Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Politischer Paukenschlag in Ukraine

Selenskyj bietet Rücktritt für Nato-Mitgliedschaft der Ukraine an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einer Pressekonferenz in Kiew erklärt, dass er sein Amt sofort niederlegen würde, wenn die Ukraine im Gegenzug in die Nato aufgenommen wird. "Wenn es Frieden für die Ukraine gibt, wenn Sie wirklich wollen, dass ich meinen Posten aufgebe, bin ich bereit – ich kann ihn gegen die Nato (-Mitgliedschaft) eintauschen", sagte Selenskyj am Sonntag. Falls sein Rücktritt nötig sei, würde er „sofort“ gehen, betonte er.

Selenskyj reagierte damit auf Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der ihn vor wenigen Tagen als "Diktator ohne Wahlen" bezeichnet hatte. Trump hatte zudem eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine kategorisch ausgeschlossen. Da wegen des Krieges in seinem Land keine Wahl abgehalten werden kann, ist Selenskyj bereits länger im Amt als sein ursprünglich auf fünf Jahre begrenztes Mandat vorsieht.

Bei der Pressekonferenz forderte Selenskyj von Trump gegenseitiges "Verständnis" und konkrete Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Vor einem Treffen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wolle er mit dem US-Präsidenten sprechen, um über einen möglichen US-Zugang zu ukrainischen Rohstoffen zu beraten. Ein Abkommen, „für das zehn Generationen von Ukrainern bezahlen müssen“, sei er jedoch nicht bereit zu unterzeichnen.

Die außenpolitische Linie der USA hat sich unter Trump zuletzt stark verändert. Nach einem langen Telefonat mit Kreml-Chef Putin entsandte er Außenminister Marco Rubio zu Gesprächen mit russischen Regierungsvertretern über die Ukraine – ohne Beteiligung der Ukraine oder der EU. Trump machte Selenskyj zudem für den Ausbruch des Ukraine-Krieges verantwortlich.

Für Montag, den dritten Jahrestag des Krieges, legten die USA einen UN-Resolutionsentwurf vor, in dem Russland nicht als Aggressor benannt wird. Zudem fehlt die Forderung nach der territorialen Integrität der Ukraine, anders als in einem alternativen Entwurf der Ukraine und europäischer Verbündeter.

Trump bekräftigte am Wochenende seine Absicht, sich für die Milliardenhilfen an die Ukraine entschädigen zu lassen. „Ich versuche, das Geld zurückzubekommen oder zu sichern“, sagte er auf einer Konferenz konservativer US-Aktivisten. Dabei erwähnte er Seltene Erden und Öl als mögliche Kompensationen.

Am Montag jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges zum dritten Mal. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist mit ihrer Kommission nach Kiew. Selenskyj kündigte zudem an, dass 13 Staats- und Regierungschefs persönlich an einem Treffen in der ukrainischen Hauptstadt teilnehmen, während 24 weitere per Video zugeschaltet werden. Er hoffe auf einen "Wendepunkt". 

OZD / AFP

OZD-Kommentar

Selenskyjs überraschendes Angebot könnte die geopolitische Lage in Europa nachhaltig verändern. Sein Vorschlag zeigt die immense Verzweiflung der Ukraine, in die westlichen Sicherheitsstrukturen aufgenommen zu werden. Die Nato-Mitgliedschaft ist seit Jahren ein rotes Tuch für Russland – eine Bedingung, die Moskau niemals akzeptieren würde.

Trumps harsche Kritik an Selenskyj und seine neue außenpolitische Linie werfen Fragen auf. Dass die USA nun direkt mit Russland über die Ukraine verhandeln, ohne ukrainische Vertreter einzubeziehen, könnte das Machtgleichgewicht in der Region verschieben. Auch die Forderung, für die Milliardenhilfen an die Ukraine wirtschaftliche Gegenleistungen zu erhalten, markiert eine deutliche Abkehr von der bisherigen Unterstützungspolitik.

Sollte Trump seine Annäherung an Russland weiter vorantreiben, könnte dies die Ukraine international weiter isolieren und den Kriegsausgang maßgeblich beeinflussen. Die kommenden Monate könnten über die Zukunft der Ukraine und ihrer Rolle im westlichen Bündnis entscheiden.

OZD-Analyse

Die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bleibt eines der umstrittensten Themen der internationalen Sicherheitspolitik. Seit 2008 strebt das Land eine Aufnahme an, doch insbesondere Russland betrachtet dies als Bedrohung seiner strategischen Interessen. Die russische Regierung hatte immer wieder betont, dass eine Nato-Erweiterung nach Osten eine „rote Linie“ darstelle.

Die USA haben unter Trump ihre Haltung zur Ukraine drastisch geändert. Während unter Präsident Joe Biden militärische und finanzielle Unterstützung im Vordergrund standen, betont Trump nun wirtschaftliche Interessen. Seine Forderung, für die US-Hilfen Kompensationen in Form von Rohstoffen zu erhalten, könnte die internationale Unterstützung für die Ukraine schwächen.

Die geopolitische Verschiebung zeigt sich auch in der neuen US-Resolution zum Ukraine-Krieg, die Russland nicht als Aggressor benennt. Dies steht im Kontrast zu früheren Resolutionen, die von westlichen Verbündeten unterstützt wurden. Falls die USA ihre Unterstützung für die Ukraine weiter reduzieren, könnte sich die militärische Lage im Krieg entscheidend verändern.

Der dritte Jahrestag des Krieges markiert einen kritischen Moment für die Ukraine. Während die EU ihre Solidarität mit Selenskyj zeigt, bleibt unklar, welche Zukunft die Ukraine in den westlichen Bündnissen hat.

OZD-Biographien und Erklärungen

Wer ist Wolodymyr Selenskyj?

Wolodymyr Selenskyj wurde 2019 als politischer Quereinsteiger zum Präsidenten der Ukraine gewählt. Zuvor war er als Schauspieler und Produzent bekannt, unter anderem durch die Fernsehserie „Diener des Volkes“, in der er einen fiktiven ukrainischen Präsidenten spielte. Sein politischer Aufstieg war von einem Reformkurs und dem Versprechen geprägt, Korruption zu bekämpfen.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 hat sich Selenskyj zu einer internationalen Symbolfigur des ukrainischen Widerstands entwickelt. Er führte die Ukraine durch den Krieg, warb weltweit um Unterstützung und setzte sich für eine Nato- und EU-Mitgliedschaft seines Landes ein. Seine Amtszeit wurde aufgrund des Krieges über das reguläre Mandat hinaus verlängert.

Was ist die Nato?

Die Nato (North Atlantic Treaty Organization) ist ein militärisches Bündnis, das 1949 gegründet wurde. Ziel der Organisation ist die kollektive Verteidigung ihrer Mitglieder. Aktuell gehören 31 Staaten zur Nato, darunter die USA, Deutschland und Frankreich.

Die Ukraine strebt seit Jahren eine Mitgliedschaft an, um sich gegen russische Aggressionen zu schützen. Die Aufnahme eines Landes erfordert jedoch die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Aufgrund des Krieges ist eine schnelle Integration unwahrscheinlich, da die Nato keine Staaten aufnimmt, die sich in einem aktiven Konflikt befinden.


Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild: AFP.