Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Grundsatzurteil die Bedeutung der Integration von Flüchtlingen betont. Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen ihnen Integrationskurse vorschreiben, solange dies verhältnismäßig bleibt. Dies entschied die Große Kammer des obersten EU-Gerichts in Luxemburg im Fall eines jungen Eritreers, der gegen die niederländischen Regelungen geklagt hatte.
Der Mann war als 17-Jähriger in die Niederlande eingereist und erhielt dort internationalen Schutz. Mit Erreichen der Volljährigkeit verpflichteten ihn die Behörden zur Teilnahme an Integrationskursen, die er innerhalb von drei Jahren erfolgreich abschließen sollte. Da er eine Ausbildung absolvierte, wurde ihm ein zusätzliches Jahr eingeräumt. Dennoch nahm er nicht an allen Kursen teil und bestand die Prüfungen nicht. Die Folge: eine Geldstrafe von 500 Euro und die Rückforderung von 10.000 Euro für das Integrationsdarlehen.
Der EuGH bestätigte nun, dass Sprachkenntnisse und Grundwissen über das Gastland für die Integration essenziell seien, insbesondere für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Berufsausbildung. Die Mitgliedsstaaten haben laut Urteil einen "gewissen Wertungsspielraum", was auch verbindliche Integrationskurse einschließt. Allerdings sind Flüchtlinge mit internationalem Schutz "besonders schutzwürdig". Deshalb müssen Programme individuelle Umstände wie Alter, Bildung, finanzielle Situation und Gesundheit berücksichtigen.
Prüfungen dürfen nur Grundkenntnisse verlangen und Ausnahmen sind möglich, wenn eine Person bereits "tatsächlich integriert" ist. Strafen dürfen nicht automatisch verhängt werden, sondern nur, wenn jemand "nachweislich und fortdauernd nicht bereit ist, sich zu integrieren". Hohe Geldbußen und die Rückforderung von Kurskosten sind demnach unzulässig, da sie eine "unangemessene finanzielle Belastung" darstellen und die Integration erschweren könnten.
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OZD-Kommentar:
Integration mit Druck? Die Balance zwischen Verpflichtung und Schutz
Das EuGH-Urteil zeigt einmal mehr die Gratwanderung zwischen Integrationsverpflichtung und Schutzbedürfnis von Flüchtlingen. Während Sprachkenntnisse und gesellschaftliches Grundwissen unbestreitbar für eine gelungene Eingliederung notwendig sind, bleibt die Frage, wie verbindlich solche Kurse sein dürfen. Ein zu harter finanzieller Druck kann kontraproduktiv wirken und die soziale Teilhabe eher erschweren als fördern.
Insbesondere die Unterscheidung zwischen mangelnder Bereitschaft und realen Schwierigkeiten ist heikel. Was passiert, wenn ein Flüchtling Prüfungen mehrfach nicht besteht? Wird dann von Unwillen oder von mangelnden Fähigkeiten ausgegangen? Die Mitgliedsstaaten müssen nun ihre Regelungen überprüfen, um sicherzustellen, dass sie mit den neuen Vorgaben des EuGH konform gehen. Es bleibt abzuwarten, wie einzelne Länder auf dieses Urteil reagieren und ob es in weiteren Fällen zu neuen juristischen Auseinandersetzungen kommt.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist der Europäische Gerichtshof (EuGH)?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union. Er wurde 1952 gegründet und hat seinen Sitz in Luxemburg. Der EuGH stellt sicher, dass das EU-Recht einheitlich ausgelegt und angewendet wird. Zudem entscheidet er über Rechtsstreitigkeiten zwischen EU-Institutionen, Mitgliedsstaaten, Unternehmen und Einzelpersonen. Das Gericht besteht aus einem Richter pro Mitgliedsstaat und elf Generalanwälten, die die Entscheidungsfindung unterstützen.
Was ist internationaler Schutz?
Internationaler Schutz wird Flüchtlingen gewährt, die in ihrem Herkunftsland verfolgt werden und nicht zurückkehren können. Dies umfasst sowohl den Status als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention als auch subsidiären Schutz für Personen, denen bei einer Rückkehr schwere Gefahren drohen. Die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, international Schutzberechtigten Rechte und Unterstützung zu gewähren, darunter Aufenthaltserlaubnisse, Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialleistungen.
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