Der Streit über die Finanzierung der Ukraine-Hilfen belastet zunehmend das Verhältnis zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Koalitionspartnern, insbesondere den Grünen. In einer scharfen Reaktion auf Scholz’ Vorwurf, in der Debatte um die Ukraine-Hilfen werde „das deutsche Volk belogen“, äußerten sich Grüne und FDP empört und werfen dem Kanzler mangelnde Souveränität und falsche Rhetorik vor.
„Es ist sehr irritierend, wie unsouverän Olaf Scholz mit dieser Debatte umgeht“, erklärte Katharina Dröge, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Sie kritisierte auch den schlechten Stil des Kanzlers, der in Bezug auf die Finanzierung der Ukraine-Hilfen von einer „Lüge“ sprach. Scholz hatte bei einer Veranstaltung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ betont, dass er das Gefühl habe, „mit größter Intensität“ werde in Deutschland „das Volk belogen“. Auf die Frage, von wem diese Lügen verbreitet würden, antwortete er, es sei von „allen, die sich darum bemühen, eine Frage auszuklammern: Wie bezahlen wir es?“
Der Streit entzündet sich an Scholz’ Vorschlag, zur Finanzierung der Ukraine-Hilfen die Schuldenbremse aufzuheben, was auf Widerstand bei den Grünen und der FDP stößt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatten weitere drei Milliarden Euro an Hilfen für die Ukraine gefordert. Doch die Grünen und FDP plädieren für eine Finanzierung über außerplanmäßige Haushaltsausgaben, ohne die Schuldenbremse zu lockern.
Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Fraktion, kritisierte Scholz scharf und warf ihm vor, die Ukraine als „Geisel“ für innenpolitische Zwecke zu nehmen. „Scholz sagt die Unwahrheit, was er tut, halte ich für unmoralisch“, erklärte Dürr im ZDF. Er warf dem Kanzler vor, versuche, Rentner gegen die Ukraine-Hilfe auszuspielen.
Auch Grünen-Fraktionschefin Dröge zeigte sich verwundert über Scholz’ Vorwurf. Sie stellte fest, dass der Kanzler mit dieser Äußerung offenbar auch seinem eigenen Parteifreund, Verteidigungsminister Pistorius, und anderen Kabinettsmitgliedern die Lüge unterstellt habe. „Es ist für einen Kanzler sehr unklug, so unbesonnen zu agieren“, so Dröge. Sie warnte Scholz, Ausgaben für Sicherheit und Soziales nicht gegeneinander auszuspielen.
Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europa-Ausschusses, ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete Scholz’ Haltung als „bizarr“. Er wies darauf hin, dass der Bundeshaushalt 480 Milliarden Euro umfasse und es absurd sei, zu behaupten, für die zusätzlichen drei Milliarden Euro müsse die Schuldenbremse ausgesetzt werden.
Das zunehmende Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern sorgt für Spannungen und könnte die politische Arbeit in den kommenden Monaten zusätzlich erschweren. Es bleibt abzuwarten, wie Scholz auf die Kritik reagieren wird und ob es zu einer Einigung über die Ukraine-Hilfen kommen kann.
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OZD-Kommentar:
Kanzler Scholz in der Zwickmühle – politische Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand
Der Streit um die Finanzierung der Ukraine-Hilfen stellt Olaf Scholz vor eine entscheidende Herausforderung. Mit seinem Vorwurf, dass das deutsche Volk „belogen“ werde, setzt der Kanzler nicht nur auf Konfrontation, sondern riskiert auch, das Vertrauen innerhalb seiner eigenen Koalition weiter zu untergraben. Grüne und FDP werfen ihm vor, politische Ängste zu schüren, um Wahlkampf zu betreiben – eine Strategie, die auf mittelfristige Sicht das ohnehin fragile Bündnis weiter belasten könnte.
Die politische Lage bleibt angespannt, und die Entscheidung über die Finanzierung wird in den kommenden Wochen zunehmend zum Machtspiel werden. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung nicht nur bei den Ukraine-Hilfen, sondern auch bei anderen sicherheits- und sozialpolitischen Themen verstärkt in den Fokus geraten wird. Angesichts der kommenden Bundestagswahl könnte dies zu einem entscheidenden Moment für die Koalition werden.
Biographien und Erklärungen
Wer ist Olaf Scholz?
Olaf Scholz ist seit Dezember 2021 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Zuvor war er unter anderem Vizekanzler und Finanzminister. Scholz ist bekannt für seine pragmatische Politik und wurde 2021 als Kanzlerkandidat der SPD ins Rennen geschickt, nachdem er in der Großen Koalition die Rolle des Finanzministers innehatte.
Wer ist Katharina Dröge?
Katharina Dröge ist seit 2021 Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie gilt als Vertreterin des wirtschaftspolitischen Flügels der Partei und setzt sich für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft ein. Zuvor war sie in verschiedenen politischen Ämtern auf Landesebene aktiv und engagiert sich insbesondere in den Bereichen Klimaschutz und Sozialpolitik.
Was ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse ist eine verfassungsrechtlich verankerte Regelung, die den Staat verpflichtet, keine strukturellen Defizite im Bundeshaushalt zuzulassen. Sie wurde 2009 eingeführt, um die Staatsverschuldung langfristig zu begrenzen. Bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie etwa einer schweren Wirtschaftskrise, kann sie jedoch vorübergehend ausgesetzt werden.
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