Die Eigentumsquote in Deutschland ist auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gefallen. Nur noch 44 Prozent der Menschen leben in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus. Das ergab eine Studie des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und des Pestel-Instituts, die am Montag auf der Messe Bau in München vorgestellt wurde.
Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab: Nur die Schweiz hat eine noch niedrigere Eigentumsquote. Während in Ländern wie Österreich, den Niederlanden und Schweden mehr als die Hälfte der Menschen in Eigenheimen lebt, ist Deutschland eines der wenigen Länder, in dem die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin zur Miete wohnt.
Besonders in der Slowakei, Ungarn und Polen ist der Anteil von Eigenheimbesitzern hoch. Aber auch Italien, Norwegen und Portugal weisen hohe Quoten auf. „Deutschland bleibt ein Mietland, obwohl Wohneigentum ein Garant für soziale Stabilität und Altersvorsorge ist“, erklärte Matthias Günther, Institutsleiter des Pestel-Instituts.
Günther sieht die Hauptverantwortung bei der Politik: „Für Durchschnittsverdiener ist die Chance auf Wohneigentum heute gleich Null.“ Er kritisierte die mangelnde staatliche Unterstützung und forderte gezielte Maßnahmen wie günstige staatliche Kredite für Menschen mit wenig Eigenkapital sowie eine Abschaffung der Grunderwerbssteuer für selbstgenutzte Immobilien.
Derzeit sind die Kosten für den Kauf eines Eigenheims für viele Familien unerschwinglich. Steigende Zinsen und hohe Baukosten haben die Situation weiter verschärft. „Die Regierung muss den Traum vom Eigenheim wieder erreichbar machen“, so Günther.
Lösungsansätze
Das Pestel-Institut
schlägt vor, jährlich 500.000 Haushalte in die Lage zu versetzen,
erstmals selbstgenutztes Wohneigentum zu erwerben. Neben finanziellen
Förderungen sei auch ein langfristiger Plan nötig, um Deutschland von
einem Miet- zu einem Eigentümerland zu machen.
Wohneigentum sei nicht nur eine Frage des Wohnens, sondern auch der Altersvorsorge. Mieten stellen für viele ältere Menschen eine finanzielle Belastung dar und treiben sie teils in die Altersarmut. „Wohneigentum schützt vor steigenden Mieten und gibt Sicherheit im Alter“, betonte Günther.
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Kommentar:
Mietland Deutschland – ein vermeidbares Problem?
Die Zahlen sind alarmierend: Nur 44 Prozent der Menschen in Deutschland leben im Eigenheim. Das macht Deutschland zum Schlusslicht in Europa. Die Ursachen sind vielfältig – von steigenden Baukosten über hohe Zinsen bis hin zu einer fehlenden politischen Strategie.
Die politischen Versäumnisse der letzten Jahre sind unübersehbar. Während andere Länder gezielt den Zugang zu Wohneigentum fördern, hat Deutschland diesen Aspekt vernachlässigt. Dabei zeigt die Studie, wie wichtig Eigenheime für soziale Stabilität und Altersvorsorge sind.
Wohnen in Deutschland wird zum Luxusgut. Während die Immobilienpreise weiterhin auf Rekordhöhe sind, haben steigende Zinsen und eine hohe Inflation das Sparen für ein Eigenheim zur Illusion gemacht. Besonders betroffen sind Familien mit Kindern, für die der Traum vom eigenen Zuhause in weite Ferne rückt.
Ein Markt nur für Privilegierte
„Wohneigentum
ist mittlerweile nur noch für Doppelverdiener ohne Kinder
realisierbar“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts.
„Familien, Alleinverdiener oder gar Alleinerziehende haben kaum eine
Chance, den Einstieg in den Immobilienmarkt zu schaffen.“ Der Grund:
Immer höhere Kaufpreise treffen auf gestiegene Lebenshaltungskosten und
teure Kredite, was es nahezu unmöglich macht, Kapital für den Kauf
anzusparen.
Selbst Haushalte mit gutem Einkommen kämpfen gegen die finanzielle Belastung. Nach Berechnungen von Finanzexperten sind in vielen Regionen Deutschlands inzwischen über 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens allein für die Finanzierung einer Immobilie erforderlich. Wer gleichzeitig für die steigenden Lebenshaltungskosten und die Altersvorsorge sparen muss, ist schnell überfordert.
Steigende Preise, sinkende Chancen
Die
Preise für Wohnraum haben in den letzten Jahren eine schwindelerregende
Höhe erreicht. Besonders in Großstädten wie München, Hamburg oder
Frankfurt am Main sind Eigenheime für Durchschnittsverdiener
unerschwinglich. Selbst in ländlichen Regionen steigen die Preise
stetig, getrieben von einer wachsenden Nachfrage und einem zu geringen
Angebot.
„Das klassische Einfamilienhaus am Stadtrand ist für viele zur Mär geworden“, erklärt Günther. „Stattdessen sehen wir, dass Paare ohne Kinder, die beide arbeiten, die einzigen sind, die sich noch Wohneigentum leisten können.“
Sparen wird zur Utopie
Doch
nicht nur die Kaufpreise sind ein Problem. Die derzeit hohen Zinsen für
Immobilienkredite machen das Sparen zusätzlich schwer. „Früher konnte
man mit Disziplin und einem soliden Sparplan über Jahre Eigenkapital
aufbauen“, sagt eine Expertin für private Finanzplanung. „Heute frisst
die Inflation die Rücklagen auf, und selbst bei gutem Einkommen bleibt
am Ende des Monats nichts übrig.“
Zusätzlich hat das Ende staatlicher Förderungen wie der Eigenheimzulage viele Haushalte getroffen. Der Versuch, durch neue Programme wie den „Wohnbau-Booster“ der Bundesregierung gegenzusteuern, wird von Experten als unzureichend kritisiert. „Diese Maßnahmen helfen nicht denjenigen, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben“, so Günther.
Familien bleiben zurück
Besonders
hart trifft die Krise Familien mit Kindern. „Die Belastung durch
Kinderbetreuungskosten, steigende Energiekosten und Mieten lässt keinen
Spielraum mehr für Rücklagen“, klagt eine junge Mutter aus Köln. Viele
Familien sehen sich gezwungen, auf unbefristete Mietverträge zu hoffen
oder in kleinere Wohnungen zu ziehen, da sie sich kein größeres Zuhause
leisten können.
Wohnen wird zur sozialen Frage
Das Wohnen in Deutschland hat sich zu einer Krise entwickelt, die längst nicht mehr nur den Immobilienmarkt betrifft. Es ist eine soziale Frage, die die Gesellschaft spaltet: In jene, die sich Wohneigentum leisten können, und in jene, die auf der Strecke bleiben.
Statt die Rahmenbedingungen für Wohneigentum zu verbessern, hat die Politik zugesehen, wie steigende Zinsen, Baukosten und der Wegfall von Förderungen den Zugang für viele unmöglich gemacht haben. Die Leidtragenden sind Familien, die das Rückgrat der Gesellschaft bilden, aber keine Unterstützung erfahren.
Prognose:
Ohne
radikale Maßnahmen wird sich die Lage weiter verschärfen. Höhere
Eigenkapitalanforderungen und steigende Zinsen werden den
Immobilienmarkt weiter abschotten. Gleichzeitig droht eine soziale
Spaltung, die in wachsender Unzufriedenheit und politischen Konsequenzen
münden könnte. Es ist höchste Zeit, dass die Politik den Wohnungsmarkt
als das erkennt, was er ist: eine soziale Baustelle, die dringender denn
je angegangen werden muss.
Biographien und Erklärungen
Wer ist Matthias Günther?
Matthias
Günther ist Institutsleiter des Pestel-Instituts, einer
Forschungseinrichtung, die sich mit sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Themen beschäftigt. Günther hat sich auf
Wohnungsmarktanalysen spezialisiert und setzt sich für bezahlbaren
Wohnraum und Wohneigentum ein.
Was ist das Pestel-Institut?
Das
Pestel-Institut ist ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in
Hannover. Es beschäftigt sich mit den Bereichen Wohnen, Bauen und
Sozialpolitik. Das Institut führt regelmäßig Studien durch und berät
öffentliche und private Institutionen.
Was ist der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB)?
Der
BDB ist die Interessenvertretung des Baustoff-Fachhandels in
Deutschland. Der Verband vertritt die Branche auf politischer Ebene und
setzt sich für nachhaltige Bau- und Wohnlösungen ein.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild OZD