Die Besetzung des Finanzministeriums mit Lindner sei ein „Kardinalfehler“ gewesen, sagte Habeck im „Spiegel“-Gespräch – und sieht die FDP selbst für ihr mögliches Aus verantwortlich.
Kurz vor der Bundestagswahl hat Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck eine scharfe Abrechnung mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner geliefert. Die Entscheidung, das Finanzministerium mit Lindner zu besetzen, sei „der Kardinalfehler“ der Ampel-Regierung gewesen, sagte Habeck im „Spitzenkandidatengespräch“ des „Spiegel“.
„Der Finanzminister muss ein ehrlicher Makler für alle sein und allen das Gefühl geben, sie werden gut und fair behandelt“, betonte Habeck. Stattdessen habe Lindner das Ministerium so geführt, „dass vor allem seine Partei gut dabei aussieht“. Dies habe innerhalb der Koalition zu tiefem Misstrauen geführt.
Die Ampel-Regierung habe von Beginn an unter mangelnder Einigkeit gelitten, erklärte der Grünen-Politiker weiter. „Absprachen wurden schon sehr früh nicht eingehalten. Das ist gelebte Regierungsunfähigkeit.“ Besonders deutlich zeigte Habeck seine Abneigung gegenüber der FDP, die in Umfragen derzeit an der Fünf-Prozent-Hürde wackelt. Sollte Lindners Partei aus dem Bundestag fliegen, sei dies „hart selbst erarbeitet“.
Habeck und Lindner gelten seit der Regierungsbildung als erbitterte politische Gegenspieler. Habeck hatte bereits im vergangenen Sommer angekündigt, dass Lindner unter einer grünen Kanzlerschaft nicht mehr Finanzminister sein werde. Lindner wiederum erklärte die Bundestagswahl kürzlich zur Entscheidung zwischen ihm und Habeck. „Die entscheidende Frage ist: Lindner oder Habeck im Kabinett?“
Die Attacken des Grünen-Politikers kommen in einer entscheidenden Phase des Wahlkampfs. Während die Union in Umfragen führt, kämpfen SPD und Grüne um den zweiten Platz. Die FDP steht mit rund 5 Prozent auf der Kippe.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Ampel-Abrechnung: Habecks späte Einsicht oder kalkulierte Strategie?
Mitten im Wahlkampf zieht Robert Habeck Bilanz – und zwar gnadenlos. Christian Lindner sei der Hauptverantwortliche für das Chaos in der Ampel-Koalition, so die Kernthese des Grünen-Kandidaten. Doch ist diese Erkenntnis nicht reichlich spät?
Die Ampel war von Anfang an ein Zweckbündnis, das von ideologischen Gegensätzen geprägt war. Dass der Finanzminister einer liberal-konservativen Partei nicht die Agenda eines grünen Wirtschaftsministers unterstützt, war absehbar. Wer Habecks Worte hört, könnte meinen, dass er über diese Differenzen erst jetzt erstaunt ist.
Dabei steckt hinter der späten Ampel-Abrechnung vor allem Strategie. Habeck nutzt die Schwäche der FDP, um potenzielle Wechselwähler zu den Grünen zu ziehen. Wenn die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, würden ihre Stimmen nicht im Bundestag landen – und das wäre ein Vorteil für SPD und Grüne.
Prognose:
Sollte die FDP tatsächlich aus dem Parlament fliegen, wäre dies eine Zäsur für die politische Landschaft. Die Ampel-Koalition wäre historisch gescheitert, und eine Regierung ohne bürgerlich-liberale Kraft würde eine stärkere Polarisierung der politischen Lager bedeuten. Habeck setzt darauf, sich als Alternative zu positionieren – ob ihm das gelingt, wird sich am Wahltag zeigen.
Analyse: Zahlen, Daten, Fakten
FDP in der Krise:
Aktuelle Umfragen: FDP schwankt zwischen 4,5 und 5,5 Prozent
Bei einem Unterschreiten von fünf Prozent droht der Ausstieg aus dem Bundestag
Letztes Wahlergebnis (2021): 11,5 Prozent
Streit in der Ampel:
Seit Regierungsbeginn immer wieder Konflikte zwischen Grünen und FDP
Zentraler Streitpunkt: Schuldenbremse, Wirtschaftspolitik, Subventionen
Habeck vs. Lindner: Gegensätzliche Positionen bei Steuer- und Finanzfragen
Bundestagswahl: Lage der Parteien
CDU/CSU: 30–32 Prozent (klarer Favorit)
SPD: 16–18 Prozen
Grüne: 15–17 Prozent
FDP: 4,5–5,5 Prozent (Wackelkandidat)
Biographie und Erklärung:
Wer ist Christian Lindner?
Christian Lindner ist seit 2013 Parteivorsitzender der FDP und seit 2021 Bundesfinanzminister. Als Verfechter einer strikten Schuldenbremse geriet er in der Ampel-Regierung besonders mit Wirtschaftsminister Habeck in Konflikt. Lindner sieht sich als Hüter solider Finanzen, während Kritiker ihm Blockadepolitik vorwerfen.
Was ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse ist ein im Grundgesetz verankertes Instrument zur Begrenzung neuer Schulden. Sie erlaubt dem Bund nur eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des BIP pro Jahr, es sei denn, es gibt eine Notlage. Besonders in der Ampel-Regierung war sie ein zentraler Streitpunkt, da Grüne und SPD mehr staatliche Investitionen forderten, während die FDP darauf bestand, die Regel einzuhalten.
Bitte empfehlen Sie uns weiter!
Hier ist dafür der QR-Code der Online-Zeitung-Deutschland - kostenlos lesen und nachschlagen!