Alice Weidel ist zur ersten Kanzlerkandidatin der AfD-Geschichte gewählt worden. Auf dem Bundesparteitag der Partei im sächsischen Riesa stimmten die Delegierten am Samstag einstimmig per Akklamation für die 45-Jährige, die sich in ihrer Rede für einen radikalen Kurswechsel in der deutschen Politik aussprach. Weidel kündigte an, im Falle eines Wahlsieges die deutschen Grenzen „dicht“ zu machen und „Rückführungen in großem Stil“ durchzuführen. Sie übernahm dabei auch den umstrittenen Begriff „Remigration“: „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration“, sagte sie unter dem Applaus der Delegierten.
Zudem stellte die AfD-Vorsitzende in Aussicht, dass ihre Regierung das Asylrecht in Deutschland komplett ändern und aus dem EU-Asylsystem austreten würde. „Die deutschen Grenzen sind dicht“, erklärte Weidel und versprach, dass eine AfD-Regierung jeden illegalen Einwanderer zurückweisen werde. Ihre Position bekräftigte sie, indem sie auf die geplante Schließung der Grenzen und die Streichung von Sozialleistungen für Migranten hinwies.
Neben den Themen Migration und Asyl kündigte Weidel an, dass ihre Regierung die deutsche Klimapolitik grundlegend umkehren werde. „Wir werden alle Windräder niederreißen“, sagte sie und bezeichnete diese als „Windmühlen der Schande“. Zudem kündigte sie die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken an, um die Energieversorgung des Landes sicherzustellen.
In ihrer Rede sprach Weidel auch die geplante Umgestaltung des Bildungssystems an. So plante sie die Schließung aller Gender-Studies-Programme und das Entfernen entsprechender Professoren an deutschen Universitäten. In der Finanzpolitik versprach sie Steuererleichterungen in vielen Bereichen.
Die AfD hat mit dieser Wahl einen klaren Regierungsanspruch formuliert. Co-Parteichef Tino Chrupalla erklärte zu Beginn des Parteitags, dass mit der Wahl Weidels „der nächste wichtige Schritt“ gemacht worden sei. Die Partei wolle aus der Opposition herauswachsen und „weiter klettern“. Dennoch wird die AfD, trotz ihrer Umfragewerte von rund 20 Prozent, von anderen Parteien bei möglichen Koalitionsgesprächen ausgeschlossen.
Der Beginn des Parteitags war aufgrund zahlreicher Protestaktionen, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften organisiert wurden, erheblich verzögert worden. Demonstrierende blockierten den Zugang zur Halle und verhinderten den Zugang vieler Delegierter. Insgesamt nahmen rund 12.000 Menschen an den Protesten teil, was zu leichten Auseinandersetzungen mit der Polizei führte. Dennoch konnte der Parteitag nach rund zwei Stunden Verzögerung fortgesetzt werden.
In ihrer Antwort auf die Protestaktionen nannte Weidel die Demonstrierenden „rot lackierte Nazis“ und berichtete, dass Sicherheitskräfte ihren Konvoi vor einem „linken, gewaltbereiten Mob“ befreien mussten.
Auf dem Parteitag wird auch das Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 23. Februar beschlossen. Im Fokus steht zudem die Auflösung und Neugründung der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), die innerhalb der Partei umstritten ist.
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OZD-Kommentar:
AfD auf Konfrontationskurs: Weidel setzt auf Radikalisierung der Politik
Mit der Wahl von Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin stellt die AfD einmal mehr ihre radikalen politischen Ziele in den Vordergrund. Ihre Ankündigung, die deutschen Grenzen zu schließen und das Asylrecht in Europa grundsätzlich zu ändern, verdeutlicht die zunehmende Entfremdung von den klassischen politischen Mainstream-Parteien. Ihr drastischer Kurs in der Klimapolitik und der Bildungslandschaft zeigt, dass die AfD bereit ist, tiefgreifende Veränderungen an den Grundlagen des deutschen Staates vorzunehmen.
Die Reaktionen auf Weidels Rede und die Protestaktionen rund um den Parteitag sind jedoch ein Indiz dafür, dass eine breite Mehrheit der Gesellschaft solche Positionen ablehnt. Es ist fraglich, ob die AfD mit diesem radikalen Ansatz tatsächlich eine Mehrheit in der Bevölkerung gewinnen kann.
Prognose: In den kommenden Wochen dürfte die Diskussion um Weidels Kanzlerkandidatur und die radikale Politik der AfD weiter an Intensität gewinnen. Trotz des Anstiegs in den Umfragen wird die Partei wahrscheinlich weiterhin mit Widerstand konfrontiert sein, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Alice Weidel?
Alice Weidel ist die Vorsitzende der AfD und eine der bekanntesten Politikerinnen der Partei. Sie wurde 1979 in Deutschland geboren und studierte Volkswirtschaftslehre. Weidel arbeitete zunächst in der Wirtschaft und trat 2013 der AfD bei. Sie ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und machte sich besonders durch ihre scharfe Rhetorik in Asyl- und Migrationsfragen einen Namen. In der AfD gilt sie als eine der führenden Stimmen des wirtschaftsliberalen Flügels. Ihre Positionen sind stark nationalistisch geprägt, was sie zu einer polarisierenden Figur in der deutschen Politik macht.
Mehr über Alice Weidel: www.afd.de
Was ist die AfD?
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist eine rechtspopulistische Partei in Deutschland, die 2013 gegründet wurde. Die Partei hat sich als Oppositionskraft etabliert und setzt auf nationalistische, migrationskritische sowie wirtschaftsliberale Positionen. Seit ihrer Gründung hat die AfD in den letzten Jahren eine stetig wachsende Wählerschaft gewonnen und ist mittlerweile die drittgrößte Partei im Bundestag. Die AfD wird teils als rechtsextrem eingestuft, besonders nach der zunehmenden Radikalisierung ihrer Mitglieder und ihrer Positionen.
Mehr über die AfD: www.afd.de
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