Das „OsteoZentrum Schliersee“ ist seit zwei Jahrzehnten als Therapiezentrum für Spitzensportler aus Deutschland, Europa und den USA bekannt. Als Gründer behandelt Martin Auracher mit dem Therapieteam die Patienten mit Schwerpunkt Osteopathie. Nicht zuletzt durch die Teilnahme als Osteopath bei verschiedenen Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ist das Mitglied des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V., überregional bekannt. Auch Altstars wie Marcel Hirscher, Bastian Schweinsteiger oder Felix Neureuther wurden und werden hier behandelt.
VOD: Was hat sich im Leistungssport in den letzten Jahren, bezüglich den therapeutischen Anforderungen verändert?
Martin Auracher: Die Leistungssportler bleiben länger im Spitzensport. Das heißt, dass wir zunehmend Athleten um die 40 Jahre (z.B. Manuel Neuer, Thomas Müller, Christof Innerhofer, uvm.) sehen. Um diese Sportler auf diesem Niveau ihre Tätigkeit zu ermöglichen sehen wir uns in der Therapie neuen Herausforderungen ausgesetzt.
Gerade im Skisport finden in dieser Saison einige Comebacks statt. Z.B. sind Lindsey Vonn (40) und Marcel Hirscher (35), nach 5 Jahren Pause, wieder in den Weltcup zurückgekehrt.
VOD: Inwiefern ändert das die osteopathische Behandlung?
Martin Auracher: Bei den meisten Athleten steigt mit der Dauer des
Hochleistungssportes auch die Anzahl an durchgemachten Verletzungen. Das
heißt, dass degenerative Auswirkungen wie Arthrosen, chronische
Funktionsstörungen sowie auch reduzierte mentale Belastbarkeit eine Rolle
spielen. Als Osteopath sollte man noch genauer auf ein ganzheitliches
Zusammenspiel aller Körperfunktionen achten. Eine besondere Rolle spielt
aus meiner Erfahrung das Zentrale Nervensystem als
oberste Steuerungsinstanz.
VOD: Osteopathie und Leistungssport – was macht diese Kombination
so erfolgreich?
Martin Auracher: Es ist nicht mehr ausreichend die Sportler nur mit
dem Aspekt „Bewegungsapparat“ zu therapieren. Funktionssysteme wie Innere
Organe, Durchblutung, Lymphsystem, Atmung, Hormonelles System und vor
allem das Zentrale Nervensystem müssen untersucht und ggf. behandelt
werden. Sportliche Leistungsfähigkeit entsteht aus einer Kohärenz dieser
verschiedenen Funktionssysteme.
VOD: Sie und Ihre Kollegen behandeln vorrangig Profis aus
dem Bereich des Wintersports: Ski-Rennläufer, Biathleten und Rennrodler. Wie
genau können Sie hier mit Osteopathie helfen?
Martin Auracher: Bei den von ihnen genannten Sportlern behandelt
man meist akute oder/und chronische Verletzungen. Durch die häufigen
Stürze oder Überbelastungen entstehen viele Kontusionen und Distorsionen
an den Gelenken und der Wirbelsäule. Dabei kommt ein hoher Impact auf den
ganzen Körper, nicht nur auf die primär verletzte Stelle. Deshalb nimmt die
Therapie des gesamten faszialen Systems einen wichtigen Part in der
Therapie ein. Häufig allerdings mussten wir feststellen, dass trotz qualifizierter
osteopathischer Behandlung die Sportler ihre Leistungsfähigkeit nur langsam
wiederherstellen konnten. Seit wir das Zentrale Nervensystem mit in unsere
osteopathische Therapie einbezogen haben, war eine schnellere Verbesserung des
Muskelaufbaus, der Bewegungskoordination und der mentalen Aufmerksamkeit
feststellbar.
VOD: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Martin Auracher: Bei akuten Verletzungen kommt es neben den
Auswirkungen am Bewegungsapparat auch zu Veränderungen im Bereich des
Craniums. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass nicht nur
nach Schädelkontusionen, sondern auch z.B. nach Knieverletzungen Veränderungen
der Durchblutung des Schädels und des Gehirns stattfinden. Deshalb haben
wir die Behandlung der intrakraniellen Faszien, der arteriellen und
venösen zu- und abführenden Gefäße und der Schädelsuturen viel stärker berücksichtigt.
VOD: Sie sind seit fast 40 Jahren in der Betreuung von
Leistungssportlern tätig, seit 1988 auch bei Olympia vor Ort. Wie
unterscheidet sich die osteopathische Untersuchung und Behandlung
während der Wettkämpfe von der zu Hause in der Praxis im OsteoZentrum
Schliersee?
Martin Auracher: Die Philosophie und die osteopathischen
Behandlungsgrundsätze sind die gleichen. Allerdings ist der Zeit- und
Erfolgsdruck im Hochleistungssport enorm. Das bedeutet, dass bei
den Wettkämpfen vor Ort die Behandlung der Sportler auf die optimale
Vorbereitung des Wettkampfes abzielt. Dabei sind die Voraussetzungen oft
nicht adäquat, da die Behandlungsmöglichkeiten nicht optimal sind. D.h.
man muss teilweise im Hotelzimmer behandeln, und die Athleten sind
zwischen Presseterminen, Training und Wettkampf im Zeitstress, usw. Ein
großer Vorteil der Behandlung im OsteoZentrum Schliersee ist, dass ich auf ein
Team aus Osteopathen und speziell in neurofunktionellem Training ausgebildeten
Kollegen zurückgreifen kann.
VOD: Glauben Sie, dass Osteopathie im Leistungssport künftig noch
mehr Gewicht erhält?
Martin Auracher: Ja, da bin ich mir sicher. Unsere Medizin wird
immer leistungsfähiger und spezifischer. Gerade deswegen ist die Aufgabe
des Osteopathen die Funktionssysteme eines Patienten zu untersuchen und zu
behandeln. Das funktionierende Zusammenspiel von Bewegungsapparat, biochemischen
Aspekten (Organe) und zentralem Nervensystem führen letztendlich zu
hoher Leistungsfähigkeit. Diese Anforderung kann die Osteopathie abdecken
und ist im Zeitalter einer hohen medizinischen Spezifizierung wichtiger
denn je.
VOD: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Verband der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V.
Foto: Verband der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V.
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