Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine klare Absage an Überlegungen erteilt, europäische Soldaten zur Absicherung eines möglichen Friedens in die Ukraine zu entsenden. Nach einem Treffen europäischer Spitzenpolitiker in Paris bezeichnete er eine solche Debatte als "höchst unangemessen" und betonte, dass Russlands Angriffskrieg weiter unvermindert andauere.
"Niemand weiß, wie ein möglicher Frieden aussehen wird", erklärte Scholz am Montag nach den Beratungen mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien, Italien, Polen sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Eine vorschnelle Diskussion über Truppenentsendungen sei deshalb verfehlt.
Hintergrund des Treffens sind jüngste diplomatische Entwicklungen. US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche ein anderthalbstündiges Gespräch mit Kreml-Chef Wladimir Putin geführt, ohne die europäischen Partner einzubeziehen. Im Anschluss verkündete Trump, es sei ein "unverzüglicher" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart worden.
Diese Ankündigung sorgte bei westlichen Verbündeten für Besorgnis, da sowohl die Ukraine als auch die europäischen Staaten offenbar nicht direkt in die Gespräche einbezogen werden sollen. Trumps Ukraine-Sondergesandter Keith Kellogg erklärte, dass die Europäer nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, aber einen "Beitrag" leisten könnten.
Scholz warnte zudem vor einer Spaltung der Nato: "Es darf keine Aufteilung der Sicherheit und der Verantwortlichkeit zwischen Europa und den USA geben." Die transatlantische Allianz müsse geschlossen handeln, betonte der Kanzler.
Das Treffen in Paris war auf Einladung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zustande gekommen, der nach den jüngsten US-Äußerungen eine geschlossene europäische Strategie forderte. Während Scholz sich gegen voreilige militärische Überlegungen stellte, bleibt unklar, welche Rolle Europa in den von den USA und Russland geplanten Verhandlungen spielen wird.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Die Diskussion um eine Truppenentsendung in die Ukraine zeigt, wie unvorbereitet Europa auf den plötzlichen Vorstoß der USA reagiert. Während Trump ohne Absprache mit den europäischen Partnern direkte Gespräche mit Russland ankündigt, bleibt für die EU-Staaten nur die Rolle des Zaungastes.
Scholz‘ Kritik an einer voreiligen Debatte über europäische Truppen in der Ukraine ist formal korrekt – schließlich steht ein Waffenstillstand oder gar ein Friedensabkommen noch in weiter Ferne. Doch seine Wortwahl verrät auch eine zögerliche Haltung, die Europas Rolle in der Ukraine-Frage weiter schwächt.
Statt eine klare Strategie zu formulieren, bleibt Europa reaktiv, während die USA Fakten schaffen. Macron zeigt zumindest den Willen zur Führung, Scholz hingegen wirkt, als wolle er jegliche riskanten Entscheidungen vermeiden.
Sollte Europa keine geschlossene Strategie entwickeln, wird die Ukraine-Regelung in Washington und Moskau entschieden – ohne europäisches Mitspracherecht. Scholz‘ bremsende Haltung könnte sich als schwerwiegender strategischer Fehler erweisen.
Analyse: Zahlen, Daten, Fakten
Europäisches Krisentreffen in Paris:
Teilnehmer: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Nato, EU-Kommission
Hauptthemen: Sicherheitsstrategie, mögliche Friedensverhandlungen, transatlantische Zusammenarbeit
Hintergrund: Trump-Putin-Gespräch über Ukraine ohne europäische Beteiligung
Trumps Ukraine-Initiative:
Telefonat mit Putin am 14. Februar
Verhandlungen "unverzüglich" starten
Keine direkte Beteiligung Europas vorgesehen
Nato-Verhältnis Europa-USA:
Nato-Truppen in Europa: ca. 100.000 US-Soldaten
Anteil Europas an Nato-Verteidigungsausgaben: ca. 25 %
Biden vs. Trump-Position: Während Biden verstärkten Nato-Beistand betonte, deutet Trump eine mögliche Reduzierung des US-Engagements an
Deutschland und militärische Einsätze:
Bundeswehr-Engagement in Auslandseinsätzen seit 1995
Einsätze aktuell u. a.: Baltikum, Kosovo, Irak, Mali (Rückzug geplant)
Grundgesetzliche Einschränkungen für Truppeneinsätze ohne UN/Nato-Mandat
OZD-Erklärungen
Wer ist Olaf Scholz?
Olaf Scholz (*1958) ist seit Dezember 2021 Bundeskanzler Deutschlands. Der Sozialdemokrat war zuvor Vizekanzler und Finanzminister in der Großen Koalition unter Angela Merkel. Seine Karriere begann in Hamburg, wo er als Erster Bürgermeister (2011–2018) amtierte. Scholz steht für eine gemäßigte, pragmatische Politik, wurde jedoch in Krisenzeiten oft als zögerlich und unentschlossen wahrgenommen. In der Ukraine-Politik setzt er auf Diplomatie und militärische Zurückhaltung, wird dafür aber sowohl international als auch innerhalb Deutschlands kritisiert.
Was ist die Nato?
Die Nato (North Atlantic Treaty Organization) ist ein militärisches Bündnis von 31 Staaten, das 1949 gegründet wurde. Sie basiert auf dem Prinzip der kollektiven Verteidigung (Artikel 5), das besagt, dass ein Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle gewertet wird. Die Nato spielt eine zentrale Rolle in der europäischen Sicherheitspolitik, wobei die USA historisch den größten Teil der militärischen Kapazitäten stellen.
Bitte empfehlen Sie uns weiter!
Hier ist dafür der QR-Code der Online-Zeitung-Deutschland