Mehr als drei Monate nach der Landtagswahl in Sachsen wurde Michael Kretschmer (CDU) am Mittwoch im Landtag in Dresden im zweiten Wahlgang als Ministerpräsident wiedergewählt. Der 49-Jährige erhielt 69 der 120 Stimmen und sicherte sich damit die nötige Mehrheit. Zuvor war er im ersten Wahlgang noch mit nur 55 Stimmen gescheitert. Die Wahl wurde mit Spannung erwartet, da die CDU und SPD in der neuen Regierung eine Minderheitsregierung bilden und ihnen zehn Stimmen zur absoluten Mehrheit fehlen.
Die Ministerpräsidentenwahl war deshalb so bedeutend, weil sie das politische Klima in Sachsen aufzeigt: Während Kretschmer als Kandidat der CDU im ersten Wahlgang keine Mehrheit erzielen konnte, kam er im zweiten Wahlgang auf 69 Stimmen – 18 mehr, als seine Koalitionsfraktionen zusammen haben. Die Linke hatte angekündigt, Kretschmer zu unterstützen, um einen Ministerpräsidenten aus dem rechten Lager zu verhindern. Auch die Fraktion von Sahra Wagenknecht (BSW) stimmte für Kretschmer, während die Grünen sich enthielten.
Nach seiner Wahl erklärte Kretschmer, dass es sein „großer Wunsch“ sei, künftig über Parteigrenzen hinweg zu arbeiten. Dabei betonte er die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit im Landtag, besonders beim Thema Doppelhaushalt. Die CDU und SPD müssen nun auf Unterstützung von anderen Parteien setzen, da ihre Mehrheit im Landtag nicht ausreicht, um Gesetzesvorhaben alleine durchzusetzen.
Kretschmer, der seit 2017 Ministerpräsident von Sachsen ist, hatte bei der Landtagswahl im September mit seiner CDU knapp vor der AfD gewonnen. Die Wahl zeigte einen weiteren Trend: Die AfD bleibt eine starke politische Kraft im sächsischen Parlament. Im ersten Wahlgang hatte AfD-Chef Jörg Urban versucht, die Wahl für Matthias Berger (Freie Wähler) zu beeinflussen, jedoch ohne Erfolg.
Mit der Bestätigung Kretschmers wird nun die Arbeit der Minderheitsregierung beginnen. Diese will in den kommenden Jahren nicht nur den Doppelhaushalt, sondern auch andere politische Aufgaben angehen. Dazu gehört unter anderem die Schaffung einer Grenzpolizei und die Reduzierung der Ministerposten. Doch die Zusammenarbeit mit der AfD wird, wie Kretschmer betonte, ausgeschlossen.
Die Linke zeigt sich skeptisch und erwartet, dass sie künftig mehr politischen Einfluss erhält. „Die Stimmen für Kretschmer waren ein Vertrauensvorschuss und kein Blankoscheck“, erklärte Linksfraktionschefin Susanne Schaper. Auch die SPD hat klare Vorstellungen für ihre Ministerposten und bleibt bei ihrer Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die Grünen und die Freien Wähler müssen sich darauf einstellen, in der Minderheitsregierung Einfluss zu gewinnen, während die CDU und SPD ihre Zusammenarbeit in der neuen Regierung fortsetzen.
OZD/AFP
OZD-Kommentar: Ein Drahtseilakt für Kretschmer und seine Minderheitsregierung
Die Bestätigung von Michael Kretschmer als Ministerpräsident zeigt, dass die politische Landschaft in Sachsen nach der Landtagswahl ein unruhiges Feld bleibt. Die Bildung einer Minderheitsregierung stellt Kretschmer vor große Herausforderungen, nicht nur in der täglichen politischen Arbeit, sondern auch in der Frage der Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Die Unterstützung aus der Linken ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch dürfte die Koalition aus CDU und SPD in der Praxis oft auf Schwierigkeiten stoßen.
Die kommende politische Arbeit wird beweisen müssen, wie Kretschmer und seine Regierung ihre zarten Mehrheiten im Landtag aufrechterhalten können. Es wird erwartet, dass der politische Druck, vor allem von der AfD, die ohnehin in Sachsen eine starke Rolle spielt, weiter wächst. Dass Kretschmer bereits ein Angebot zur Zusammenarbeit gemacht hat, ist klug – doch in der politischen Praxis wird sich zeigen, wie konstruktiv die Gespräche über Parteigrenzen hinweg tatsächlich sein können.
In den nächsten Wochen könnte es zu intensiven Verhandlungen über den Doppelhaushalt und andere politische Themen kommen. Die Taktik, andere Fraktionen vorab in Gesetzesvorhaben einzubinden, könnte der Schlüssel zum Erfolg oder Scheitern der Regierung sein. Aber auch die Frage, wie die Linke und die Grünen auf die weiteren Schritte der Minderheitsregierung reagieren werden, bleibt spannend.
Biographien und Erklärungen
Wer ist Michael Kretschmer?
Michael Kretschmer ist ein deutscher Politiker der Christlich-Demokratischen Union (CDU). Seit 2017 ist er Ministerpräsident von Sachsen und zugleich Landesvorsitzender seiner Partei. Kretschmer ist bekannt für seine pragmatische Haltung und seine Fähigkeit, politische Allianzen zu schmieden. Unter seiner Führung konnte die CDU in Sachsen bei der Landtagswahl 2024 knapp vor der AfD bleiben. Kretschmer strebt eine stabile politische Führung in Sachsen an und setzt auf eine Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg.
Weitere Informationen über Michael Kretschmer finden Sie auf der offiziellen Website der CDU Sachsen.
Was ist die Linke?
Die Linke ist eine politische Partei in Deutschland, die aus den ehemaligen Teilen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und der westdeutschen PDS hervorging. Die Partei setzt sich für soziale Gerechtigkeit, eine Umverteilung des Reichtums und eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft ein. Sie ist vor allem in den östlichen Bundesländern stark vertreten, darunter auch in Sachsen.
Mehr Informationen über die Linke finden Sie auf der offiziellen Website der Partei.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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