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Harter Schlag gegen Moskau: USA und Großbritannien treffen Russlands Energiesektor - Warum erst jetzt?

Die USA und Großbritannien verhängen neue, weitreichende Sanktionen gegen Russlands Energiesektor. Ziel ist es, Moskaus Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft zu reduzieren und den Krieg in der Ukraine zu schwächen.

Kurz vor dem Amtswechsel im Weißen Haus haben die USA und Großbritannien die bislang umfangreichsten Sanktionen gegen den russischen Energiesektor beschlossen. Im Fokus stehen die Ölkonzerne Gazprom Neft und Surgutneftegas, 180 Tanker sowie Händler und Anbieter von Ölfeldern. Laut dem US-Finanzministerium sollen die Maßnahmen die russischen Einnahmen aus dem Energiesektor weiter verringern und eine zentrale G7-Verpflichtung umsetzen.

Die scheidende US-Finanzministerin Janet Yellen sprach von „drastischen Maßnahmen gegen eine wesentliche Einnahmequelle des brutalen und illegalen Krieges Russlands in der Ukraine“. Auch Großbritannien zieht nach und sanktioniert die beiden Großkonzerne, deren Ölproduktion mehr als eine Million Barrel pro Tag ausmacht. Die Gewinne fließen laut dem britischen Außenministerium direkt in „Putins Kriegskasse“.

Der Kreml kritisierte die Sanktionen scharf. Sprecher Dmitri Peskow warf der Biden-Regierung vor, dem neuen US-Präsidenten Donald Trump „ein schweres Erbe“ zu hinterlassen. Gazprom Neft bezeichnete die Maßnahmen als „unrechtmäßig“ und „im Widerspruch zu den Grundsätzen des freien Wettbewerbs“.

Unterdessen lobte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Sanktionen als „schweren Schlag gegen die finanzielle Grundlage der russischen Kriegsmaschinerie“. Betroffen ist auch die serbische Öl- und Gasgesellschaft NIS, die mehrheitlich Gazprom gehört. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic kündigte Gespräche mit Wladimir Putin an, da NIS Serbiens Hauptversorger für Gas ist.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vor fast drei Jahren haben die G7-Staaten umfassende Maßnahmen ergriffen, um Moskaus Wirtschaft zu schwächen. Besonders der Energiesektor, eine zentrale Säule der russischen Wirtschaft, steht im Fokus. Mit den neuen Sanktionen wird diese Strategie weiter verschärft, aber....

OZD / ©AFP



OZD-Kommentar:

Erst jetzt?

Warum erst jetzt? Der späte Schritt der USA und Großbritanniens gegen Russlands Energiesektor

Es wirkt wie ein Schritt in die richtige Richtung, doch die entscheidende Frage bleibt: Warum haben die USA und Großbritannien erst jetzt weitreichende Sanktionen gegen den russischen Energiesektor verhängt? Seit fast drei Jahren führt Russland einen brutalen Krieg gegen die Ukraine, finanziert durch Milliarden aus dem Öl- und Gasgeschäft. Die jetzt verhängten Maßnahmen kommen spät – zu spät?

Zögerlicher Westen: Eine fatale Verzögerung

Russlands Wirtschaft basiert wesentlich auf den Einnahmen aus dem Energiesektor. Dieser ist seit Jahrzehnten das Rückgrat von Putins Macht. Die G7-Staaten waren sich früh einig, dass Sanktionen auf diesen Bereich abzielen müssen, doch die Umsetzung zog sich hin. Warum? Die Abhängigkeit des Westens von russischer Energie scheint die Antwort. Besonders Deutschland und andere europäische Länder hatten Angst vor steigenden Energiepreisen und einer drohenden Rezession. Erst nach der globalen Energiekrise und einer drastischen Umstellung der Energieversorgung in Europa schien der Weg frei für härtere Maßnahmen.

Ein Symbolakt statt proaktiver Strategie

Die jüngsten Sanktionen wirken wie ein symbolischer Schlusspunkt der scheidenden Biden-Administration. Man will offenbar noch schnell ein Zeichen setzen, bevor Donald Trump am 20. Januar die Amtsgeschäfte übernimmt. Doch diese Sanktionen hätten bereits 2022, nach den ersten Monaten des russischen Angriffskriegs, verhängt werden müssen. Stattdessen hat man Russland Zeit gegeben, alternative Märkte zu erschließen und sich auf wirtschaftliche Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Jetzt, wo Moskau bereits neue Handelsbeziehungen mit China, Indien und anderen Ländern aufgebaut hat, ist die Wirkung dieser Sanktionen begrenzt.

Opportunismus statt Konsequenz

Die späte Entscheidung zeigt einmal mehr die Doppelmoral in der internationalen Politik. Solange es um wirtschaftliche Interessen ging, wurden Kompromisse eingegangen. Selbst als die russischen Kriegsverbrechen unübersehbar waren, zögerte der Westen. Jetzt, da Russland wirtschaftlich geschwächt ist und der Druck der Öffentlichkeit steigt, werden Maßnahmen ergriffen, die vor einem Jahr noch undenkbar schienen.

Die Frage der Glaubwürdigkeit

Wie glaubwürdig sind diese Sanktionen? Russland hat bewiesen, dass es in der Lage ist, kurzfristige Einbußen zu kompensieren. Die G7-Staaten, allen voran die USA und Großbritannien, stehen in der Verantwortung, langfristige Strategien zu entwickeln, anstatt sich mit einmaligen Maßnahmen zu begnügen. Der Westen darf sich nicht weiter von kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen leiten lassen, wenn er wirklich eine Veränderung herbeiführen will.

Die neuen Sanktionen sind ein notwendiger Schritt, doch sie kommen spät und hätten viel früher Wirkung entfalten können. Der Westen muss sich fragen, wie viele ukrainische Leben durch das Zögern bereits verloren gegangen sind. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob diese Maßnahmen tatsächlich Druck auf Russland ausüben oder ob sie nur eine weitere politische Inszenierung sind.

Es bleibt zu hoffen, dass die Fehler der Vergangenheit als Lehre dienen und der Westen künftig schneller und entschlossener handelt – ohne Ausreden, ohne Zögern, ohne Symbolpolitik.



Sanktionen als Waffe: Ist Moskau wirklich getroffen?

Die neuen Sanktionen gegen den russischen Energiesektor wirken auf den ersten Blick wie ein gezielter Angriff auf Putins Kriegskasse. Doch die Frage bleibt: Wie effektiv sind solche Maßnahmen tatsächlich?

Russlands Energiesektor ist enorm, aber nicht unerschütterlich. Mit über einer Million Barrel Öl pro Tag liefern Gazprom Neft und Surgutneftegas einen wesentlichen Beitrag zur russischen Wirtschaft. Die neuen Sanktionen könnten diesen Unternehmen langfristig schaden, doch Moskau hat sich bisher als anpassungsfähig erwiesen. Russland könnte neue Märkte erschließen oder alternative Handelswege nutzen, um die Verluste zu minimieren.

Gleichzeitig werfen die Maßnahmen Fragen zur Energieversorgung in Ländern wie Serbien auf, die stark von russischem Gas abhängig sind. Hier könnte Moskau politischen Druck ausüben, um westliche Solidarität zu untergraben.

Prognose:
In den kommenden Wochen werden die Auswirkungen der Sanktionen auf Russlands Einnahmen sichtbar. Der Westen muss wachsam bleiben, um Schlupflöcher in den Maßnahmen zu schließen und die Unterstützung für Kiew aufrechtzuerhalten. Es bleibt abzuwarten, ob die G7 eine geschlossene Strategie finden, um Russland weiterhin wirtschaftlich unter Druck zu setzen.



Biographien und Erklärungen:

Wer ist Janet Yellen?

Janet Yellen war von 2021 bis 2025 US-Finanzministerin und die erste Frau, die dieses Amt innehatte. Zuvor war sie Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve (2014–2018). Als Finanzministerin spielte sie eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Sanktionen gegen Russland und trieb internationale Kooperationen zur Stabilisierung der Weltwirtschaft voran.

Was ist Gazprom Neft?

Gazprom Neft ist die Öltochter des russischen Energieriesen Gazprom. Mit Sitz in St. Petersburg zählt das Unternehmen zu den größten Ölproduzenten Russlands. Gazprom Neft ist in der Exploration, Produktion und Raffinierung von Erdöl tätig und generiert bedeutende Einnahmen für den russischen Staat.

Was ist Surgutneftegas?

Surgutneftegas ist eines der größten Öl- und Gasunternehmen Russlands, bekannt für seine bedeutenden Produktionsstätten in Westsibirien. Das Unternehmen ist eine wichtige Stütze der russischen Energiewirtschaft und gilt als eines der effizientesten in der Branche.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP