In Georgien wurde am Sonntag der ultrarechte Micheil Kawelaschwili als neuer Präsident vereidigt, begleitet von landesweiten Protesten. Die Vereidigungszeremonie, die hinter verschlossenen Türen im Parlament stattfand, markierte einen weiteren Wendepunkt in der politischen Krise des Landes. Der 34-jährige frühere Fußballprofi, der für seine anti-westliche Haltung und abfälligen Äußerungen gegenüber LGBTQ-Menschen bekannt ist, übernahm das höchste Amt des Landes in einer Zeit tiefgreifender politischer Spaltung.
Die scheidende Präsidentin Salome Surabischwili, die sich vehement gegen Kawelaschwilis Amtsübernahme wehrt, erklärte, sie bleibe „die einzige legitime Präsidentin“ Georgiens. Tausende von Demonstranten, die sich vor dem Parlament versammelten, unterstützten diese Ansicht und protestierten gegen die von der Regierung organisierte Wahl, die sie als unrechtmäßig betrachten. Surabischwili, die sich an diesem Tag in den Präsidentenpalast zurückzog, bekräftigte ihren Widerstand und kündigte an, weiterhin Seite an Seite mit ihren Anhängern für die „Legitimität“ des Präsidentenamts zu kämpfen.
Die Proteste gegen die Vereidigung von Kawelaschwili, die bereits seit dem frühen Morgen anhielten, fanden ihren Höhepunkt, als Demonstranten mit EU-Flaggen und roten Karten gegen den neuen Präsidenten auf die Straße gingen. Diese visuelle Ablehnung spiegelte die weit verbreitete Entfremdung von der Regierung wider, die von vielen als von Russland beeinflusst angesehen wird. Laut oppositionellen Politikern sei Kawelaschwili lediglich eine Marionette des russlandfreundlichen Milliardärs Bidsina Iwanischwili, der hinter der Regierungspartei Georgischer Traum steht.
Der 34-jährige Kawelaschwili betonte nach seiner Vereidigung die Bedeutung von Georgiens „Traditionen, Werten und nationaler Identität“. Er sprach von einem Fokus auf den Frieden, doch seine Wahl und die politische Atmosphäre in Georgien werfen ernsthafte Fragen über das zukünftige Verhältnis des Landes zur EU und zu Russland auf.
Die geopolitische Ausrichtung Georgiens steht zunehmend zur Debatte. Die georgische Regierung hatte bereits Ende November angekündigt, die Beitrittsverhandlungen mit der EU bis 2028 auszusetzen, was zu noch mehr Protesten führte. Viele Georgier fürchten, dass das Land unter Kawelaschwili wieder näher an Russland rücken und sich von der europäischen Annäherung entfernen könnte.
Surabischwili, die den Widerstand gegen die Regierung anführt, kündigte an, nicht aufzugeben. „Ich werde weiter für das Beste für Georgien kämpfen“, erklärte sie. Der Druck auf die Regierung wächst weiter, während die Forderungen nach Neuwahlen immer lauter werden. Doch Premierminister Irakli Kobachidse hat bereits ausgeschlossen, Neuwahlen abzuhalten.
Die USA und der Westen verfolgen die politische Entwicklung in Georgien genau. Der republikanische US-Kongressabgeordnete Joe Wilson hatte Surabischwili kürzlich zur Teilnahme an Donald Trumps Amtseinführung im Januar eingeladen – als „einzige legitime“ Vertreterin des georgischen Volkes.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
Politische Krise in Georgien: Die Legitimität des neuen Präsidenten unter Fragezeichen
Die politische Lage in Georgien ist angespannt und spiegelt die tiefen Gräben wider, die das Land seit Jahren plagen. Micheil Kawelaschwili, der neue ultrarechte Präsident, ist von einem Großteil der Bevölkerung nicht anerkannt. Die Proteste und der Widerstand gegen seine Vereidigung sprechen eine klare Sprache: Viele Georgier empfinden seine Wahl als illegitim und fürchten einen Rückfall des Landes in die Einflusssphäre Russlands.
Die Haltung der scheidenden Präsidentin Salome Surabischwili, die sich weiterhin als „legitime Präsidentin“ sieht, wird von vielen als Symbol für den anhaltenden Widerstand gegen die Regierung von Georgischer Traum verstanden. Die Forderung nach Neuwahlen, die von der Opposition lautstark erhoben wird, wird jedoch von der Regierung konsequent abgelehnt.
In den kommenden Wochen könnte sich die politische Krise weiter zuspitzen, wenn die Proteste anhalten und die Regierung weiterhin den Druck auf die Opposition aufrechterhält. Georgien steht an einem Scheideweg: Wird es dem Wunsch vieler Bürger nach einer pro-europäischen Ausrichtung folgen, oder wird der Einfluss Russlands unter der neuen Präsidentschaft stärker werden?
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Micheil Kawelaschwili?
Micheil Kawelaschwili ist ein georgischer Politiker und ehemaliger Fußballprofi, der am 31. Dezember 2023 zum Präsidenten Georgiens vereidigt wurde. Kawelaschwili, der eine starke anti-westliche Haltung vertritt und sich wiederholt negativ über LGBTQ-Rechte geäußert hat, gilt als politischer Vertreter des russlandfreundlichen Milliardärs Bidsina Iwanischwili. Er wurde durch eine Wahlversammlung gewählt, die von der Opposition boykottiert wurde, und steht in der politischen Landschaft Georgiens in der Nähe der Regierungspartei Georgischer Traum.
Was ist Georgischer Traum?
Georgischer Traum ist eine georgische politische Partei, die 2012 gegründet wurde und seitdem die dominierende politische Kraft im Land ist. Die Partei wird mit Bidsina Iwanischwili, einem einflussreichen Milliardär, in Verbindung gebracht. Georgischer Traum hat sich seit seiner Gründung zunehmend als russlandfreundlich positioniert, was zu Spannungen mit pro-europäischen Kräften im Land geführt hat. Die Partei hat bei den Parlamentswahlen in Georgien regelmäßig klare Mehrheiten erzielt, wird jedoch von der Opposition der Wahlmanipulation beschuldigt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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