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Nach Assads Sturz: HTS-Chef al-Scharaa plant Wahlen und Integration kurdischer Kämpfer

Zudem will er eine neue Verfassung ausarbeiten und kurdische Kämpfer in die Armee integrieren. Was bedeutet das für die Zukunft Syriens?

Der neue Machthaber Syriens, Ahmed al-Scharaa, hat in einem Interview mit dem Fernsehsender Al Arabija angekündigt, dass innerhalb der nächsten vier Jahre Wahlen abgehalten werden sollen. Der Prozess zur Durchführung dieser Wahlen könnte laut al-Scharaa bis zu vier Jahre in Anspruch nehmen. Ein entscheidender Schritt auf diesem Weg wird die Ausarbeitung einer neuen Verfassung sein, die voraussichtlich zwei bis drei Jahre dauern wird.

Al-Scharaa, der Chef der islamistischen Miliz HTS, äußerte sich auch zur Rolle Russlands in Syrien. Er sprach sich gegen einen vollständigen Abzug russischer Truppen aus und betonte, dass Syrien und Russland „tiefe strategische Interessen“ miteinander teilen würden. Insbesondere verwies er darauf, dass viele der in Syrien eingesetzten Waffen aus Russland stammten und viele Kraftwerke im Land von russischen Kräften betrieben würden. „Wir wollen nicht, dass Russland Syrien so verlässt, wie es sich einige wünschen“, sagte der HTS-Chef.

Der neue syrische Machthaber äußerte zudem die Hoffnung, dass die USA unter dem designierten Präsidenten Donald Trump die gegen Syrien verhängten Sanktionen aufheben würden. Diese Sanktionen seien als Reaktion auf die „Verbrechen des Regimes“ von Baschar al-Assad verhängt worden und sollten nach dessen Sturz „automatisch aufgehoben werden“.

Ein weiteres zentrales Thema war die Integration kurdischer Kämpfer aus dem Norden und Nordosten Syriens in die reguläre syrische Armee. Al-Scharaa erklärte, dass „Waffen nur in der Hand des Staates“ sein dürften und alle bisher bewaffneten Kämpfer, die qualifiziert seien, in das Verteidigungsministerium aufgenommen werden könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, will al-Scharaa Verhandlungen mit den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) aufnehmen, einer von den USA unterstützten Miliz, die von kurdischen Kämpfern dominiert wird.

Dieser Kurs kommt nur drei Wochen nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad durch die HTS, welche Damaskus am 8. Dezember erobert hatte. Assad, dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Folter und Mord vorgeworfen werden, floh nach Russland. Al-Scharaa erklärte, dass die Sanktionen gegen Syrien nach dem Sturz von Assad aufgehoben werden sollten, um eine neue Ära des Wiederaufbaus und der politischen Stabilität zu ermöglichen.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar:

Syrien am Wendepunkt – Hoffnungen auf Veränderung oder nur ein neues Kapitel?

Mit der Machtübernahme von Ahmed al-Scharaa nach dem Sturz von Baschar al-Assad beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte Syriens. Der HTS-Chef hat große Pläne angekündigt – Wahlen innerhalb der nächsten vier Jahre, eine neue Verfassung und die Integration von kurdischen Kämpfern in die reguläre Armee. Doch die Frage bleibt, ob diese Veränderungen tatsächlich eine nachhaltige politische Stabilität bringen können.

Die angekündigten Wahlen und die neue Verfassung klingen nach einem notwendigen Schritt für eine friedliche Zukunft Syriens. Doch angesichts der Komplexität der syrischen politischen Landschaft und der vielen Konflikte innerhalb des Landes ist es fraglich, wie realistisch diese Pläne sind. Besonders die Rolle Russlands bleibt ein entscheidender Faktor, der nicht unterschätzt werden darf. Wird es Syrien tatsächlich gelingen, sich von der langjährigen Vormachtstellung des Assad-Regimes zu befreien und einen echten politischen Wandel einzuleiten?

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie al-Scharaa den Wiederaufbau und die Versöhnung im Land vorantreiben kann. Der Umgang mit den kurdischen Kräften und der weitere Einfluss Russlands werden dabei entscheidend sein.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist Ahmed al-Scharaa?

Ahmed al-Scharaa ist ein syrischer Politiker und der Chef der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), die nach dem Sturz von Baschar al-Assad die Kontrolle über Damaskus übernommen hat. Als eine der führenden Kräfte im syrischen Bürgerkrieg hat al-Scharaa eine zentrale Rolle im Kampf gegen das Assad-Regime gespielt. Seine Miliz, die im Nordwesten Syriens stark ist, hat sich nach dem Fall von Assad als neuer Machthaber etabliert. Al-Scharaa setzt sich für eine neue syrische Verfassung und die Schaffung eines „demokratischen“ Systems ein, das von einer breiten Unterstützung der Bevölkerung getragen werden soll.

Was ist Hay'at Tahrir al-Sham (HTS)?

Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) ist eine islamistische Miliz, die 2017 aus der Al-Nusra-Front hervorging und im Nordwesten Syriens eine führende Rolle einnimmt. Sie kämpft gegen das Regime von Baschar al-Assad und hat sich als eine der stärksten militärischen Kräfte im syrischen Bürgerkrieg etabliert. Die HTS ist politisch stark mit der Ideologie des Islamismus verbunden und strebt die Schaffung eines islamischen Staates in Syrien an.

Was ist die SDF (Syrische Demokratische Kräfte)?

Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind eine von den USA unterstützte, kurdisch dominierte Miliz, die im Nordosten Syriens operiert. Sie spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen den IS und haben die Kontrolle über große Teile des syrischen Gebiets übernommen. Die SDF wird überwiegend von kurdischen Kämpfern gebildet, umfasst jedoch auch arabische und andere ethnische Gruppen.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP!