Nach dem mutmaßlichen Sabotageakt an mehreren Unterwasserkabeln in der Ostsee vor rund einem Monat ist erneut ein solches Kabel beschädigt worden. Am frühen Sonntagmorgen berichtete das lettische Radio- und Fernsehzentrums, dass ein Glasfaserkabel zur Datenübertragung zwischen Schweden und Lettland „durch äußere Faktoren“ schwer beschädigt wurde. Diese äußeren Faktoren könnten eine gezielte Sabotage gewesen sein, weshalb Lettland sofort reagierte und ein Kriegsschiff in die Region entsandte.
Die lettische Marine entdeckte ein verdächtiges Schiff, die „Michalis San“, das laut Schifffahrtsdaten auf dem Weg nach Russland war. Schweden nahm die Ermittlungen auf und beschlagnahmte das Schiff am Abend. Dabei wurde eine „schwere Sabotage“ vermutet. Der schwedische Staatsanwalt Mats Ljungqvist erklärte, dass die schwedische Polizei, Küstenwache und Armee an den Ermittlungen beteiligt sind.
In einer gemeinsamen Erklärung betonten der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson sowie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Bedeutung der Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der kritischen Infrastruktur in der Region. Die EU zeigte ihre volle Solidarität mit Schweden und Lettland. Letzteres kündigte an, dass es weiterhin eng mit Schweden und der NATO zusammenarbeite, um den Vorfall aufzuklären.
Dieser Vorfall ist kein Einzelfall. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Jahr 2022 wurden bereits mehrfach wichtige Unterwasserkabel in der Ostsee beschädigt. Experten vermuten hinter diesen Angriffen eine hybride Kriegsführung Russlands. So wurden auch im Dezember 2023 mehrere Kabel zwischen Finnland und Estland beschädigt. Dabei wurde ein russischer Öltanker verdächtigt, den Anker zu benutzen, um die Kabel zu beschädigen.
Die NATO hat aufgrund dieser Serie von Vorfällen verstärkte Patrouillen in der Ostsee angekündigt. Mit der Mission „Baltic Sentry“ sollen Schiffe, Flugzeuge und Satelliten die Region überwachen. Experten gehen davon aus, dass eine der größten Bedrohungen für die Kabel die sogenannte „Schattenflotte“ ist – veraltete Schiffe, die unter fremder Flagge fahren und von Russland genutzt werden, um das Öl-Embargo zu umgehen.
Der Vorfall in der Ostsee sorgt für Spannungen und Befürchtungen, dass die Region in einen weiteren Sektor für hybride Kriegsführung gerät. Die NATO und die EU haben nun ihre Anstrengungen zur Überwachung und Sicherung der kritischen Infrastruktur in der Ostsee verstärkt.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
„Ostsee als Kriegsgebiet: Sabotageakte und die Gefahr einer Eskalation“
Die wiederholte Beschädigung von Unterwasserkabeln in der Ostsee ist ein Alarmsignal für die internationale Gemeinschaft. Die aktuellen Ereignisse werfen nicht nur ein Licht auf die angespannte geopolitische Lage zwischen dem Westen und Russland, sondern zeigen auch, wie verletzlich moderne Kommunikations- und Energienetze sind. Dass ein weiteres Kabel zerstört wurde, während die NATO und die EU mit ihren Untersuchungen noch an den vorigen Angriffen beschäftigt sind, könnte auf eine koordinierte Strategie hindeuten.
Die NATO ist zwar dabei, mit verstärkten Patrouillen in der Ostsee präsent zu bleiben, doch diese Angriffe sind nicht nur ein Versuch, Russland international unter Druck zu setzen, sondern auch eine direkte Bedrohung für die Infrastruktur, die für den modernen internationalen Handel und die Kommunikation unabdingbar ist. Sollte sich herausstellen, dass diese Angriffe von russischer Seite aus organisiert werden, könnte die Lage in der Ostsee zu einem kritischen geopolitischen Brennpunkt werden.
In den kommenden Wochen wird zu beobachten sein, ob die NATO und die EU gemeinsam mit Schweden und Lettland effektiv gegen die zunehmenden Sabotageakte vorgehen können. Eine verstärkte militärische Präsenz in der Region könnte zu einem weiteren Aufeinandertreffen mit Russland führen, was wiederum die Spannungen im ohnehin schon angespannten Ukraine-Konflikt weiter anheizen würde.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Ursula von der Leyen?
Ursula von der Leyen ist seit 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission. Zuvor war sie als deutsche Ministerin für Verteidigung und für Arbeit und Soziales tätig. Sie ist eine der prominentesten Politikerinnen in der EU und setzt sich stark für eine vertiefte Zusammenarbeit in der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik ein.
Was ist die NATO?
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein internationales Militärbündnis, das 1949 gegründet wurde und derzeit 30 Mitgliedsstaaten umfasst. Ihre Hauptaufgabe ist die kollektive Verteidigung und der Schutz ihrer Mitgliedsstaaten vor Bedrohungen. Sie spielt eine zentrale Rolle in der geopolitischen und militärischen Strategie des Westens, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit in Europa.
Was ist der „Netzarim-Korridor“?
Der Netzarim-Korridor ist eine wichtige geografische Durchgangsstraße, die in Israel und Palästina liegt und strategische Bedeutung hat. Er spielt bei verschiedenen militärischen und geopolitischen Auseinandersetzungen eine Rolle.
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