Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Atomausstieg hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag seine Sicht auf die energiepolitischen Entscheidungen der Bundesregierung dargelegt. Habeck begann seine Ausführungen mit einer Rückschau auf die Situation bei seinem Amtsantritt im Jahr 2021. Deutschland sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der energiepolitischen Entscheidungen der Vorgängerregierung in einer "Position der Schwäche" gewesen, während Russland "in einer Position der Stärke" agiert habe.
Angesichts der angespannten Lage auf dem Energiemarkt ab dem Frühjahr 2022 habe er daher entschieden, die Möglichkeit eines längeren Betriebs der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke zu prüfen. Habeck betonte, dass diese Prüfung "ergebnisoffen und ohne Tabus" erfolgt sei und dass verschiedene Optionen erwogen worden seien. Sein Hauptziel sei stets gewesen, die „Versorgungssicherheit für unser Land“ zu gewährleisten. "Anhand dieser Richtschnur habe ich gearbeitet", sagte der Minister und unterstrich damit die Priorität der Energiesicherheit in seinen Entscheidungen. Er machte aber auch klar, dass Deutschland einen „hohen Preis“ für die in der Vergangenheit bewusst herbeigeführte Abhängigkeit von russischem Gas bezahlt habe.
Die Anhörung von Habeck war ein wichtiger Teil des laufenden Untersuchungsausschusses, der sich mit den Entscheidungsprozessen innerhalb der Bundesregierung hinsichtlich der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke befasst. Der Ausschuss wurde auf Antrag der oppositionellen Union im Juli 2024 ins Leben gerufen. Die Union erhebt den Vorwurf, dass in den Ministerien für Umwelt und Wirtschaft unter Grünen-Führung 2022 Bedenken gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke aus ideologischen Gründen missachtet worden seien. Ihrer Ansicht nach sei die Prüfung der Laufzeitverlängerung nicht wie öffentlich behauptet ergebnisoffen erfolgt. Diesen Vorwurf wiesen die Grünen sowie die SPD jedoch zurück und betonten, dass es dafür keine Belege gebe.
Im weiteren Verlauf des Ausschusses wird erwartet, dass auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Abgeordneten Rede und Antwort steht, um die politischen Entscheidungsprozesse rund um die Atomkraftabschaltung weiter aufzuklären.
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OZD-Kommentar:
Habecks Verteidigung der Atomkraft-Überprüfung: Ideologie oder Notwendigkeit?
Die Debatte um den Atomausstieg hat in Deutschland seit Jahren eine ideologische Dimension. Die Grünen, als starke Verfechter der Energiewende, sahen lange Zeit die Kernenergie als nicht zukunftsfähig an. Doch der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben die Politik gezwungen, ihre Prioritäten neu zu ordnen. In diesem Kontext sind die Aussagen von Robert Habeck im Untersuchungsausschuss besonders aufschlussreich. Habeck betonte, dass er stets die Energiesicherheit des Landes im Blick hatte, was durchaus nachvollziehbar erscheint – vor allem angesichts der Energieabhängigkeit von Russland.
Die Vorwürfe der Union, dass die Prüfung der Atomkraftlaufzeiten nicht ergebnisoffen war, werfen ein interessantes Licht auf die politische Strategie der Grünen. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Belege für diese Vermutung vorgelegt werden können, aber der Verdacht, dass in schwierigen Zeiten pragmatische Entscheidungen über ideologische Vorstellungen gestellt werden, könnte das Bild der Grünen langfristig verändern.
Prognose: Die Diskussion um den Atomausstieg wird auch in den kommenden Jahren weiter ein zentraler Bestandteil der politischen Auseinandersetzungen bleiben. Es ist zu erwarten, dass weitere Anhörungen und Erklärungen von Regierungsvertretern und Experten die gemachten Vorwürfe weiter aufgreifen und die politische Verantwortung für die Entscheidungen rund um den Atomausstieg klären.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Robert Habeck?
Robert Habeck ist ein deutscher Politiker und seit 2021 Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz im Kabinett von Olaf Scholz. Er ist Mitglied der Grünen und gilt als prominente Figur in der deutschen Energiewende. Habeck hat sich vor allem durch seine Haltung zu Klimaschutz und nachhaltiger Energieversorgung hervorgetan. Als Wirtschaftsminister spielt er eine Schlüsselrolle bei der Umstellung auf erneuerbare Energien und der Planung der Energiewende in Deutschland.
Was ist der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg?
Der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg wurde im Juli 2024 auf Antrag der oppositionellen Union ins Leben gerufen. Ziel des Ausschusses ist es, die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung hinsichtlich der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland zu untersuchen. Dabei wird insbesondere die Frage behandelt, ob die politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Atomausstieg transparent und auf der Grundlage wissenschaftlicher Analysen getroffen wurden.
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