Seit Januar hat die Polizei Wohnungen in der Hauptstadt Islamabad durchsucht, mehrere Medienschaffende festgenommen und eine Journalistin nach Afghanistan abgeschoben. Hintergrund sind strengere Visaregelungen. Die pakistanischen Behörden stellen nur noch für kurze Zeiträume und gegen hohe Kosten ein Visum aus. Von den Schikanen betroffen sind auch Medienschaffende, die im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) auf eine Einreise nach Deutschland warten.
„Afghanische Journalistinnen und Journalisten in Pakistan verzweifeln. Sie mussten mit ihren Familien vor den Taliban fliehen, sind aber auch im Exil nicht mehr sicher", sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Die pakistanischen Behörden müssen ihre Sicherheit garantieren und ihnen unkompliziert Visa ausstellen, bis sie in Drittländer reisen können. Aber auch die deutsche Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden: Journalistinnen und Journalisten mit Aufnahmezusage nach Deutschland müssen umgehend eine Einreiseerlaubnis bekommen. In Afghanistan droht ihnen Verfolgung und Folter."
RSF steht mit mehr als 100 afghanischen Journalistinnen und Journalisten in Kontakt, die vorrübergehend in Pakistan leben. Sie mussten fliehen, nachdem im August 2021 mit den Taliban einer der größten Feinde der Pressefreiheit erneut die Macht übernommen hatte. Doch die pakistanischen Behörden gehen verstärkt gegen afghanische Geflüchtete vor. Das ist auch eine Folge der sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem Taliban-Regime und der Regierung in Islamabad.
RSF hört derzeit verstärkt von Polizeirazzien, die sich gegen afghanische Flüchtlinge in und um Islamabad richten. Ein zentrales Problem sind neue Visaregeln. Die Behörden stellen ein Visum unter hohem bürokratischem Aufwand nur noch für einen Monat aus und verlangen rund 100 US-Dollar pro Person. „Die Polizei durchsucht Häuser, um sicherzustellen, dass sich kein Afghane ohne gültiges Visum versteckt", sagte ein Journalist der Organisation. Seit Anfang Januar wurden mehrere Medienschaffende zwischenzeitlich in einer Haftanstalt in der Hauptstadt festgehalten. Eine Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, wurde bereits nach Afghanistan abgeschoben.
Was das konkret für Betroffene bedeutet, schilderte ein Journalist RSF. Auch er möchte anonym bleiben. Das Visum seiner Frau war demnach abgelaufen, aber sie hatte bereits eine Verlängerung beantragt. „Die Polizei brachte uns gewaltsam in ein Abschiebelager, wo wir die Nacht verbringen mussten. Wir machten uns Sorgen um unsere Kinder, die allein zu Hause blieben. Nachdem wir den Polizeichef angefleht hatten, wurden wir freigelassen. Wir mussten aber unterschreiben, dass wir in das Abschiebelager zurückkehren, wenn wir das Visum nicht innerhalb einer Woche erhalten. Aber die Visastelle hat uns eine Geldstrafe von 400 Dollar auferlegt, die ich nicht bezahlen kann."
Eine Journalistin berichtet über ähnliche Erfahrungen. Anfang Januar habe die Polizei ihre Wohnung durchsucht und die Journalistin, ihren Mann und ihre Kinder festgenommen, obwohl die Familie einen Monat zuvor bereits eine Visaverlängerung beantragt habe. „Nach mehreren Stunden wurde ich freigelassen, weil meine Kinder noch so jung sind. Trotz meiner Bitten wurde mein Mann nach Afghanistan abgeschoben, wo er in Lebensgefahr schwebt."
Auch Journalisten aus dem Bundesaufnahmeprogramm betroffen
Unter den Medienschaffenden in Islamabad sind auch vier Journalisten, deren Fälle RSF in das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) eingereicht hatte. Sie haben bereits eine Aufnahmezusage erhalten und warten darauf, mit ihren Familien nach Deutschland reisen zu können. Sie wohnen derzeit in Gästehäusern, die im Auftrag der Bundesregierung von der GIZ betrieben werden.
Einer dieser Journalisten, der ebenfalls aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation für Afghaninnen und Afghanen in Islamabad als „prekär und unberechenbar." Die Polizei sei in sein Gästehaus gekommen, habe ihn und alle anderen Afghaninnen und Afghanen dort befragt und ihre Dokumente geprüft. Einen Schutzbrief der deutschen Botschaft habe die Polizei nicht akzeptiert. „Das Innenministerium hatte sie eindeutig angewiesen, diejenigen festzunehmen und abzuschieben, die sich auch nur einen Tag zu lange im Land aufgehalten haben." Im Gästehaus herrsche „Panik".
Unter dem im Oktober 2022 angelaufenen BAP sollten monatlich 1.000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland kommen. Doch mit dem Bruch der Regierungskoalition endet das Programm vorzeitig. Nur ein Bruchteil ist bisher eingereist.
Angesichts der prekären Situation in Pakistan hat RSF Mitte Januar mit weiteren Organisationen eine schnellere Visa-Bearbeitung für Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland gefordert. In dem Appell an das Auswärtige Amt erinnerten die Organisationen, dass derzeit insgesamt mehr als 3.000 Personen auf die Ausstellung ihrer Visumspapiere für die Ausreise nach Deutschland warten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan auf Platz 178 von 180 Staaten.
Reporter ohne Grenzen e.V.
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