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Syrien: Neue Regierung kämpft gegen Assad-treue Milizen – Tote bei Kämpfen in Tartus

In Syrien eskaliert die Gewalt, als Sicherheitskräfte gegen Assad-treue Milizen in der Küstenregion vorgehen. Bei den Kämpfen in Tartus sind mehrere Menschen ums Leben gekommen. Hintergrund sind Spannungen und Proteste unter der alawitischen Minderheit.

Im Westen Syriens hat die neue Regierung in den letzten Tagen eine groß angelegte Operation gegen die sogenannten "Milizen" durchgeführt, die dem gestürzten Machthaber Baschar al-Assad treu ergeben sind. Medienberichten zufolge gelang es den Sicherheitskräften in der Provinz Tartus, mehrere Mitglieder dieser Milizen zu „neutralisieren“. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana wurden im Rahmen der militärischen Operation mehrere Festnahmen und Kämpfe gemeldet, bei denen die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte drei Tote unter den Anhängern der früheren Regierung zählte.

Die Maßnahme zielt darauf ab, „die Sicherheit“ in der Küstenregion, einer Hochburg der alawitischen Minderheit, wiederherzustellen. In Tartus sind es vor allem alawitische Unterstützer Assads, die der alten Regierung treu geblieben sind und sich nun mit der neuen Führung messen müssen. Der Innenminister der neuen Regierung, Mohammed Abdel Rahman, erklärte, bei einem Hinterhalt durch die Milizen seien 14 Sicherheitskräfte des Innenministeriums getötet und zehn weitere verletzt worden.

Die Eskalation begann mit dem Versuch, den ehemaligen Offizier Mohammed Kandscho Hassan festzunehmen, der zu den Verantwortlichen für die Verbrechen im berüchtigten Saidnaja-Gefängnis gehört. Hassan soll für Todesurteile und willkürliche Urteile gegen tausende Gefangene verantwortlich sein. Der Vorfall führte zu heftigen Kämpfen, bei denen insgesamt 17 Menschen ums Leben kamen – darunter sowohl Vertreter der ehemaligen Regierung als auch Sicherheitskräfte der neuen Regierung.

In der Folge gab es landesweite Proteste, vor allem an der Mittelmeerküste und in der zentralen Stadt Homs. Tausende Alawiten gingen auf die Straßen, nachdem ein Video von einem Angriff auf einen alawitischen Schrein in Aleppo veröffentlicht worden war. Die syrischen Behörden erklärten, das Video sei aus der Zeit der „Befreiung“ Aleppos durch die islamistische Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und diene lediglich dazu, Unruhe zu stiften.

Während die Spannungen in der Region weiter anhalten, berichteten Augenzeugen von bewaffneten Kämpfern in Latakia und Dschableh, die die Lage weiter anheizten. Die alawitischen Gemeinden in Syrien, zu denen auch Assad gehört, fürchten, nach dem Sturz der alten Regierung zu „Bürgern zweiter Klasse“ zu werden. Laut dem Analysten Sam Heller von der Century Foundation könnte die wachsende Angst unter den Alawiten das Gefühl der Unsicherheit verstärken.

Die Situation in Syrien bleibt angespannt, insbesondere nachdem die HTS-Miliz am 8. Dezember Damaskus erobert und den jahrzehntelangen Assad-Regime beendet hatte. In der Folge haben Delegationen aus dem Nahen Osten, Europa und den USA begonnen, Kontakte zur neuen syrischen Führung aufzunehmen. Dabei wird auch über mögliche Lockerungen der EU-Sanktionen diskutiert, wie der Syrien-Koordinator der Bundesregierung, Tobias Lindner, andeutete. Diese könnten in Bereichen wie der Energieversorgung kurzfristig umgesetzt werden – allerdings unter der Voraussetzung, dass die neue syrische Führung einen inklusiven Regierungsansatz verfolgt und grundlegende Menschenrechte respektiert.

OZD/AFP

OZD-Kommentar:

Der Kampf um Syrien: Die alawitische Angst und die geopolitischen Folgen

Die zunehmenden Kämpfe in Syrien werfen ein grelles Licht auf die zersplitterte Realität des Landes nach dem Sturz von Baschar al-Assad. Die neue Regierung sieht sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, von der Sicherung ihrer Machtbasis bis hin zur Integration der alawitischen Gemeinschaft, die unter dem Assad-Regime eine dominante Rolle gespielt hat.

Die Operation gegen die Assad-treuen Milizen ist mehr als nur ein militärischer Vorstoß; sie spiegelt die tieferen sozialen und politischen Spannungen wider, die das Land seit dem Beginn des Bürgerkriegs plagen. Während die Regierung versucht, ihre Autorität zu festigen, wachsen die Ängste unter den Alawiten, die fürchten, in einem sunnitisch dominierten politischen System zu unterdrückten „Bürgern zweiter Klasse“ zu werden. Diese Ängste könnten die Situation weiter anheizen und zu weiteren Protesten und Gewaltausbrüchen führen.

In den kommenden Wochen könnte die neue syrische Regierung gezwungen sein, schwerwiegende Kompromisse einzugehen, um die unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen im Land zu versöhnen. Dabei wird die Frage der alawitischen Rechte und die Rolle der internationalen Gemeinschaft in der künftigen politischen Ordnung Syriens eine zentrale Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass die Spannungen weiter zunehmen, wenn nicht baldmöglichst ein inklusiver Dialog angestoßen wird.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist Mohammed Abdel Rahman?
Mohammed Abdel Rahman ist der Innenminister der neuen syrischen Regierung, die nach dem Sturz von Baschar al-Assad an die Macht kam. Rahman spielt eine zentrale Rolle in der Sicherheitsstrategie der neuen Führung und ist verantwortlich für die Bekämpfung von Milizen und anderen Gruppen, die der alten Regierung treu geblieben sind.

Wer ist Sam Heller?
Sam Heller ist ein Analyst der Century Foundation, einem Think Tank, der sich mit Nahostfragen beschäftigt. Heller hat sich auf den syrischen Bürgerkrieg und die geopolitische Lage in der Region spezialisiert. Er wird oft als Experte für die komplexen politischen und sozialen Dynamiken in Syrien zitiert.

Was ist die Hajat Tahrir al-Scham (HTS)?
Die Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ist eine islamistische Miliz, die seit ihrer Gründung in Syrien eine bedeutende Rolle im Konflikt spielt. HTS hat ihre Basis vor allem in Idlib und hat sich als eine der führenden Kräfte im Widerstand gegen das Assad-Regime etabliert. Die Gruppe ist auch für die militärische „Befreiung“ von Aleppo verantwortlich, was zum Sturz von Assad führte.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP

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