Der Krankenstand in Deutschland ist im Jahr 2024 leicht zurückgegangen. Wie eine Auswertung des IGES-Gesundheitsinstituts für die DAK-Gesundheit zeigt, betrug der Krankenstand im vergangenen Jahr 5,4 Prozent – ein Rückgang um 0,1 Prozentpunkte im Vergleich zu 2023. Ähnliche Ergebnisse präsentierte die Techniker Krankenkasse (TK), die ebenfalls einen leichten Rückgang der Fehltage verzeichnete.
Positive Signale mit gemischten Ursachen
DAK-Vorstandschef
Andreas Storm sprach von einem „ersten positiven Signal“, stellte
jedoch infrage, ob dieser Rückgang eine nachhaltige Trendwende bedeutet.
„Ob das so bleibt, ist noch offen“, sagte Storm. Nach dem sprunghaften
Anstieg der Fehltage in den Vorjahren, bedingt durch die Einführung der
elektronischen Krankmeldung sowie verstärkte Erkältungswellen, habe sich
die Situation etwas stabilisiert.
Die DAK-Studie, die Daten von 2,4 Millionen Versicherten auswertete, zeigte durchschnittlich 19,7 Fehltage pro Kopf. Dabei sanken die Fehltage durch Atemwegserkrankungen um acht Prozent und durch Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen um sechs Prozent. Gleichzeitig stiegen jedoch die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen wie Depressionen um 5,7 Prozent – ein Trend, der bereits in den letzten Jahren beobachtet wurde.
Branchenspezifische Unterschiede
Die
Krankenstände variieren stark zwischen den Branchen. Besonders niedrig
waren die Ausfallquoten in der Datenverarbeitungsbranche (3,5 Prozent)
sowie im Finanzwesen (4,0 Prozent). Deutlich höher lagen sie hingegen im
Gesundheitswesen (6,3 Prozent) und in der Transport- und
Logistikbranche (6,0 Prozent).
Internationale Einordnung und politische Diskussionen
Laut
einer Sonderanalyse des IGES-Instituts bewegt sich Deutschland beim
Krankenstand im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld. „Entgegen
der Behauptung, Deutschland sei Europameister im Krankenstand, zeigt
sich ein differenzierteres Bild“, erklärte Storm. Die Daten der OECD
bestätigen dies: Aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmethoden sei ein
direkter Ländervergleich jedoch schwierig.
Der hohe Krankenstand hat zuletzt auch politische Diskussionen ausgelöst. Allianz-Chef Oliver Bäte schlug vor, den sogenannten Karenztag wieder einzuführen, bei dem Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen. Gewerkschaften und Sozialverbände kritisierten diesen Vorschlag scharf und warnten vor einer zusätzlichen Belastung für die Beschäftigten.
OZD / AFP
Kommentar: Rückgang oder nur eine Momentaufnahme?
Die leicht gesunkenen Krankenstände in Deutschland sind eine erfreuliche Entwicklung, werfen jedoch gleichzeitig neue Fragen auf. Während weniger Fehltage durch Erkältungen und Rückenprobleme verzeichnet wurden, steigen die psychischen Erkrankungen weiter an. Dies zeigt, dass die Belastung am Arbeitsplatz nicht nachgelassen hat, sondern sich lediglich in veränderter Form äußert.
Besonders die hohen Ausfallzahlen im Gesundheits- und Logistiksektor geben Anlass zur Sorge. In Branchen, die ohnehin stark gefordert sind, könnten die gestiegenen Anforderungen während und nach der Pandemie ihre Spuren hinterlassen haben. Hier sind gezielte Maßnahmen nötig, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Prognose: Sollte die wirtschaftliche und gesellschaftliche Belastung nicht abnehmen, werden die psychischen Erkrankungen weiter zunehmen – auch auf Kosten der Produktivität. Arbeitgeber und Politik müssen stärker in die Prävention investieren, um langfristige Lösungen zu schaffen.
Biographien und Erklärungen:
Was ist der Krankenstand?
Der Krankenstand beschreibt den prozentualen Anteil der Arbeitstage, die Beschäftigte aufgrund von Krankheit ausfallen. Er wird häufig als Indikator für die Gesundheit der Erwerbstätigen in einer Gesellschaft herangezogen.
Was ist der Karenztag?
Ein Karenztag bedeutet, dass Arbeitnehmer bei Krankheit den ersten Ausfalltag selbst tragen müssen, ohne Lohnfortzahlung. In Deutschland wurde der Karenztag 1994 abgeschafft, in einigen Ländern wie Dänemark oder Großbritannien existiert er jedoch weiterhin.
Wer ist Andreas Storm?
Andreas Storm ist Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit und ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit. Er setzt sich für die Verbesserung des Gesundheitssystems und die Prävention am Arbeitsplatz ein.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild ozd
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