Der "Sommermärchen"-Prozess könnte endlich Licht in die umstrittenen Zahlungsflüsse rund um die Fußball-WM 2006 in Deutschland bringen. Neue Aussagen belasten Joseph S. Blatter, den früheren FIFA-Präsidenten, der in der kommenden Woche per Videoschalte aus der Schweiz aussagen soll.
Am 21. Verhandlungstag vor dem Landgericht Frankfurt/Main sagte der frühere WM-Funktionär Fedor Radmann aus, dass es nach einem Treffen zwischen Blatter und dem deutschen WM-Boss Franz Beckenbauer im Jahr 2002 erstmals um die berüchtigten 6,7 Millionen Euro gegangen sei. Diese Darstellung deckt sich mit den Aussagen der früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger.
Radmann führte weiter aus, dass nach dem Gespräch zwischen Blatter und Beckenbauer der damals einflussreiche Mohamed bin Hammam, Mitglied der FIFA-Finanzkommission, ins Spiel kam. Ein Angestellter von Bin Hammam soll die Forderung von 6,7 Millionen Euro als "Provision" oder "Sicherheit" für den von den deutschen Organisatoren angestrebten FIFA-Zuschuss übermittelt haben. Zwanziger bestätigte diese Darstellung zuletzt und erklärte, Beckenbauer habe stets von einer "Provisionszahlung" an die FIFA für den letztlich erhaltenen WM-Zuschuss in Höhe von 170 Millionen Euro gesprochen.
Das Geld tauchte jedoch nie in den offiziellen Büchern der FIFA auf. Laut Anklage wurde die Summe 2005 vom deutschen Organisationskomitee über die FIFA mutmaßlich an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet. Die Summe war offenbar bereits drei Jahre zuvor als Vorleistung von Beckenbauer und Louis-Dreyfus an Bin Hammam nach Katar geflossen. Bis heute bleibt unklar, wofür das Geld letztendlich genutzt wurde.
Seit Jahren gibt es Spekulationen, dass es sich dabei um eine verdeckte Wahlkampffinanzierung für Blatter aus dem Jahr 2002 handeln könnte. Neben Blatter sollen in den kommenden Verhandlungstagen auch der frühere FIFA-Generalsekretär Urs Linsi und der offenbar ebenfalls involvierte Günter Netzer zur Klärung beitragen.
Auf der Anklagebank befindet sich nur noch Zwanziger. Ursprünglich mussten sich seit März 2024 auch Niersbach und der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt verantworten. Ihnen wurde zur Last gelegt, durch Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu den Deutschen Fußball-Bund um mehr als 13,7 Millionen Euro an Körperschaftsteuer, Solidaritatszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer gebracht zu haben.
Das Trio weist alle Vorwürfe zurück. Im August 2023 wurde das Verfahren gegen Niersbach gegen eine Zahlung von 25.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen eingestellt. Schmidt wurde aufgrund gesundheitlicher Probleme in ein separates Verfahren ausgegliedert.
OZD / SID
OZD-Kommentar
Der "Sommermärchen"-Prozess ist nicht nur ein sportpolitisches, sondern auch ein gesellschaftliches Lehrstück über Macht, Geld und Intrigen im Weltfußball. Die neuesten Erkenntnisse legen nahe, dass Joseph Blatter eine viel größere Rolle in der Affäre spielte, als er bisher eingestanden hat. Sollte sich bewahrheiten, dass die ominösen 6,7 Millionen Euro für seinen Wahlkampf genutzt wurden, wäre das ein weiterer Beweis für die tiefe Korruption innerhalb der FIFA.
Die kommenden Aussagen von Blatter, Linsi und Netzer könnten entscheidend für die Aufklärung sein. Sollte sich herausstellen, dass die Zahlung tatsächlich eine verdeckte Wahlkampfhilfe war, könnten weitere juristische Konsequenzen folgen. Der Prozess bleibt spannend, und es ist nicht ausgeschlossen, dass neue Namen und Verbindungen ans Licht kommen.
OZD-Analyse
Die aktuellen Entwicklungen zeigen erneut, wie tief der Weltfußball in finanzielle und politische Machenschaften verstrickt ist. Seit Jahren sorgen Korruptionsskandale bei der FIFA für Schlagzeilen, doch echte Konsequenzen sind selten. Die Enthüllungen rund um die WM 2006 werfen die Frage auf, wie weit die Einflussnahme von FIFA-Funktionären reicht und inwieweit nationale Verbände in undurchsichtige Geschäfte verwickelt sind.
Die wirtschaftlichen und politischen Folgen der Affäre sind nicht zu unterschätzen. Die Glaubwürdigkeit des DFB hat bereits stark gelitten, was sich in sinkenden Mitgliederzahlen und einer kritischeren Öffentlichkeit widerspiegelt. Gleichzeitig steht die FIFA weiterhin unter Druck, ihre internen Strukturen zu reformieren. Blatters bevorstehende Aussage könnte ein Wendepunkt sein, doch es bleibt abzuwarten, ob er wirklich zur Aufklärung beiträgt oder sich erneut in vage Formulierungen flüchtet.
OZD Erklärung:
Was ist die FIFA?
Die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) ist der Weltfußballverband und wurde 1904 gegründet. Sie ist für die Organisation der Fußball-Weltmeisterschaften verantwortlich und regelt den internationalen Fußballbetrieb. In den vergangenen Jahrzehnten geriet die FIFA mehrfach in die Kritik, insbesondere wegen Korruptionsvorwürfen und umstrittener Entscheidungsprozesse.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.