Fast acht Monate nach der Parlamentswahl hängt die Regierungsbildung in Belgien am seidenen Faden. Der flämische Rechtsnationalist Bart De Wever hatte sich bis Freitag Mitternacht eine Frist gesetzt, um mit fünf Parteien eine Koalition zu bilden. Doch der Verhandlungsmarathon blieb bis zuletzt schwierig – und Belgien könnte erneut in eine politische Blockade schlittern. Sollte keine Einigung erzielt werden, will De Wever das Mandat zur Regierungsbildung zurückgeben.
Am Freitagabend wurde er von König Philippe von Belgien empfangen, um über den aktuellen Stand der Gespräche zu berichten. Besonders umstritten sind weiterhin zentrale Themen wie Haushalt, Renten, Arbeit und Steuern.
Die Ausgangslage ist kompliziert: Bei der Parlamentswahl am 9. Juni wurde die Neu-Flämische Allianz (N-VA) von De Wever stärkste Kraft, gefolgt von der rechtsextremen flämischen Partei Vlaams Belang. De Wever setzt auf ein ungewöhnliches Bündnis – die sogenannte Arizona-Koalition, bestehend aus Konservativen und Liberalen aus Wallonien und Flandern sowie den flämischen Sozialisten. Doch die ideologischen Differenzen zwischen den Parteien sind enorm.
Bereits im August hatte De Wever sein Mandat zur Regierungsbildung aufgrund tiefgehender Streitigkeiten abgegeben, nur um kurze Zeit später erneut von König Philippe beauftragt zu werden. Doch auch Monate später scheint keine Lösung in Sicht.
Belgien hat eine lange Tradition schwieriger Regierungsbildungen. Die komplexe politische Struktur des Landes macht es fast unmöglich, schnell stabile Mehrheiten zu finden. Die Parteien treten meist nur in bestimmten Sprachregionen an – entweder im französischsprachigen Süden (Wallonie), im niederländischsprachigen Norden (Flandern) oder in der Hauptstadtregion Brüssel. Dadurch entstehen tiefgehende politische Blockaden, die oft monatelang ungelöst bleiben.
Der bisherige Rekord liegt bei unglaublichen 541 Tagen ohne Regierung zwischen 2010 und 2011 – und die aktuelle Situation könnte Belgien erneut an diesen Punkt bringen. Sollte De Wever scheitern, könnte das Land wieder in einen langwierigen Stillstand geraten.
OZD / AFP
OZD-Kommentar:
Belgien steuert auf eine politische Katastrophe zu!
Dass Belgien ein schwieriges Land für Regierungsbildungen ist, ist nichts Neues – aber diesmal könnte die Situation noch explosiver sein als je zuvor. Bart De Wever hat mit seiner „Arizona-Koalition“ ein Bündnis vorgeschlagen, das von Anfang an auf wackeligen Beinen stand. Zu unterschiedlich sind die politischen Ausrichtungen, zu groß sind die ideologischen Differenzen.
Die N-VA verfolgt eine flämisch-nationalistische Agenda, die sich mit den Interessen der wallonischen Liberalen und Sozialisten kaum vereinbaren lässt. Gleichzeitig ist der Druck der extrem rechten Vlaams Belang im Nacken der N-VA spürbar – eine Partei, die bei der Wahl ein Rekordergebnis erzielte und damit die politische Landschaft Flanderns nachhaltig veränderte. Die Spaltung zwischen Nord und Süd wird immer tiefer.
Der belgische Föderalismus erweist sich erneut als politischer Albtraum. Ein Land mit drei Sprachen, mehreren Regierungen und enormen kulturellen Unterschieden scheint schlicht nicht regierbar. Sollte De Wever sein Mandat erneut zurückgeben, könnte sich Belgien bald wieder in einem endlosen politischen Stillstand wiederfinden – mit unklaren Folgen für das Land und die EU.
Prognose:
Sollte
bis zur gesetzten Frist keine Einigung erzielt werden, wird es für
Belgien noch komplizierter. Eine Rückkehr zu Neuwahlen könnte drohen,
doch auch das würde die politische Lage nicht unbedingt stabilisieren.
Die extreme Rechte könnte weiter an Einfluss gewinnen, während die
traditionellen Parteien weiter um Macht und Mehrheiten ringen. Belgien
könnte sich auf eine der längsten Phasen ohne Regierung seit Jahren
einstellen.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Bart De Wever?
Bart De Wever ist ein flämischer Politiker und Vorsitzender der Neu-Flämischen Allianz (N-VA), einer Partei, die für eine stärkere Autonomie Flanderns eintritt. De Wever ist eine prägende Figur der belgischen Politik und war maßgeblich daran beteiligt, die N-VA zur stärksten Partei des Landes zu machen. Er steht für eine konservativ-nationalistische Politik und setzt sich für eine stärkere Eigenständigkeit Flanderns innerhalb Belgiens ein.
Was ist die "Arizona-Koalition"?
Die Arizona-Koalition ist eine angestrebte Regierungskoalition in Belgien, die aus Konservativen, Liberalen und Sozialisten bestehen soll. Der Name leitet sich von der Farbenlehre der beteiligten Parteien ab, die an die Flagge des US-Bundesstaates Arizona erinnert. Die Koalition soll eine stabile Regierung ermöglichen, stößt aber auf große ideologische Konflikte zwischen den Parteien.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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