Im Prozess um die Kuss-Affäre im spanischen Fußball ist der frühere Verbandschef Luis Rubiales mit einer Geldstrafe davongekommen. Das Gericht in San Fernando de Henares nahe Madrid verurteilte den 47-Jährigen am Donnerstag wegen eines sexuellen Übergriffs zu einer Strafe von 10.800 Euro. Vom Vorwurf der Nötigung wurden Rubiales und seine drei Mitangeklagten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte zweieinhalb Jahre Haft gefordert.
Zusätzlich zur Geldstrafe entschied das Gericht, dass sich Rubiales der betroffenen Spielerin Jennifer Hermoso nur bis auf 200 Meter nähern und ein Jahr lang nicht mit ihr kommunizieren darf. Die Verteidigung des Ex-Funktionärs hatte einen Freispruch angestrebt und argumentiert, Rubiales' Verhalten sei zwar „unangemessen“, aber nicht strafbar gewesen. Gegen das Urteil kann vor dem spanischen Staatsgerichtshof Berufung eingelegt werden.
Der Prozess begann Anfang Februar, und Rubiales räumte in seiner Aussage einen „Fehler“ ein. Er erklärte, er hätte „mehr in einer institutionellen Rolle“ bleiben sollen, bestand aber darauf, dass Hermoso dem Kuss „vollkommen sicher“ zugestimmt habe.
Der damalige Präsident des spanischen Fußballverbands hatte nach dem WM-Finale der Frauen 2023 vor laufenden Kameras den Kopf der Spielerin mit beiden Händen gepackt und sie grob auf den Mund geküsst. Hermoso widersprach Rubiales’ Darstellung und erklärte vor Gericht, der Kuss sei nicht einvernehmlich gewesen.
Die Szene löste international Empörung aus, Kritiker sahen darin einen Fall von Machtmissbrauch. Hermoso schilderte, dass sie sich „wenig respektiert“ gefühlt habe und ein derartiges Verhalten „niemals passieren sollte, weder im sozialen noch im beruflichen Umfeld“. Die Kuss-Affäre machte sie zu einer Symbolfigur im Kampf gegen Sexismus im Sport. Unter dem Hashtag #SeAcabó (Es reicht) riefen spanische Fußballerinnen in sozialen Netzwerken dazu auf, sich gegen Macho-Gewalt und Ungerechtigkeit zu wehren.
Rubiales hatte sich monatelang geweigert, als Verbandschef zurückzutreten, und die Vorwürfe als „falschen Feminismus“ abgetan. Während er den Vorfall als harmlosen „Kuss unter feiernden Freunden“ darstellte, sprach Hermoso von einer „sexistischen und unangebrachten Handlung“. Eine Reform des spanischen Strafrechts hat inzwischen festgelegt, dass auch ein nicht einvernehmlicher Kuss als sexueller Übergriff gilt.
Zusätzlich zur Anklage wegen sexuellen Übergriffs wurde Rubiales mit seinen drei Mitangeklagten auch Nötigung zur Last gelegt. Ihnen wurde vorgeworfen, Hermoso gedrängt zu haben, sich der Darstellung des einvernehmlichen Kusses anzuschließen. In diesem Punkt wurden Rubiales sowie der ehemalige Trainer der Frauennationalmannschaft, Jorge Vilda, und die Ex-Funktionäre Rubén Rivera und Albert Luque freigesprochen.
Der Prozess in San Fernando de Henares endete bereits vergangene Woche, das Urteil wurde früher als erwartet verkündet.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Das Urteil gegen Luis Rubiales ist ein Symbol für den gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Machtmissbrauch und Sexismus im Sport. Obwohl die Geldstrafe und das Kontaktverbot eine gewisse Konsequenz darstellen, bleibt die Frage, ob die Strafe angesichts der Schwere der Vorwürfe angemessen ist. Die Freisprüche im Nötigungsfall könnten zudem den Eindruck erwecken, dass die systematische Vertuschung innerhalb des Verbands ungesühnt bleibt.
Der Fall zeigt, dass Frauen im Sport zunehmend für ihre Rechte einstehen, unterstützt von einer immer lauteren gesellschaftlichen Debatte. Die #SeAcabó-Bewegung hat bereits Veränderungen angestoßen, und der öffentliche Druck auf Verbände und Funktionäre wird weiter wachsen. Es bleibt abzuwarten, ob Rubiales in Berufung geht oder ob dieser Fall als Präzedenzfall für zukünftige juristische Schritte gegen Machtmissbrauch im Fußball dient.
OZD-Analyse
Die Verurteilung von Luis Rubiales ist ein Meilenstein im Kampf gegen Sexismus im Sport, aber auch ein Beispiel für die juristischen Herausforderungen bei solchen Fällen. Während Spanien mit der Gesetzesreform für sexuelle Übergriffe einen fortschrittlichen Weg eingeschlagen hat, bleibt die Umsetzung oft schwierig. Insbesondere die Freisprüche im Nötigungsfall werfen Fragen auf, da der Druck auf Opfer, sich einer bestimmten Darstellung anzuschließen, häufig schwer nachweisbar ist.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Affäre sind erheblich. Der spanische Fußballverband hat durch den Skandal massiven Image-Schaden erlitten, Sponsoren und Partner haben sich distanziert, und das Vertrauen in die Führung ist weiterhin erschüttert. Die internationale Aufmerksamkeit zeigt, dass Sexismus im Sport keine Einzelfälle sind, sondern strukturelle Probleme dahinterstehen.
Langfristig könnte dieser Fall den Frauenfußball stärken, indem er das Bewusstsein für Gleichberechtigung und Respekt fördert. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass weitere Enthüllungen folgen, da sich immer mehr Spielerinnen trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
OZD-Biographien und Erklärungen
Wer ist Luis Rubiales?
Luis Rubiales ist ein ehemaliger spanischer Fußballfunktionär, der von 2018 bis 2023 Präsident des spanischen Fußballverbands (RFEF) war. Zuvor war er als Fußballprofi aktiv und engagierte sich in der Spielergewerkschaft AFE. Unter seiner Führung erlebte der spanische Fußball sowohl sportliche Erfolge als auch zahlreiche Skandale. Die Kuss-Affäre führte letztlich zu seinem Rücktritt und juristischen Konsequenzen.
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Titelbild AFP.