Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen erneut gesenkt. Der Einlagenzins, der für Sparer besonders wichtig ist, liegt nun bei 2,75 Prozent. Dies teilte die Bank nach ihrer ersten Sitzung in diesem Jahr mit. Die erneute Senkung um 0,25 Prozentpunkte soll die schwächelnde Wirtschaft im Euroraum stabilisieren.
Bereits zum vierten Mal in Folge nimmt die EZB eine Zinssenkung vor. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem Banken Geld von der EZB leihen, beträgt nun 2,90 Prozent, während der Spitzenrefinanzierungssatz bei 3,15 Prozent liegt.
Trotz eines leichten Anstiegs der Inflation auf 2,4 Prozent im Dezember sieht EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Notenbank weiterhin auf Kurs, ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent zu erreichen. "Die Inflation hat sich im Wesentlichen weiterhin im Einklang mit den Projektionen entwickelt", erklärte Lagarde auf der Pressekonferenz.
Die Verzögerung der Lohn- und Preisentwicklung in bestimmten Sektoren sei ein Faktor für den erneuten Anstieg der Inflation, so die EZB. Dennoch lasse das Lohnwachstum allmählich nach, was langfristig zur Stabilisierung der Preise beitragen könnte.
Christine Lagarde betonte zudem, dass steigende Exporte der Eurozone die Wirtschaft in den kommenden Monaten ankurbeln könnten. Allerdings könnten drohende Handelsbarrieren, insbesondere durch die USA unter Präsident Donald Trump, das Wachstum belasten. "Was wir sicher wissen, ist, dass (Zölle) einen weltweiten negativen Einfluss haben werden", warnte sie.
Die EZB verfolgt weiterhin einen flexiblen Ansatz und legt sich nicht auf einen festen Zinspfad fest. Stattdessen wird von Sitzung zu Sitzung entschieden.
Experten zeigen sich gespalten: Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer lobte die EZB für ihre regelbasierte Entscheidungsfindung. ING-Analyst Carsten Brzeski hingegen kritisierte die Zinsen als "weiterhin zu hoch" und als "zu restriktiv für die derzeit schwache Wirtschaft der Eurozone". Ulrich Reuter vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband sieht dagegen Reformbedarf für nachhaltiges Wachstum und betont, dass Zinssenkungen allein keine langfristige Lösung darstellen.
Unterdessen bleibt die US-Notenbank Fed bei ihrer bisherigen Zinspolitik und widersteht dem Druck von Donald Trump, die Zinsen zu senken. Der US-Leitzins bleibt weiterhin im Bereich von 4,25 bis 4,5 Prozent.
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OZD-Kommentar:
Der Balanceakt der EZB zwischen Stabilität und Wachstum
Die Europäische Zentralbank steht vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss einerseits die Inflation unter Kontrolle halten und andererseits die Wirtschaft der Eurozone stärken. Die erneute Zinssenkung zeigt, dass sich die Notenbank weiterhin Sorgen um das Wirtschaftswachstum macht.
Doch wie effektiv ist diese Strategie? Niedrigere Zinsen können zwar Investitionen ankurbeln, doch sie haben auch Nebenwirkungen. Für Sparer bedeutet dies weiterhin niedrige Renditen, während Kredite günstiger werden. Banken stehen vor der Herausforderung, mit schrumpfenden Margen umzugehen.
Eine weitere Gefahr sind externe Risiken. Sollten die USA ihre angedrohten Handelszölle tatsächlich einführen, könnte dies die europäische Wirtschaft zusätzlich belasten.
Prognose: In den kommenden Wochen wird die EZB genau beobachten, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt. Sollten sich die Wachstumsprognosen weiter eintrüben, könnte eine weitere Zinssenkung nicht ausgeschlossen werden. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie sich die globale Handelspolitik auf den Euroraum auswirkt.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Christine Lagarde?
Christine Lagarde ist seit November 2019 Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor war sie Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Finanzministerin Frankreichs. Als erste Frau an der Spitze der EZB steht sie vor der Herausforderung, die Geldpolitik des Euroraums zu steuern und die wirtschaftliche Stabilität zu sichern.
Was ist die Europäische Zentralbank (EZB)?
Die EZB ist die Zentralbank der 20 Länder der Eurozone. Sie ist für die Geldpolitik verantwortlich und hat das Ziel, Preisstabilität zu gewährleisten. Sie steuert die Leitzinsen, gibt Anleihenkaufprogramme vor und beaufsichtigt den europäischen Bankenmarkt. Die EZB wurde 1998 gegründet und hat ihren Sitz in Frankfurt am Main.
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