Im eskalierenden Konflikt zwischen Moskau und Kiew ist eine neue Tragödie aufgetreten. Ein tödlicher Angriff auf ein als Vertriebenenunterkunft genutztes Gebäude im russischen Kursk hat zu heftigen Anschuldigungen zwischen den beiden Kriegsparteien geführt. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, dass die ukrainische Armee am Samstag ein weiteres „Kriegsverbrechen“ begangen habe. Laut den russischen Angaben wurde ein gezielter Raketenangriff auf ein Schulgebäude in der Stadt Sudscha verübt, bei dem mehrere Menschen getötet wurden.
Doch die ukrainische Luftwaffe wehrt sich gegen diese Vorwürfe und beschuldigt im Gegenzug Russland, das Gebäude mit einer Lenkwaffe attackiert zu haben. Der Angriff führte nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe zum Tod von vier Menschen und der Verletzung von weiteren vier. Zudem konnten 80 Überlebende aus den Trümmern des zerstörten Gebäudes gerettet werden. „Der Angriff auf Zivilisten ist typisch für russische Verbrecher“, hieß es in einer Stellungnahme der ukrainischen Luftwaffe. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich empört und warf Russland vor, seine eigenen Zivilisten zu töten.
Auf der russischen Seite wurde keine Zahl der Todesopfer genannt. Jedoch kündigte das russische Verteidigungsministerium an, gegen einen ukrainischen Armeekommandanten zu ermitteln, der angeblich den Angriff befohlen haben soll.
Die Auseinandersetzungen in der Region Kursk dauern an. Im August hatte die Ukraine eine überraschende Offensive gestartet und zahlreiche Ortschaften eingenommen, darunter auch Sudscha, wo vor den Kämpfen etwa 6000 Menschen lebten. Diese Militäraktionen haben die Spannungen weiter angeheizt.
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden laut ukrainischen Angaben mindestens 18 Menschen durch russische Angriffe getötet, darunter auch zwei Kinder bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebäude in Poltawa. Weitere 17 Personen wurden verletzt, und die Rettungskräfte setzten Kräne ein, um nach Überlebenden zu suchen. In der nördlichen Region Sumy kamen drei Menschen bei russischen Angriffen ums Leben, und auch in Charkiw gab es ein weiteres Todesopfer.
Am Samstagmorgen wurde die Ukraine von einem massiven russischen Angriff überzogen, bei dem 42 Raketen und 123 Drohnen zum Einsatz kamen. Die Luftwaffe berichtete von den verheerenden Auswirkungen dieses Angriffs, bei dem unter anderem eine ältere Frau in der südlichen Region Cherson getötet wurde.
Auf russischer Seite wurden zwei Todesopfer durch einen ukrainischen Drohnenangriff in der Grenzregion Belgorod gemeldet.
Unterdessen meldete Russland die Eroberung einer weiteren Ortschaft in der Region Donezk. Die russische Armee erklärte, das Dorf Krymske bei Torezk sei „befreit“ worden. Diese Offensive ist Teil der russischen Bemühungen, Torezk zu erobern und damit die Ukraine von wichtigen Versorgungsrouten abzuschneiden.
Der Konflikt im Osten der Ukraine geht inzwischen in die Verlängerung, und Russland drängt seit mehr als einem Jahr immer weiter vor. Am 22. Februar jährt sich der Beginn des russischen Angriffs auf die Gesamtukraine zum dritten Mal, und die Perspektive eines Friedensabkommens scheint in weite Ferne gerückt.
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OZD-Kommentar:
Die Eskalation auf allen Fronten
Der erneute tödliche Angriff auf Zivilisten in der Region Kursk zeigt, wie weit der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine mittlerweile eskaliert ist. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, Kriegsverbrechen begangen zu haben, doch die Verantwortung für die Attacken liegt offensichtlich auf beiden Seiten der Front. Besonders brisant sind dabei die Angriffe auf zivile Ziele, die das Vertrauen in jegliche diplomatische Bemühungen weiter untergraben. Wenn der Krieg weiterhin mit der gleichen Brutalität fortgesetzt wird, könnte der Verlust von weiteren unschuldigen Leben unvermeidlich sein.
Angesichts der Tatsache, dass die militärischen Auseinandersetzungen sowohl in der Ukraine als auch auf russischem Boden zunehmen, stellt sich die Frage, wie lange dieser blutige Konflikt noch andauern kann. Die internationalen Reaktionen auf die Kriegsverbrechen werden zunehmend wichtiger. Doch die Eskalation der Gewalt und die schwerwiegenden Verluste auf beiden Seiten werfen einen Schatten auf jegliche Bemühungen um eine diplomatische Lösung.
Prognose: Sollte sich die militärische Lage weiterhin zugunsten Russlands entwickeln, könnte dies zu einer verstärkten internationalen Isolation der Ukraine führen, die zu einer Zunahme der Spannungen in der Region führen würde. Der Kurs dieses Krieges wird in den kommenden Wochen entscheidend sein und könnte weitreichende Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Konflikts haben.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Wolodymyr Selenskyj?
Wolodymyr Selenskyj, geboren 1978 in Krywyj Rih, Ukraine, ist seit 2019 Präsident der Ukraine. Der ehemalige Schauspieler und Komiker wurde durch die populäre TV-Serie „Diener des Volkes“ bekannt, in der er einen einfachen Lehrer spielte, der Präsident wird. 2019 gewann er die Präsidentschaftswahlen mit einer überwältigenden Mehrheit. Seitdem hat er sich auf die Bekämpfung der Korruption und die Stabilisierung der ukrainischen Wirtschaft konzentriert. Selenskyj spielte eine zentrale Rolle im Widerstand gegen die russische Invasion und erlangte international Anerkennung für seinen Führungsstil in dieser schwierigen Zeit.
Was ist das russische Verteidigungsministerium?
Das russische Verteidigungsministerium ist die zentrale Behörde für die militärischen Belange Russlands. Es untersteht direkt dem Präsidenten der Russischen Föderation, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Das Ministerium koordiniert die strategische Ausrichtung, die militärische Planung und die Operationen der russischen Streitkräfte. In den letzten Jahren, insbesondere seit Beginn des Ukraine-Kriegs, hat das Verteidigungsministerium international Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sowohl aufgrund seiner militärischen Aktivitäten als auch aufgrund der damit verbundenen politischen Spannungen.
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