Friedrich Merz und die CDU haben im Bundestag eine herbe Niederlage erlitten. Das von der Unionsfraktion eingebrachte sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, das eine Verschärfung der Migrationspolitik vorsah, wurde noch vor der geplanten Schlussabstimmung gestoppt. In einer namentlichen Abstimmung entschieden sich 349 Abgeordnete gegen die weitere Befassung des Parlaments mit dem Gesetz, während 338 dafür stimmten. Fünf enthielten sich.
Brisant: Die Union hätte das Gesetz mit Unterstützung der AfD durchbringen können. Neben der rechtspopulistischen Partei hatten auch FDP und BSW Zustimmung signalisiert. Doch es fehlten Stimmen: Zwölf Unionsabgeordnete und 16 FDP-Parlamentarier nahmen nicht an der Abstimmung teil, zwei Liberale votierten gar dagegen. Bei der AfD gab es nur Ja-Stimmen, bis auf einen Abgeordneten, beim BSW fehlten drei Stimmen.
Der Druck auf Merz war bereits in den Tagen zuvor gewachsen. Erstmals hatte die Union einen Antrag mit Hilfe der AfD durchgesetzt, was parteiintern und öffentlich für Empörung sorgte. Sogar Altkanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein und kritisierte den Kurs mit den Worten: "Es ist falsch, sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen."
Ein Vorstoß der FDP, die Abstimmung auf die letzten Sitzungstage vor der Bundestagswahl zu vertagen, scheiterte. Fraktionschef Christian Dürr hatte noch versucht, eine Mehrheit in der "demokratischen Mitte" zu finden. Trotz intensiver Gespräche zwischen den Fraktionen blieb ein Kompromiss aus.
Merz verteidigte sich nach der Niederlage: "Ich bin mit mir persönlich sehr im Reinen, dass wir es wenigstens versucht haben." Er sah die Debatte als Beweis für die programmatischen Unterschiede in der Migrationspolitik und betonte: "Der deutsche Parlamentarismus ist der eigentliche Sieger." SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hingegen sprach von einer "historischen Entscheidung" und befand, Merz sei an der Mehrheit des Bundestags gescheitert, "den Weg zur AfD zu suchen".
Auch Grünen-Politikerin Britta Haßelmann sprach von einem "schwierigen Tag", zeigte sich aber erleichtert über den Ausgang der Abstimmung. AfD-Chefin Alice Weidel hingegen feierte das Ergebnis als "Demontage von Friedrich Merz als Kanzlerkandidat" und sah die "Implosion einer konservativen Volkspartei".
Die Linken-Parteispitze, Ines Schwerdtner und Jan van Aken, kritisierte Merz scharf. Sein Vorgehen sei "unverzeihlich", er habe sich als "unzuverlässiger Politiker" erwiesen. Trotz des knappen Ergebnisses war der CDU-Chef am Ende gescheitert.
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OZD-Kommentar:
Der Preis eines riskanten Manövers
Friedrich Merz hat sich verzockt. Sein Versuch, ein migrationspolitisches Gesetz mit AfD-Unterstützung durchzubringen, hat nicht nur politisch, sondern auch innerparteilich hohe Wellen geschlagen. Die CDU ist ohnehin gespalten zwischen konservativen Hardlinern und gemäßigteren Kräften – die Abstimmung hat diesen Riss verstärkt. Der Vorwurf, mit der AfD zu taktieren, dürfte Merz im Wahlkampf weiter belasten.
Das Signal aus dem Bundestag ist klar: Eine Zusammenarbeit mit der AfD bleibt für viele Abgeordnete ein Tabu. Das knappe Ergebnis zeigt jedoch, wie fragil die Mehrheiten sind. Die Union hat sich durch das Manöver geschwächt, die Konkurrenz von SPD, Grünen und FDP wird es nutzen.
Prognose: Die Debatte wird weitergehen – und Merz könnte als Kanzlerkandidat noch stärker unter Druck geraten. Der innerparteiliche Gegenwind dürfte sich verschärfen, insbesondere, wenn die CDU bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht gut abschneidet.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Friedrich Merz?
Friedrich Merz ist der Vorsitzende der CDU und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Nach einer langen Pause von der politischen Bühne kehrte er 2018 zurück und wurde 2022 Parteivorsitzender. Er steht für eine wirtschaftsliberale und konservative Politik, hatte jedoch mehrfach Schwierigkeiten, sich als Kanzlerkandidat der Union zu etablieren.
Wer ist Alice Weidel?
Alice Weidel ist Co-Vorsitzende der AfD und eine der prägendsten Figuren der Partei. Sie trat 2017 als Spitzenkandidatin auf und vertritt eine stark nationalkonservative und migrationskritische Linie.
Wer ist Rolf Mützenich?
Rolf Mützenich ist der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Er gilt als besonnen und pragmatisch und setzt sich für einen sozialen Ausgleich und eine klare Abgrenzung zur AfD ein.
Was ist die CDU?
Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) ist eine der beiden großen Volksparteien in Deutschland. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und vertritt eine konservativ-liberale Politik.
Was ist die AfD?
Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde 2013 gegründet und entwickelte sich von einer europakritischen zu einer rechtspopulistischen Partei. Sie steht für eine restriktive Migrationspolitik und wird vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch eingestuft.
Alle Angaben ohne Gewähr.
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