US-Vizepräsident JD Vance hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz mehreren europäischen Staaten vorgeworfen, die Meinungsfreiheit zunehmend einzuschränken. "In Großbritannien und in ganz Europa ist die Meinungsfreiheit, so fürchte ich, auf dem Rückzug", sagte Vance am Freitag in seiner Rede zur geopolitischen Rolle der USA.
Vance betonte, dass unter Präsident Donald Trump die Vereinigten Staaten "die Meinungsfreiheit verteidigen" würden, selbst wenn sie mit bestimmten Meinungen nicht übereinstimmten. "In Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt. Und unter der Führung von Donald Trump werden wir vielleicht nicht Ihrer Meinung sein, aber wir werden dafür kämpfen, Ihr Recht zu verteidigen, diese Meinungen öffentlich zu äußern", so Vance.
Als Beispiel für angebliche Einschränkungen führte Vance das Urteil eines schwedischen Gerichts an, das Anfang Februar einen Exil-Iraker wegen der Verbrennung des Korans verurteilt hatte. Ebenso kritisierte er die Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien im November, die wegen mutmaßlicher russischer Einflussnahme aufgehoben wurde.
"Sie können glauben, dass es falsch ist, wenn Russland Social-Media-Werbung kauft, um Ihre Wahlen zu beeinflussen. Wir sind ganz sicher dieser Meinung", sagte Vance. "Aber wenn Ihre Demokratie mit ein paar hunderttausend Dollar digitaler Werbung aus einem anderen Land zerstört werden kann, war sie ohnehin nicht sehr stark."
Der US-Vizepräsident forderte die europäischen Regierungen auf, populistische Parteien nicht zu isolieren. "Wenn politische Führer einen wichtigen Teil der Wählerschaft vertreten, ist es unsere Pflicht, zumindest am Dialog mit ihnen teilzunehmen", so Vance.
Er zeigte sich zuversichtlich, dass europäische Demokratien "wesentlich weniger anfällig" seien, als es oft dargestellt werde. "Es stärkt Demokratien, wenn Bürgern erlaubt wird, ihre Meinung auszudrücken", sagte er abschließend. OZD / ©AFP
OZD-Kommentar
JD Vance positioniert die USA unter Trump als vermeintlichen Verteidiger der Meinungsfreiheit gegenüber einer angeblich repressiven Politik in Europa. Dabei fällt auf, dass er gezielt zwei Beispiele wählt, die politisch polarisieren: die Koranverbrennung in Schweden und die Wahlannullierung in Rumänien. Beide Fälle haben spezifische rechtliche und sicherheitspolitische Hintergründe, die Vance bewusst außer Acht lässt.
Seine Forderung nach mehr Offenheit gegenüber populistischen Parteien ist nicht neu, deckt sich aber mit Trumps genereller Strategie, diese Parteien als natürliche Verbündete zu sehen. Dabei ignoriert er die historischen und politischen Unterschiede europäischer Staaten im Umgang mit extremistischen und demokratiefeindlichen Strömungen.
Prognose: Die USA unter Trump werden weiterhin europäische Demokratien kritisieren, wenn sie populistische Parteien ausgrenzen. Gleichzeitig wird Washington selbst kein Problem darin sehen, unliebsame Kritiker im eigenen Land unter Druck zu setzen. Die Münchner Sicherheitskonferenz zeigt erneut, dass die transatlantischen Beziehungen von grundsätzlichen Differenzen geprägt sind.
OZD-Analyse
Zahlen, Daten, Fakten
Schweden-Urteil: Ein schwedisches Gericht verurteilte den Exil-Iraker wegen "Hetze gegen eine ethnische Gruppe" und verwies auf nationale Sicherheitsinteressen. Meinungsfreiheit ist in Schweden grundsätzlich stark geschützt, aber nicht uneingeschränkt.
Wahlannullierung Rumäniens: Die Präsidentschaftswahl 2023 wurde wegen Verdachts auf massive russische Einflussnahme annulliert. Belege für Fake-News-Kampagnen und Cyberangriffe wurden von NATO-Geheimdiensten bestätigt.
Meinungsfreiheit in Europa: Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" stuft die Pressefreiheit in den meisten EU-Staaten als "gut" oder "zufriedenstellend" ein. In den USA rutschte die Bewertung 2023 auf Platz 45 ab.
Populistische Parteien: In Europa regieren oder regierten rechte Parteien in Italien, Ungarn, Polen und Schweden. Die Behauptung, sie würden systematisch ausgeschlossen, ist nicht belegbar.
US-Wahlbeeinflussung: Seit 2016 gibt es anhaltende Untersuchungen zu russischer Einflussnahme auf US-Wahlen durch Social-Media-Kampagnen, was die US-Regierung selbst als sicherheitsrelevante Bedrohung einstuft.
OZD-Erklärungen
Was ist die Münchner Sicherheitskonferenz?
Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ist eines der bedeutendsten internationalen Foren für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie findet seit 1963 jährlich statt und bringt politische Entscheidungsträger, Experten und Vertreter der Wirtschaft zusammen, um über geopolitische Herausforderungen zu diskutieren.
Wer ist JD Vance?
James David "JD" Vance ist seit Januar 2025 Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Der frühere Senator aus Ohio erlangte Bekanntheit als Autor des Buches "Hillbilly Elegy" und wurde als Trump-Verbündeter einflussreich in der Republikanischen Partei.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.