Die schwächelnde Konjunktur hat den deutschen Arbeitsmarkt 2024 spürbar belastet. Die Arbeitslosenquote stieg im Jahresdurchschnitt auf 6,0 Prozent – ein Anstieg um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt waren knapp 2,8 Millionen Menschen ohne Arbeit, 178.000 mehr als im Vorjahr. Auch für 2025 erwarten Experten einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit.
BA-Chefin Andrea Nahles erklärte, dass die wirtschaftliche Stagnation zunehmend Spuren hinterlasse. Dennoch halte sich der Arbeitsmarkt „alles in allem im Kern weiter stabil“. Zugleich verwies sie auf die historisch hohe Beschäftigungsquote, die das Jahr 2024 trotz steigender Arbeitslosenzahlen geprägt habe.
Das Bundesarbeitsministerium unter Hubertus Heil sieht vor allem in der Qualifizierung und Weiterbildung in der Kurzarbeit zentrale Instrumente, um gefährdete Arbeitsplätze zu sichern. Die Bundesregierung hatte Ende 2024 die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld von zwölf auf 24 Monate verlängert. Laut Schätzungen der BA stieg die Zahl der Kurzarbeiter im vergangenen Jahr auf rund 320.000, gegenüber 241.000 im Jahr 2023.
Die Dezemberzahlen zeigen eine saisonbedingte Verschärfung: 33.000 Menschen verloren ihre Arbeit, die Quote kletterte auf 6,0 Prozent. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnte davor, dass die Arbeitslosenzahl in diesem Jahr die Drei-Millionen-Marke überschreiten könnte. Er forderte eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. „Hohe Teilzeitquoten, teure Frühverrentungsanreize und wenig flexible Wochenarbeitszeiten sind in der heutigen Zeit kontraproduktiv“, sagte Dulger. Es müsse mehr Netto vom Brutto geben, um den Anreiz zu schaffen, länger zu arbeiten und mehr zu leisten.
Auch Martin Müller, Arbeitsmarktexperte der KfW, sieht dringenden Handlungsbedarf. Seit dem letzten Tiefstand im November 2019 ist die Arbeitslosenzahl um 627.000 gestiegen, ein Zuwachs von 29 Prozent. Müller betonte die Notwendigkeit, Geringqualifizierte und Zuwandernde besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Gerade in einem Hochlohnland wie Deutschland sei dies eine zentrale Herausforderung.
Die Bundesregierung wird in den kommenden Monaten verstärkt auf Weiterbildung und Umschulungen setzen, um den Auswirkungen der Konjunkturflaute entgegenzuwirken. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern, bleibt abzuwarten.
OZD / ©AFP
Kommentar: Braucht Deutschland eine neue Arbeitsmarktpolitik?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Arbeitsmarkt steht unter Druck, die wirtschaftliche Schwäche trifft immer mehr Menschen. Doch die Ursachen liegen tiefer. Deutschland ringt mit einer alternden Bevölkerung, einer hohen Teilzeitquote und einem wachsenden Fachkräftemangel.
Die Forderungen von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nach mehr Flexibilität und Anreizen sind berechtigt. Doch allein auf längere Arbeitszeiten zu setzen, greift zu kurz. Eine nachhaltige Lösung muss auf Qualifizierung, Integration und die Förderung neuer Technologien setzen. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert werden.
Prognose:
Ohne grundlegende
Reformen dürfte die Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren weiter
steigen. Entscheidend wird sein, wie schnell und umfassend die
Bundesregierung auf diese Herausforderungen reagiert.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Andrea Nahles?
Andrea Nahles ist die Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die ehemalige SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin ist seit 2022 im Amt und setzt sich für einen stabilen Arbeitsmarkt und mehr Qualifizierungsmaßnahmen ein.
Was ist die Bundesagentur für Arbeit (BA)?
Die Bundesagentur für Arbeit ist die zentrale Behörde für Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung in Deutschland. Sie ist zuständig für die Zahlung von Arbeitslosengeld und die Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen.
Was ist Kurzarbeit?
Kurzarbeit ist ein Instrument, das Unternehmen bei wirtschaftlichen Krisen ermöglicht, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten vorübergehend zu reduzieren. Ziel ist es, Arbeitsplätze zu sichern und Entlassungen zu vermeiden.
Alle Angaben ohne Gewähr.