Vor der geplanten Übergabe von vier getöteten Geiseln am Donnerstag aus dem Gazastreifen an Israel erklärten die Angehörigen der Deutsch-Israelin Shiri Bibas sowie ihrer Söhne Kfir und Ariel, dass sie auf eine offizielle Bestätigung warteten. „Sollten wir eine niederschmetternde Nachricht erhalten, muss diese über die richtigen offiziellen Kanäle erfolgen, nachdem alle Identifizierungsverfahren abgeschlossen sind“, teilte die Familie Bibas am späten Mittwochabend mit. Zuvor hatte die Hamas angekündigt, vier Leichen an Israel zu übergeben – darunter auch die von Shiri, Kfir und Ariel Bibas.
Die israelischen Behörden nannten bislang keine offiziellen Namen der Leichen, die am 7. Oktober während des beispiellosen Hamas-Angriffs auf Israel entführt wurden. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bestätigte jedoch am Mittwoch, eine Liste erhalten und die betroffenen Familien informiert zu haben.
Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan wurden zehn Gerichtsmediziner in Tel Aviv mobilisiert, um die Identifizierung zu beschleunigen.
Das Forum der Geisel-Familien erklärte am späten Mittwochabend, es habe die „erschütternde Nachricht“ erhalten, dass „Shiri Bibas, ihre Kinder Ariel und Kfir sowie Oded Lifshitz nicht mehr unter uns sind“.
Kfir und Ariel Bibas waren die letzten noch in Hamas-Gewahrsam befindlichen Kinder. Die Miliz hatte die Brüder, ihre Eltern Shiri und Jarden am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nir Oz verschleppt. Kfir war damals neun Monate alt, Ariel vier Jahre.
Die Bilder der beiden rothaarigen Jungen und ihrer Mutter während der Entführung sind in Israel zu Symbolen des Hamas-Massakers geworden. Vor zweieinhalb Wochen wurde als einziges Familienmitglied Vater Jarden Bibas freigelassen – seine Frau und Kinder waren zuvor von ihm getrennt worden.
Die Hamas erklärte bereits zuvor, dass Shiri Bibas und ihre Kinder tot seien – angeblich durch einen israelischen Luftangriff im November 2023. Israelische Behörden bestätigten diese Behauptung jedoch nicht.
Nach der geplanten Übergabe der Leichen will die Hamas laut eigenen Angaben sechs lebende israelische Geiseln freilassen.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Die mögliche Bestätigung des Todes von Shiri Bibas und ihren Kindern wäre eine erschütternde Wende im Geisel-Drama. Ihre Entführung und ihr monatelanges Schicksal bewegten Israel zutiefst. Sollte sich die Hamas-Version bestätigen, dürfte das Vertrauen in mögliche Verhandlungen weiter schwinden.
Die Tragödie zeigt die Brutalität des Konflikts und die Herausforderungen, vor denen Israel steht. Die Freilassung weiterer Geiseln könnte die Verhandlungen mit der Hamas zwar kurzfristig erleichtern, aber der grausame Ausgang für die Bibas-Familie könnte die israelische Öffentlichkeit weiter aufwühlen und politischen Druck auf die Regierung erhöhen.
Prognose: Die Identifizierung der Leichen wird in den kommenden Tagen mit höchster Priorität erfolgen. Sollte der Tod der Bibas-Kinder bestätigt werden, wird Israel seine Strategie gegenüber der Hamas möglicherweise überdenken, während der innenpolitische Druck auf Netanjahu steigen dürfte.
OZD-Analyse
Die geplante Übergabe der Bibas-Leichen markiert einen düsteren Moment in der monatelangen Geiselkrise zwischen Israel und der Hamas. Die islamistische Miliz hält noch immer Dutzende Menschen gefangen, während Israel unter internationalem Druck steht, eine Lösung für ihre Rückkehr zu finden.
Seit dem Massaker am 7. Oktober hat sich die Situation im Nahen Osten drastisch verschärft. Israel reagierte mit massiven Militärschlägen auf Gaza, während internationale Vermittler – darunter Katar, Ägypten und die USA – versuchen, eine Lösung für die Geiselkrise zu finden. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass viele Geiseln die Gefangenschaft nicht überlebt haben. Laut israelischen Angaben wurden bislang mehr als 100 Geiseln freigelassen, während Dutzende entweder noch in der Gewalt der Hamas sind oder als tot gelten.
Das Schicksal der Bibas-Familie hat das öffentliche Bewusstsein in Israel besonders geprägt. Ihr Fall wurde zu einem Symbol für das Trauma des 7. Oktober. Die militärische und politische Führung Israels steht nun vor der Frage, wie sie weitere Geisel-Freilassungen erreicht, während militärische Operationen weiterlaufen.
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Lage aufmerksam. Während die USA Israels Vorgehen bisher weitgehend unterstützt haben, wächst in Europa die Kritik an den anhaltenden Militäreinsätzen. Sollte der Tod der Bibas-Kinder bestätigt werden, könnte dies neue diplomatische Reaktionen hervorrufen.
OZD-Biographien und Erklärungen
Wer war Shiri Bibas?
Shiri Bibas war eine Deutsch-Israelin, die mit ihrem Mann Jarden und ihren beiden Söhnen Kfir und Ariel im Kibbuz Nir Oz lebte. Sie arbeitete als Erzieherin und war eine angesehene Persönlichkeit in ihrer Gemeinschaft. Am 7. Oktober wurde sie mit ihrer Familie von der Hamas verschleppt. Während ihr Mann kürzlich freikam, blieben sie und ihre Kinder in Geiselhaft. Ihr Schicksal berührte Millionen Menschen in Israel und weltweit.
Was ist das Kibbuz Nir Oz?
Nir Oz ist eine landwirtschaftliche Kollektivsiedlung im Süden Israels nahe der Grenze zum Gazastreifen. Das Kibbuz war eines der Hauptziele des Hamas-Angriffs am 7. Oktober, bei dem zahlreiche Bewohner ermordet oder entführt wurden. Nir Oz gilt als Symbol für die Verwundbarkeit israelischer Grenzgemeinschaften.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.