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Krise löst Krise aus: UN-Bericht zeigt gefährliche Wechselwirkungen

Ein neuer UN-Bericht zeigt: Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Umweltverschmutzung verstärken sich gegenseitig. Ein Lösungsansatz kann eine andere Krise verschärfen – doch es gibt Wege, die alle Probleme gleichzeitig adressieren.

Die globalen Krisen wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung hängen enger zusammen als bisher gedacht und beeinflussen sich gegenseitig – oft zum Nachteil des gesamten Ökosystems. Das ist das zentrale Ergebnis eines neuen UN-Berichts, der vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES) nach dreijähriger Forschung in Namibia vorgestellt wurde.

Die 165 beteiligten Wissenschaftler warnen davor, dass der Versuch, ein einzelnes Problem zu lösen, unbeabsichtigt andere Krisen verschärfen könnte. „Es besteht die reale Gefahr, dass wir eine Krise lösen und gleichzeitig die anderen verschlimmern“, betonte Co-Autorin Paula Harrison. Doch der Bericht zeigt auch, dass es Ansätze gibt, die mehrere Krisen gleichzeitig lindern können.

Gefährdete Korallenriffe und unbedachte Maßnahmen

Ein drastisches Beispiel für diese Wechselwirkungen sind die weltweit bedrohten Korallenriffe. Sie leiden nicht nur unter der Erderwärmung, sondern auch unter Überfischung, Verschmutzung und Schiffstourismus. Der drohende Verlust hätte dramatische Folgen für rund eine Milliarde Menschen, die Riffe als Nahrungsquelle, Einkommensquelle oder Schutz vor Stürmen benötigen.

„Selbst wenn das Klimaproblem gelöst würde, blieben die Riffe anderen Bedrohungen ausgesetzt“, erklärt Co-Autorin Pamela McElwee. Ähnliche Probleme bestehen bei anderen klimafreundlichen Maßnahmen: So kann etwa das unüberlegte Anpflanzen von Bäumen zur CO₂-Reduzierung lokale Ökosysteme schädigen oder landwirtschaftliche Flächen verringern. Auch Windkraftanlagen, obwohl ein Schlüssel zur Energiewende, erhöhen die Sterblichkeit von Vögeln und Fledermäusen.

Gemeinsam wirkende Lösungen

Trotz dieser Herausforderungen zeigt der Bericht, dass es Wege gibt, alle Krisen zu mildern. Ein positives Beispiel sind Meeresschutzgebiete. Diese führen nicht nur zur Erholung der Artenvielfalt, sondern steigern auch die Fischbestände, sichern die Nahrungsversorgung und erhöhen das Einkommen lokaler Gemeinschaften. Ähnliche Effekte hat die Reduzierung des Fleischkonsums, der sowohl Treibhausgasemissionen senkt als auch die Umweltbelastung durch intensive Landwirtschaft reduziert.

Politische Uneinigkeit bleibt ein Problem

Wie bei vielen anderen UN-Gipfeln zeigte der Bericht jedoch auch, wie schwierig es ist, globale Einigkeit zu erreichen. Bei der Erstellung des Berichts in Namibia wurde bis zuletzt um entscheidende Formulierungen gerungen. Sogar der Begriff „Klimawandel“ wurde am Ende nicht in den Titel aufgenommen – ein Kompromiss, der die Konflikte zwischen reichen Industrieländern und betroffenen Entwicklungsländern offenbart.

Auch bei anderen Konferenzen wie der UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan, der UN-Artenschutzkonferenz in Kolumbien und den Plastikmüll-Verhandlungen in Südkorea scheiterten Einigungen häufig an den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Länder.

Wissenschaftlerin Pamela McElwee betonte jedoch die Notwendigkeit, ganzheitliche Lösungen zu verfolgen: „Es ist ein großes Unterfangen, Regierungen davon zu überzeugen, mehrere Krisen gleichzeitig anzugehen. Aber ich hoffe, dass unser Bericht zeigt, dass es die Mühe wert ist.“

OZD-Kommentar:

Erschreckend vernetzt: Krisen lösen keine Krisen

Die Ergebnisse des neuen UN-Berichts sind ein ernüchternder Weckruf. Globale Probleme lassen sich nicht isoliert betrachten, denn sie verschärfen sich gegenseitig. Wer die Biodiversität schützt, aber den Klimawandel ignoriert, bekämpft nur die Symptome. Wer die Umwelt verschmutzt, wird die Folgen früher oder später in Form von Hunger und Ressourcenknappheit spüren.

Doch warum fehlt es an Einigkeit? Der Bericht macht klar: Die internationale Politik blockiert sich oft selbst. Länder, die wirtschaftlich von fossilen Energien oder intensiver Landwirtschaft abhängen, verhindern Lösungen, die langfristig allen nützen würden. Gleichzeitig fehlt es an globalen Mechanismen, um Wohlstandsverluste fair zu kompensieren.

Prognose:
Die kommenden UN-Gipfel im Jahr 2024 werden zeigen, ob die Weltgemeinschaft die Mahnungen der Wissenschaft endlich ernst nimmt. Ein erfolgreicher Kompromiss bei der UN-Artenschutzkonferenz im Februar könnte als Vorbild dienen. Scheitern die Verhandlungen erneut, wird das komplexe Netz der globalen Krisen noch enger und bedrohlicher.

Biographien und Erklärungen:

Was ist der Weltbiodiversitätsrat (IPBES)?
Der Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) ist ein UN-Gremium, das seit 2012 globale Analysen zur Biodiversität erstellt. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse bereitzustellen, um politische Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und Ökosysteme zu unterstützen.

Wer ist Paula Harrison?
Paula Harrison ist Umweltwissenschaftlerin und leitende Mitautorin des aktuellen IPBES-Berichts. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität, Klimawandel und nachhaltiger Landnutzung.

Wer ist Pamela McElwee?
Pamela McElwee ist eine renommierte Umweltwissenschaftlerin und Co-Autorin des Berichts. Sie gilt als Expertin für die Auswirkungen des Klimawandels auf menschliche Lebensgrundlagen und setzt sich für die Integration von sozialen und ökologischen Lösungen ein. Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP