Die elektronische Patientenakte, die bereits seit 2021 auf freiwilliger Basis genutzt werden kann, soll künftig verpflichtend eingeführt werden. Lauterbach betonte, dass die Sicherheitsmängel, die zuvor vom Chaos Computer Club (CCC) aufgezeigt wurden, inzwischen behoben seien. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe bestätigt, dass die Pilotphase mit einem „sehr hohen Sicherheitsniveau“ gestartet werden könne. Das Ministerium gibt sich optimistisch, dass bis zum offiziellen Rollout der ePA alle Bedenken ausgeräumt sein werden.
Der Chaos Computer Club hatte im Vorfeld wiederholt auf Schwachstellen hingewiesen, die potenziell Angreifern den Zugriff auf Patientenakten ermöglichen könnten. Lauterbach räumte ein, dass die Kritik des CCC zunächst nicht genügend ernst genommen worden sei. Dennoch zeigte er sich dankbar für die konstruktive Auseinandersetzung der Experten mit den Sicherheitsfragen. „Die ePA wird in Deutschland sicherer sein als in vielen anderen Ländern“, so der Minister weiter.
Die Techniker Krankenkasse (TK) und die AOK begrüßten die Einführung der ePA als einen „riesigen Schritt vorwärts“. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, hob hervor, dass die Akte zu einer besseren und effizienteren Behandlung führen werde. Auch Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, zeigte sich optimistisch und betonte, dass nur 2,9 Prozent der AOK-Versicherten der Nutzung widersprochen hätten – ein positives Signal für den Erfolg der digitalen Akte.
Jedoch gibt es auch kritische Stimmen. Die Linke im Bundestag wirft der ePA mangelnde Sicherheit vor. Die gesundheitspolitische Sprecherin Kathrin Vogler bezeichnete die Mängel als „katastrophal“ und warnte, dass mit minimalem Aufwand fremde Patientenakten eingesehen und verändert werden könnten. Auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) betonte, dass während der Testphase noch genau beobachtet werden müsse, wie die Sicherheit weiter verbessert werden könne.
Die elektronische Patientenakte wird künftig eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen. Sie soll den Austausch medizinischer Daten zwischen Ärzten, Apothekern und anderen Gesundheitsdienstleistern erleichtern und so für eine schnellere und genauere Behandlung sorgen. Doch ob der flächendeckende Einsatz der ePA reibungslos verläuft, hängt entscheidend davon ab, wie schnell und konsequent die Sicherheitsbedenken ausgeräumt werden.
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OZD-Kommentar:
Die elektronische Patientenakte – Fortschritt oder Sicherheitsrisiko?
Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist ohne Frage ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens. Doch die anhaltenden Sicherheitsbedenken werfen einen Schatten auf den Optimismus, der die Einführung begleiten soll. Auch wenn Gesundheitsminister Lauterbach verspricht, dass alle Mängel bis zum offiziellen Start behoben werden, bleibt fraglich, ob wirklich alle potenziellen Angriffsvektoren rechtzeitig entschärft werden können.
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die Testphase wirklich alle sicherheitsrelevanten Probleme lösen kann oder ob die ePA zu einem Sicherheitsrisiko wird, das den Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten gefährdet. Es bleibt zu hoffen, dass der Erfolg der ePA nicht von einer zu laxen Sicherheitsstrategie überschattet wird.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Karl Lauterbach?
Karl Lauterbach ist ein deutscher Politiker der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und seit Dezember 2021 Bundesminister für Gesundheit. Lauterbach ist bekannt für seine wissenschaftliche Ausbildung und seine Expertise im Bereich Gesundheitspolitik. Er hat in den letzten Jahren maßgeblich die deutschen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beeinflusst. Lauterbach setzt sich für die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein, einschließlich der Einführung der elektronischen Patientenakte, die er als wichtigen Schritt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung betrachtet.
Was ist die elektronische Patientenakte (ePA)?
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist ein digitales System zur Speicherung und Verwaltung medizinischer Daten von Patienten. Sie ermöglicht es, Gesundheitsinformationen wie Diagnosen, Behandlungshistorien und Medikationspläne digital zu speichern und zwischen Ärzten, Apothekern und anderen Gesundheitsdienstleistern auszutauschen. Die ePA soll den Zugang zu Gesundheitsinformationen verbessern, die Qualität der Versorgung erhöhen und die Effizienz des Gesundheitssystems steigern. Sie wird seit 2021 auf freiwilliger Basis genutzt und soll künftig verpflichtend eingeführt werden.
Was ist der Chaos Computer Club (CCC)?
Der Chaos Computer Club (CCC) ist eine der ältesten und bekanntesten Hacker-Organisationen in Deutschland. Gegründet 1981, setzt sich der CCC für digitale Grundrechte, Datenschutz und die Förderung von IT-Sicherheit ein. Der Club ist bekannt für seine kritischen Stellungnahmen zu sicherheitstechnischen Aspekten von IT-Infrastrukturen und stellt immer wieder Schwachstellen in bestehenden Systemen, wie etwa der elektronischen Patientenakte, öffentlich dar.
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