Die Europäische Union hat am Montag in Brüssel ihr 15. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen und damit ein deutliches Zeichen für die Fortsetzung des Drucks auf Moskau gesetzt. Erstmals richten sich die Maßnahmen auch umfassend gegen Unterstützer des russischen Angriffskriegs in anderen Ländern, darunter China, Nordkorea und der Iran. Die Sanktionen sollen laut EU-Außenbeauftragter Kaja Kallas die "russische Kriegsmaschinerie" weiter schwächen und deren Unterstützer ins Visier nehmen.
Ein zentraler Bestandteil des Pakets sind Sanktionen gegen sechs chinesische Unternehmen und einen Verantwortlichen. Ihnen wird vorgeworfen, Drohnenkomponenten und mikroelektronische Bauteile an Russland geliefert zu haben. Die Sanktionen umfassen Vermögens- und Einreisesperren sowie ein Handelsverbot mit europäischen Unternehmen.
Insgesamt wurden 84 neue Einträge auf die Sanktionsliste gesetzt, darunter zwei hochrangige Vertreter Nordkoreas. Das international isolierte Land hatte Russland zuletzt mit rund 10.000 Soldaten unterstützt, die gegen die Ukraine kämpfen. Außerdem verhängte die EU härtere Ausfuhrkontrollen gegen 32 Organisationen, die dual nutzbare Güter an Russland liefern – darunter Unternehmen aus China, Indien, Serbien, Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Ein weiteres Ziel der Maßnahmen ist die sogenannte russische Schattenflotte. Diese Tanker unter fremder Flagge ermöglichen es Moskau, das Öl-Embargo der EU zu umgehen. Die EU belegte 52 solcher Schiffe mit einem Anlegeverbot in europäischen Häfen. Insgesamt stehen nun 79 Tanker auf der Sanktionsliste. Umweltschützer wie Greenpeace warnen vor dem hohen Risiko einer Ölkatastrophe in der Ostsee, da viele der Schiffe alt und unversichert sind.
Mit den neuen Sanktionen nimmt die EU gezielt die globalen Lieferketten ins Visier, die den russischen Angriffskrieg indirekt unterstützen. Die Strafmaßnahmen treten mit ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft.
Polen, das ab dem 1. Januar den EU-Ratsvorsitz übernimmt, plant bereits ein 16. Sanktionspaket. Ziel ist es, den wirtschaftlichen und militärischen Druck auf Russland weiter zu erhöhen, während die Ukraine weiterhin Unterstützung durch die EU erhält. ozd
OZD-Kommentar:
Sanktionen als Nadelstiche oder Gamechanger?
Das 15. Sanktionspaket der EU setzt klare Signale – aber reichen sie aus, um Russland nachhaltig zu schwächen? Während die Maßnahmen die internationale Lieferkette für Moskau weiter beschneiden, bleibt fraglich, ob sie die gewünschte Wirkung erzielen.
Die Aufnahme chinesischer Unternehmen in die Sanktionsliste markiert eine neue Eskalationsstufe. Doch wie effektiv sind solche Maßnahmen, wenn Peking weiterhin mit Moskau kooperiert und alternative Handelswege erschließt? Ähnlich verhält es sich mit der russischen Schattenflotte, die trotz Anlegeverboten in EU-Häfen weiterhin Öl transportieren wird – wenn auch unter erhöhtem Risiko.
Das größte Problem bleibt die globale Dimension des Konflikts. Solange Länder wie Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate bereit sind, Russland militärisch nutzbare Güter zu liefern, wird Moskau Schlupflöcher finden. Die EU muss deshalb ihre Diplomatie verstärken, um diese Drittstaaten zum Einlenken zu bewegen.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob das neue Sanktionspaket die gewünschte Wirkung entfaltet. Polen wird mit seinem EU-Ratsvorsitz den Kurs gegen Russland verschärfen. Es bleibt abzuwarten, ob zusätzliche Maßnahmen insbesondere gegen Drittstaaten den Druck auf Moskau weiter erhöhen können.
Biographien und Erklärungen:
Was ist die Schattenflotte?
Die
sogenannte Schattenflotte bezeichnet ein Netzwerk von Tankern, die
unter fremden Flaggen operieren und oft alten oder unversicherten
Schiffen angehören. Diese Schiffe umgehen internationale Sanktionen,
indem sie Rohöl und Ölprodukte aus Russland in andere Länder
transportieren. Die EU sieht diese Flotte als einen zentralen Faktor,
der Russlands Einnahmen aus dem Ölgeschäft trotz Embargos sichert.
Wer ist Kaja Kallas?
Kaja
Kallas ist seit 2021 Außenbeauftragte der Europäischen Union und eine
zentrale Figur in der europäischen Außenpolitik. Die estnische
Politikerin ist bekannt für ihre harte Haltung gegenüber Russland, die
sie auch als Premierministerin Estlands vertrat. Sie setzte sich stark
für die Unterstützung der Ukraine ein und gilt als Architektin vieler
Sanktionspakete.
Was ist das EU-Amtsblatt?
Das
Amtsblatt der Europäischen Union ist das offizielle
Veröffentlichungsorgan der EU. Dort werden alle rechtlich bindenden
Entscheidungen, einschließlich neuer Sanktionen, veröffentlicht. Mit der
Veröffentlichung im Amtsblatt treten die Maßnahmen in Kraft und sind
für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP