Nach dem diplomatischen Paukenschlag von US-Präsident Donald Trump ist Europa in Alarmbereitschaft. Der französische Präsident Emmanuel Macron lud am Montag führende europäische Regierungschefs nach Paris, um über den künftigen Umgang mit der Ukraine-Krise zu beraten. Mit am Tisch: Bundeskanzler Olaf Scholz, der britische Premierminister Keir Starmer, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, Polens Ministerpräsident Donald Tusk, NATO-Generalsekretär Mark Rutte sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Der Grund für das kurzfristig einberufene Treffen war ein anderthalbstündiges Telefonat zwischen Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche. Der US-Präsident verkündete anschließend, er habe mit dem Kreml-Chef den „unverzüglichen Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine“ vereinbart – ohne vorherige Konsultation mit den europäischen Partnern. Die Befürchtung der EU: Trump könnte einen Deal mit Russland aushandeln, der die Ukraine sowie die europäischen Sicherheitsinteressen gefährdet.
Noch vor den Beratungen telefonierte Macron mit Trump, um die US-Position besser einzuordnen. Details des Gesprächs wurden nicht veröffentlicht. Von der Leyen machte bei ihrer Ankunft in Paris jedoch deutlich, dass Europa nicht nur reagieren, sondern selbst die Sicherheitsarchitektur des Kontinents gestalten müsse.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte in einem internen Papier eine massive Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine. Ihr Vorschlag: 1,5 Millionen Schuss Munition, weitere Luftabwehrsysteme, Raketen, Drohnen und Investitionen in die ukrainische Rüstungsindustrie – so schnell wie möglich.
Unterdessen rief Großbritanniens Premier Starmer zur Geschlossenheit auf und erklärte sich sogar bereit, britische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, falls dies zur Sicherung des Landes erforderlich sei. Der Labour-Politiker plant zudem ein Treffen mit Trump in Washington, um die transatlantische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zu vertiefen.
Ob sich die europäischen Regierungschefs auf eine gemeinsame Strategie einigen können, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Das Treffen in Paris markiert einen entscheidenden Moment für Europas Eigenständigkeit in Verteidigungsfragen.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Europa unter Zugzwang: Ohne Strategie droht Einflussverlust
Die europäische Politik steht vor einer entscheidenden Frage: Wie sehr kann und soll sie sich auf Donald Trump verlassen? Nach der eigenmächtigen Ankündigung des US-Präsidenten, direkte Verhandlungen mit Wladimir Putin aufzunehmen, schrillen in europäischen Hauptstädten die Alarmglocken.
Die Situation offenbart eine bittere Realität: Europa hat seine eigene Sicherheitsstrategie über Jahre vernachlässigt und sich auf die Schutzmacht USA verlassen. Trump macht nun deutlich, dass er eine transatlantische Partnerschaft nach eigenem Ermessen definiert – und dabei nicht zwingend die Interessen der Europäer im Blick hat.
Die Forderung der EU-Außenbeauftragten Kallas nach massiver Aufstockung der Militärhilfen für die Ukraine ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Die EU braucht dringend eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsstrategie, die unabhängig von Washington funktioniert.
Sollten sich die Europäer in Paris auf eine klare Linie einigen, könnte das ein Wendepunkt sein. Falls jedoch Uneinigkeit dominiert, wird Trump weiter die Richtung bestimmen – zum möglichen Nachteil Europas. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Europa aufwacht oder weiterhin nur reagiert.
Analyse: Zahlen, Daten, Fakten
Teilnehmer des Paris-Gipfels:
Emmanuel Macron (Frankreich), Olaf Scholz (Deutschland), Keir Starmer (Großbritannien), Giorgia Meloni (Italien), Donald Tusk (Polen), Ursula von der Leyen (EU-Kommissionspräsidentin), Mark Rutte (NATO-Generalsekretär)
Kernpunkte der Gespräche:
Reaktion auf Trumps Ukraine-Strategie
Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine
Stärkung europäischer Sicherheitsstrukturen
Trump-Putin-Telefonat (7. Februar 2025):
Dauer: 1,5 Stunden,
Angekündigte „sofortige“ Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine,
Keine vorherige Abstimmung mit EU-Verbündeten
Militärische Unterstützung für die Ukraine (Stand 2025):
EU-Militärhilfe seit Kriegsbeginn: 80 Milliarden Euro
US-Hilfen: 120 Milliarden Dollar (aber rückläufig unter Trump)
Forderungen von Kaja Kallas:1,5 Millionen Schuss Munition, Neue Luftabwehrsysteme, Drohnen und Raketen
Wer ist Donald Tusk?
Donald Tusk ist seit 2023 polnischer Ministerpräsident und war zuvor Präsident des Europäischen Rates (2014–2019). Er gilt als entschiedener Gegner Russlands und als Befürworter eines starken Europas. In der Ukraine-Krise setzt er sich für eine aktive militärische Unterstützung Kiews ein und fordert eine unabhängigere europäische Verteidigungspolitik.
Was ist die NATO?
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein militärisches Bündnis aus 31 Mitgliedstaaten, das 1949 gegründet wurde. Es dient der kollektiven Verteidigung und hat durch den Ukraine-Krieg wieder an Bedeutung gewonnen. Besonders umstritten ist derzeit die Rolle der USA unter Donald Trump, der wiederholt Zweifel an der Beistandspflicht geäußert hat.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP