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Scholz für Ausnahme im EU-Stabilitätspakt für Verteidigungsausgaben

Von der Leyen und Scholz wollen höhere Militärausgaben ermöglichen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für eine Anpassung des Stabilitätspakts der EU zugunsten höherer Verteidigungsausgaben ausgesprochen. Er schlage eine entsprechende Ausnahme „für alle Investitionen in Verteidigungsgüter“ vor, „die oberhalb unseres bisherigen Nato-Ziels von zwei Prozent liegen“, sagte Scholz am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Deutschland sei zu dieser Änderung bereit, Frieden und Sicherheit in Europa stünden auf dem Spiel, betonte Scholz: „Und deshalb muss dies die Stunde Europas sein.“ Die Stärkung europäischer Fähigkeiten müsse „in einem klar definierten Zeitrahmen stattfinden“.

In seiner auf Deutsch gehaltenen Rede sagte Scholz, diese Ausnahme solle „zeitlich befristet und unter Wahrung der fiskalischen Solidität aller Mitgliedstaaten“ sein. In einer direkt anschließenden Diskussion auf Englisch erklärte er jedoch, die Anpassung des EU-Stabilitätspakts solle „auf lange Zeit angelegt und möglicherweise dauerhaft“ sein.

Am Freitag hatte sich auf der MSC bereits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Lockerung der europäischen Schuldenregeln zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben ausgesprochen. Sie werde dafür erstmals seit der Corona-Pandemie die Nutzung einer Sonderregel im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorschlagen, um den EU-Staaten zu ermöglichen, ihre Verteidigungsausgaben „deutlich“ zu erhöhen.

Die EU hatte die sogenannte Ausweichklausel während der Corona-Pandemie genutzt und die Schuldenregeln damit ab 2020 bis Ende 2023 auf Eis gelegt. Dadurch konnten die Mitgliedsstaaten Milliardeninvestitionen tätigen, um ihre Wirtschaft zu stützen. Der Stabilitätspakt erlaubt den Ländern ein Defizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent.

Scholz wiederholte zudem die Forderung, auch in Deutschland eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu nutzen. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sehe Ausnahmen für Notlagen vor, argumentierte der Kanzler: „Ein Krieg mitten in Europa ist eine Notlage. Was denn auch sonst?“ Es sei „völlig unzweifelhaft, dass unsere Verteidigungsausgaben weiter deutlich aufwachsen müssen“. Dies sei nicht nur wichtig, „damit Europa für die USA ein Verbündeter auf Augenhöhe wird und bleibt. Sondern damit wir Europäer weiter in Frieden leben können.“

Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl sagte Scholz, nach der Wahl werde es für eine Ausnahme von der Schuldenbremse eine Mehrheit im Deutschen Bundestag geben, „auch wenn manche dieser Frage vor der Wahl lieber ausweichen wollen“ – ein Seitenhieb auf Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU).

OZD / AFP



OZD-Kommentar

Scholz setzt auf eine finanzielle Aufweichung der EU-Regeln, um Europas Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben? Während er von einer befristeten Ausnahmeregelung spricht, deutet seine englische Version der Rede bereits an, dass diese „möglicherweise dauerhaft“ sein könnte. Die EU steht also vor einer Grundsatzentscheidung: Soll der Stabilitätspakt zugunsten von Verteidigungsausgaben gelockert werden?

Auch in Deutschland bleibt die Debatte um die Schuldenbremse brisant. Der Kanzler setzt auf eine Ausnahme wegen „Notlage“, doch ob er eine politische Mehrheit dafür findet, bleibt abzuwarten – vor allem mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl.

Prognose: Sollte die EU tatsächlich eine dauerhafte Ausnahme für Militärausgaben schaffen, dürfte das langfristige finanzpolitische Folgen haben. Deutschland könnte mit höheren Schulden und einem ausufernden Verteidigungshaushalt konfrontiert werden. Die Frage bleibt: Ist Europa bereit, den Preis für mehr Sicherheit zu zahlen?


OZD-Analyse in Zahlen, Daten, Fakten

EU-Stabilitätspakt:

Defizitgrenze: Maximal 3 % des BIP

Verschuldungsgrenze: Maximal 60 % des BIP2020–2023 wegen Corona-Krise ausgesetzt

Scholz’ Vorschlag:

Ausnahme für Verteidigungsausgaben über 2 % des BIP

Zeitliche Befristung unklar – erst „befristet“, dann „möglicherweise dauerhaft“

Verteidigungsausgaben Deutschland:

2023: ca. 72 Mrd. Euro (2 % des BIP)Ziel: Deutliche Steigerung in den kommenden Jahren

Von der Leyens Plan:

Nutzung der „Ausweichklausel“ für höhere Rüstungsausgaben 

Ähnlich wie Corona-Sonderregelung

Finanzielle Risiken:

Deutschland müsste deutlich mehr Schulden aufnehmenWiderspruch zu den bisherigen Haushaltsplänen

Welche Länder könnten sich querstellen?

Während Frankreich und Polen den Vorschlag vermutlich unterstützen, könnte es Widerstand aus den wirtschaftlich konservativen EU-Staaten wie den Niederlanden, Schweden oder Finnland geben.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.