In Österreich brodelt es – Zehntausende Menschen gingen am Donnerstag auf die Straßen, um gegen die Ankündigung einer möglichen Koalition zwischen der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ zu protestieren. Besonders vor dem Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz versammelten sich nach Angaben der Veranstalter rund 50.000 Demonstrierende, während die Behörden die Zahl auf etwa 25.000 bezifferten. Auch in anderen Städten wie Graz, Salzburg und Innsbruck machten Hunderte Menschen ihrem Unmut Luft.
Die Protestaktion stand unter dem Motto „Alarm für die Republik“ und wurde von 30 Organisationen organisiert, darunter prominente Nichtregierungsorganisationen wie Volkshilfe und Greenpeace. Auf den Plakaten warnten die Teilnehmer vor den möglichen Folgen eines solchen Bündnisses: Hetze, Sozialabbau und Rückschritte beim Umweltschutz. Einige befürchteten sogar, dass Österreich sich unter einer FPÖ-geführten Regierung ähnlich entwickeln könnte wie das Nachbarland Ungarn unter Viktor Orbán.
Der Grund für den Unmut liegt in der jüngsten politischen Entwicklung: Am Donnerstag hatten die ÖVP und die FPÖ bekanntgegeben, dass sie Koalitionsgespräche aufgenommen haben. Bei einem Gespräch der Parteispitzen einigten sich beide Parteien darauf, Verhandlungen über den Staatshaushalt aufzunehmen. Ein zentrales Thema der Gespräche wird sein, wie Österreich angesichts eines gewaltigen Budgetlochs ein EU-Defizitverfahren verhindern kann, ohne die finanziellen Stabilitätsanforderungen zu verletzen.
Der Aufstieg der FPÖ ist ein zentrales Thema dieser politischen Krise. Bei der Parlamentswahl im September wurde die FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals zur stärksten Partei im österreichischen Parlament. Doch keine der anderen großen Parteien war zu einer Koalition mit den Rechtspopulisten bereit. Erst nach dem Scheitern von Gesprächen zwischen der ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos bekam FPÖ-Chef Herbert Kickl am Montag vom österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen den Auftrag, mit der Regierungsbildung zu beginnen.
Die politischen Spannungen erreichen nun ihren Höhepunkt, da immer mehr Menschen sich gegen die Möglichkeit einer rechtspopulistischen Regierung stellen.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
Ein gefährlicher Kurs für Österreich – Was kommt jetzt?
Die Proteste gegen eine mögliche Koalition von ÖVP und FPÖ sind ein deutliches Signal der Bevölkerung: Der Wunsch nach Veränderung und politischen Reformen darf nicht mit den drastischen Forderungen und nationalistischen Tendenzen der FPÖ verwechselt werden. Die Menschen in Österreich haben Angst, dass das Land auf einen gefährlichen politischen Kurs abdriften könnte, der nicht nur innenpolitisch, sondern auch international negative Auswirkungen hat.
Die Herausforderung, vor der die ÖVP nun steht, ist klar: Sie muss ihre politische Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ernst nehmen und sich bewusst werden, welche Konsequenzen eine Koalition mit einer so umstrittenen Partei wie der FPÖ nach sich ziehen könnte. Besonders, wenn man bedenkt, dass sich die FPÖ politisch immer stärker an autoritäre und nationalistische Modelle anlehnt, wie sie etwa in Ungarn unter Viktor Orbán zu beobachten sind.
Die nächsten Wochen könnten entscheidend werden. Sollte es zu einer Koalition kommen, dürften die Proteste in Österreich nicht abflauen. Es ist zu erwarten, dass der Widerstand in den kommenden Monaten zunehmen wird. Auch in den EU-Institutionen könnte der Druck wachsen, sich mit der neuen Regierung auseinanderzusetzen, was internationale Spannungen zur Folge haben könnte.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Herbert Kickl?
Herbert Kickl ist der Vorsitzende der FPÖ und eine zentrale Figur in der österreichischen Rechtspopulistenbewegung. Er hat sich durch seine polarisierenden Aussagen und die Unterstützung von nationalistischen und eurokritischen Positionen einen Namen gemacht. Kickl ist ehemaliger Innenminister in der Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) und gilt als einer der härtesten Vertreter der FPÖ.
Was ist die FPÖ?
Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist eine rechtspopulistische politische Partei in Österreich. Sie wurde 1956 gegründet und hat sich seit den 1980er Jahren als Kraft des Rechtspopulismus etabliert. Die FPÖ ist bekannt für ihre kritische Haltung gegenüber der EU, Migration und multikultureller Gesellschaft. Sie setzt sich für nationale Souveränität und konservative Werte ein.
Was ist die ÖVP?
Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) ist eine der ältesten und einflussreichsten politischen Parteien in Österreich. Gegründet im Jahr 1945, repräsentiert die ÖVP traditionell das konservative Spektrum und spielt eine zentrale Rolle in der österreichischen Innenpolitik. In den letzten Jahren hat die Partei ihre politische Ausrichtung teils verändert und ihre Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Parteien intensiviert.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP