition, die die Ergebnisse der Parlamentswahl im Oktober als manipuliert ansieht, boykottiert nicht nur die Wahlversammlung, sondern auch die Parlamentsarbeit. Die Protestbewegung im Land wächst seit Wochen, ausgelöst durch die Ankündigung der Regierung, den EU-Beitritt auf 2028 zu verschieben. Der pro-russische Kurs der regierenden Partei hat viele Bürger auf die Straße gebracht, die eine stärkere Annäherung an Europa fordern.
Der 2017 verabschiedete Verfassungszusatz, der die direkte Volkswahl des Präsidenten abschaffte, hat die Macht des Amtes reduziert. Dennoch gilt Kawelaschwilis Wahl als politisches Signal. Der ehemalige Fußballprofi und ultrarechte Politiker steht für einen konservativen, russlandfreundlichen Kurs, der viele junge, pro-europäische Georgier empört.
Die Proteste in Tiflis und anderen georgischen Städten
dauern an. Für Samstag wurden weitere Demonstrationen angekündigt,
während Kawelaschwili seine Amtsgeschäfte aufnimmt. Die politische
Spaltung im Land droht sich weiter zu vertiefen. ozd
Georgien am Scheideweg: Demokratie in Gefahr?
Die Wahl von Micheil Kawelaschwili markiert einen kritischen Moment für Georgien. Die Regierung des Georgischen Traums scheint ihren russlandfreundlichen Kurs trotz der klaren pro-europäischen Haltung vieler Bürger zu verstärken. Doch die Entscheidung, den Präsidenten nicht mehr direkt vom Volk wählen zu lassen, schwächt die demokratischen Strukturen des Landes.
Die Proteste zeigen, dass ein erheblicher Teil der georgischen Bevölkerung diesen Weg nicht akzeptiert. Die Regierung riskiert, die Legitimität ihrer Entscheidungen zu verlieren und die gesellschaftliche Spaltung weiter zu verschärfen.
Ob Kawelaschwili einen moderateren Ton anschlägt oder die Spannungen weiter anheizt, wird die Zukunft des Landes maßgeblich beeinflussen. Die nächsten Wochen könnten entscheiden, ob Georgien auf Europa oder auf Russland zusteuert.
Biographien und Erklärungen:Wer ist Micheil Kawelaschwili?
Micheil
Kawelaschwili, 45 Jahre alt, ist ein ehemaliger georgischer
Fußballprofi und Politiker. Nach seiner Sportkarriere engagierte er sich
in der konservativen Politik und wurde Mitglied der regierenden Partei
Georgischer Traum. Kawelaschwili steht für einen russlandfreundlichen
Kurs und konservative Werte, was ihn inmitten der pro-europäischen
Proteste zur umstrittenen Figur machte.
Was ist die Wahlversammlung in Georgien?
Die
Wahlversammlung Georgiens wurde durch eine Verfassungsänderung 2017
eingeführt. Sie besteht aus 300 Mitgliedern, darunter
Parlamentsabgeordnete und Lokalpolitiker. Ihre Aufgabe ist es, den
Präsidenten zu wählen. Dieses System ersetzte die bis dahin übliche
direkte Volkswahl. Kritiker bemängeln, dass dies die Bürgerbeteiligung
einschränkt und die Macht der regierenden Partei stärkt.
Was ist die Partei Georgischer Traum?
Die
Partei Georgischer Traum ist seit 2012 die dominierende politische
Kraft in Georgien. Gegründet vom Milliardär Bidsina Iwanischwili,
verfolgt die Partei einen russlandfreundlichen Kurs und steht im
Gegensatz zu den pro-europäischen Forderungen vieler Bürger. Kritiker
werfen ihr eine Schwächung demokratischer Prozesse und eine zunehmende
Machtkonzentration vor. Offizielle Informationen: Wikipedia-Seite der Partei Georgischer Traum.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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