In einem wegweisenden Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass bei der Aufklärung über die Risiken medizinischer Eingriffe Ärzte ihre Patienten nicht nur mit schriftlichen Unterlagen abspeisen dürfen. Es muss vielmehr ein mündliches Gespräch stattfinden, in dem die für die Entscheidung notwendigen Informationen klar und verständlich übermittelt werden. Das Urteil des BGH wurde am Dienstag veröffentlicht und bezieht sich auf einen Fall aus Südhessen, bei dem ein Patient Schadenersatz von einem Chirurgen fordert.
Der Kläger war 2015 wegen Schmerzen im rechten Sprunggelenk bei einem Unfallchirurgen in Behandlung. Nachdem konservative Maßnahmen keine Linderung brachten, schlug der Arzt eine Operation vor, bei der Gelenkkörper entfernt wurden. Kurz nach der ersten Behandlung klagte der Patient über anhaltende Schmerzen und Missempfindungen im Fuß, was schließlich zu einer Nervenschädigung führte. Der Patient ist inzwischen zu 60 Prozent schwerbehindert und dauerhaft erwerbsunfähig.
Der Mann klagte daraufhin gegen den Chirurgen, weil dieser ihn nicht ausreichend über die Risiken der Arthroskopie aufgeklärt hatte, insbesondere nicht über das Risiko einer Nervenschädigung. Zwar war das Risiko in einem Aufklärungsbogen beschrieben, jedoch war zwischen Arzt und Patient unklar, ob und in welchem Umfang dieses Thema auch mündlich besprochen wurde.
Der BGH stellte nun fest, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Aufklärung mündlich erfolgt. Patienten müssen eine allgemeine Vorstellung von den Risiken und Gefahren eines Eingriffs erhalten, selbst wenn diese nur selten eintreten. Ein rein schriftlicher Aufklärungsbogen reicht nicht aus, um den Patienten die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr müsse das Gespräch im Mittelpunkt stehen, in dem der Arzt auf die individuellen Belange des Patienten eingeht und sicherstellt, dass dieser die Risiken verstanden hat.
Im konkreten Fall soll das Landgericht Darmstadt nun untersuchen, ob der Chirurg ausreichend mündlich über die Risiken der Behandlung aufgeklärt hat, insbesondere hinsichtlich der Nervenschädigung. Das schriftliche Informationsmaterial alleine reicht nicht aus, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.
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OZD-Kommentar:
Vertrauensgespräche im medizinischen Bereich – Ein notwendiger Schritt für mehr Patientenrechte
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Patientenaufklärung in Deutschland. In einer Zeit, in der medizinische Eingriffe immer komplexer werden, ist es entscheidend, dass Patienten nicht nur mit einem Formular über Risiken informiert werden, sondern in einem persönlichen Gespräch die Möglichkeit haben, ihre Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten. Das Vertrauen zwischen Arzt und Patient sollte dabei im Mittelpunkt stehen.
In den kommenden Wochen dürfte der Fall vor dem Landgericht Darmstadt mehr Klarheit darüber bringen, wie das Aufklärungsgespräch konkret gestaltet werden muss. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie Ärzte ihre Verantwortung für eine umfassende mündliche Aufklärung noch besser wahrnehmen können.
Biographien und Erklärungen
Wer ist der Bundesgerichtshof (BGH)?
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Er ist zuständig für die Überprüfung von Urteilen und Entscheidungen der unteren Gerichte, wenn es um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Der BGH stellt sicher, dass das Recht in Deutschland einheitlich angewendet wird und hat daher eine zentrale Rolle im deutschen Rechtssystem.
Was ist die Patientenaufklärung?
Die Patientenaufklärung ist ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Behandlung. Sie umfasst die Information des Patienten über die Notwendigkeit, die Risiken und die Alternativen eines medizinischen Eingriffs, bevor dieser zugestimmt wird. Ziel ist es, dem Patienten zu einer informierten und freiwilligen Entscheidung zu verhelfen, wobei das Vertrauen zwischen Arzt und Patient eine zentrale Rolle spielt.
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