Laut Litauens staatlichem Netzbetreiber Litgrid begann der Prozess in den frühen Morgenstunden mit der Abschaltung der Stromverbindungen zu Russland und Belarus. Wenig später folgten auch Lettland und Estland. Die drei Staaten werden am Sonntag über Polen ans europäische Stromnetz angeschlossen, operieren bis dahin jedoch für 24 Stunden im sogenannten „isolierten Modus“.
Die Umstellung war mit enormen Investitionen verbunden: 1,6 Milliarden Euro flossen in die Synchronisation der baltischen Stromnetze mit Europa. Auch Polen spielt eine Schlüsselrolle: Der polnische Netzbetreiber PSE kündigte an, die Verbindung mit Litauen mit Hubschraubern und Drohnen zu überwachen.
Der Prozess war längst überfällig – doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine machte die Abkopplung dringlicher denn je. Bereits kurz nach Kriegsbeginn hatten Litauen, Lettland und Estland den Import von russischem Strom und Gas gestoppt. Dennoch blieben ihre Netze mit Russland und Belarus verbunden – eine Abhängigkeit, die Moskau jederzeit hätte nutzen können.
„Dieser Schritt schützt uns vor der Möglichkeit, dass Russland das Stromsystem als geopolitische Waffe nutzt“, erklärte Litauens Energieminister Zygimantas Vaiciunas.
Die Abkopplung von Russland soll in allen drei Ländern feierlich begangen werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird am Sonntag in Vilnius an einer Zeremonie teilnehmen. Auch EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach von einem „Sieg für die Demokratie“.
Der Kreml hingegen gibt sich unbeeindruckt. Sprecher Dmitri Peskow versicherte bereits vergangene Woche, Russland habe „alle Maßnahmen ergriffen, um den zuverlässigen und unterbrechungsfreien Betrieb“ seines eigenen Energiesystems zu gewährleisten.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Baltische Staaten setzen Zeichen – und Moskau kann nichts dagegen tun
Das Baltikum macht endgültig Schluss mit russischer Kontrolle – zumindest beim Strom. Der Schritt ist ein historisches Signal und zeigt: Die ehemaligen Sowjetrepubliken sind längst nicht mehr an Moskau gebunden.
Die Abkopplung vom russischen Stromnetz ist mehr als nur ein technischer Vorgang. Es ist eine klare Ansage: Wir lassen uns nicht mehr erpressen. Denn die Drohung, Energienetze als politische Waffe zu nutzen, hat Russland in der Vergangenheit mehr als einmal wahr werden lassen.
Dass Moskau diesen Bruch nun herunterspielt, ist eine Farce. Fakt ist: Der Kreml verliert eine weitere Einflussmöglichkeit in seiner Nachbarschaft – und das ganz ohne eigenes Zutun.
OZD-Prognose:
Der
Schritt wird langfristige Folgen haben. Die baltischen Staaten werden
wirtschaftlich und politisch noch enger in die EU-Strukturen
eingebunden. Moskau hingegen verliert weiter an Einfluss in der Region –
eine Entwicklung, die Putin nicht gefallen dürfte. Es dürften wohl Sabotageakte folgen.
OZD-Erklärungen
Was bedeutet die Abkopplung vom russischen Stromnetz?
Die baltischen Staaten waren seit Sowjetzeiten ins russische Stromnetz integriert. Das bedeutete, dass Moskau über die Stromversorgung in Litauen, Lettland und Estland zumindest teilweise Kontrolle hatte. Mit der Abkopplung endet diese Abhängigkeit, stattdessen werden die Länder nun vollständig in das europäische Stromnetz integriert.
Warum ist die Abkopplung so bedeutend?
Energie ist in der Vergangenheit immer wieder als politisches Druckmittel eingesetzt worden – insbesondere von Russland. Mit der Trennung vom russischen Netz befreien sich die baltischen Staaten von einer möglichen Erpressung und stärken ihre Energieunabhängigkeit. Gleichzeitig ist die Integration in das europäische Netz ein weiterer Schritt der Annäherung an den Westen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP