Im Rahmen eines Nato-Sondertreffens zur Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch vor einem "Diktatfrieden" gewarnt und betont, dass es keine Entscheidung über die Köpfe der Ukraine hinweg geben dürfe. Scholz äußerte sich in Brüssel vor Beratungen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der Kanzler bezog sich damit auf die Pläne des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, nach seiner Amtseinführung einen raschen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine herbeizuführen. Scholz betonte, dass ein solcher Frieden nicht ohne die Zustimmung der Ukraine geschlossen werden dürfe.
Im Zusammenhang mit der Debatte um europäische Friedenstruppen in der Ukraine stellte Scholz klar, dass diese Diskussion noch zu früh sei. "Die EU darf nicht den dritten und vierten Schritt vor dem ersten machen", mahnte er. Dies sei vor allem auch deshalb problematisch, weil Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits seit Monaten eine stärkere Rolle der EU in dieser Hinsicht fordert. So hatte Macron kürzlich sowohl Trump als auch Selenskyj in Paris empfangen, um Gespräche über einen möglichen Frieden und europäische Militärhilfe zu führen.
Der Nato-Generalsekretär Rutte hatte Selenskyj bereits am Mittwochabend zu einem bilateralen Treffen empfangen. Im Anschluss daran wird ein informeller Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs mehrerer europäischer Länder folgen, bei dem die Ukraine weiterhin im Mittelpunkt steht. Selenskyj forderte auf seiner Ankunft in Brüssel eine "starke, geeinte Position" der Europäer, um einen dauerhaften Frieden in der Ukraine zu sichern. Auf X (ehemals Twitter) schrieb er, dass er mit Rutte, Scholz sowie den Staats- und Regierungschefs von Italien, Dänemark, Polen und Tschechien zusammenkommen werde.
Ein weiteres zentrales Thema des Treffens ist die zukünftige Rolle der Ukraine innerhalb der EU. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Ratspräsident António Costa werden zu den Beratungen erwartet. Der britische Außenminister David Lammy wird ebenfalls teilnehmen.
Emmanuel Macron wird das Treffen jedoch verpassen, da er nach dem EU-Westbalkan-Gipfel in Brüssel direkt ins französische Überseegebiet Mayotte reisen muss, um den Auswirkungen eines kürzlich verheerenden Zyklons zu begegnen.
Am Donnerstag wird die Zukunft der Ukraine zudem auf dem EU-Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs thematisiert. Ein Treffen mit Präsident Selenskyj wird erwartet, bei dem die europäische Unterstützung für die Ukraine weiter intensiviert werden soll.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
Die Ukraine und die Balance zwischen Diplomatie und Realität
Die Warnung von Olaf Scholz vor einem "Diktatfrieden" ist nachvollziehbar und unterstreicht die Bedeutung der Souveränität der Ukraine. Der Wunsch nach einem schnellen Ende des Konflikts – wie er von Donald Trump und anderen vorgeschlagen wird – darf nicht dazu führen, dass die Ukraine in ihren Entscheidungen über ihren eigenen Frieden übergangen wird. Scholz setzt sich für einen Frieden ein, der die Interessen der Ukraine respektiert und die territoriale Integrität wahrt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie lange dieser Kurs in Europa und den USA aufrechterhalten werden kann.
Die Diskussion um Friedenstruppen ist in diesem Zusammenhang ebenso heikel. Scholz hat recht, wenn er darauf hinweist, dass es noch zu früh ist, solche Maßnahmen zu ergreifen, bevor alle anderen diplomatischen Optionen ausgeschöpft sind. Die EU darf nicht vorschnell militärisch handeln, ohne zuvor eine breitere politische Einigung innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu erzielen.
In den kommenden Wochen wird sich die diplomatische und politische Bühne weiter verändern, besonders im Hinblick auf die Verhandlungen über den künftigen Status der Ukraine. Der EU-Gipfel könnte der nächste entscheidende Schritt in dieser Richtung sein, da die EU sich zunehmend als Vermittler und Unterstützer für die Ukraine sieht. Doch die Frage bleibt: Wird es in der internationalen Diplomatie noch genügend Einigkeit geben, um die Ukraine dauerhaft in der westlichen Gemeinschaft zu integrieren?
Biografien und Erklärungen
Wer ist Olaf Scholz?
Olaf Scholz ist seit 2021 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Zuvor war er von 2018 bis 2021 Vizekanzler und Finanzminister unter Angela Merkel. Scholz ist bekannt für seinen pragmatischen Führungsstil und seine starke Haltung in wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen. In seiner Kanzlerschaft setzt er sich besonders für die europäische Zusammenarbeit und die Bewältigung globaler Krisen ein.
Was ist die Nato?
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein militärisches Bündnis von 30 Ländern, das 1949 gegründet wurde, um die Sicherheit seiner Mitglieder zu gewährleisten. Die Organisation spielt eine zentrale Rolle in der globalen Sicherheitsarchitektur, insbesondere in Europa und Nordamerika. Ihre Hauptaufgabe ist es, kollektive Verteidigung zu gewährleisten und Friedensmissionen zu koordinieren.
Alle Angaben ohne Gewähr.
Foto: AFP