Kurz vor seinem Auftritt als Zeuge im "Sommermärchen"-Prozess hat Joseph S. Blatter jegliche Beteiligung am Skandal um die Fußball-WM 2006 in Deutschland bestritten. "Ich weiß überhaupt nicht, was ich zu dem Verfahren beitragen kann", erklärte der 88-Jährige. Die Rolle der FIFA sei "nur die eines Bankiers" gewesen – man habe lediglich Geld weitergeleitet.
Blatter wird am Donnerstag per Videoschalte in die Schweiz zugeschaltet und soll vor dem Landgericht Frankfurt/Main aussagen. Im Zentrum steht die Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die aus den Mitteln des WM-Organisationskomitees an den damaligen adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geflossen sein soll. Nach den Einlassungen mehrerer Zeugen könnte Blatter eine zentrale Figur in der Affäre gewesen sein.
Besonders im Fokus: Ein Treffen zwischen Blatter und Franz Beckenbauer im Dezember 2001 in Zürich. Direkt im Anschluss an dieses Gespräch soll es erstmals um die dubiose Millionenüberweisung gegangen sein. "Ich habe keine Erinnerung an dieses Gespräch", behauptet Blatter. Als Konsequenz dieser Zusammenkunft trat das FIFA-Exekutivmitglied Mohamed bin Hammam auf den Plan – auf dessen Konto die 6,7 Millionen Euro letztlich landeten.
Während des Prozesses war mehrfach von einer "Provision" für den WM-Zuschuss der FIFA in Höhe von 170 Millionen Euro die Rede. Unklar bleibt jedoch, wofür das Geld tatsächlich verwendet wurde. Spekulationen über eine mögliche Finanzierung von Blatters Wahlkampf 2002 weist der Ex-FIFA-Boss scharf zurück: "Das ist wirklich absolut lächerlich. Ich weiß nicht, wofür das Geld bezahlt wurde."
Die Staatsanwaltschaft wertet die Zahlung als Steuerhinterziehung in Höhe von 13,7 Millionen Euro. Offiziell wurde die Summe vom deutschen Organisationskomitee als Betriebsausgabe für eine abgesagte WM-Gala verbucht.
OZD-Kommentar
Blatter gibt sich ahnungslos – wie immer, wenn es um die dunklen Seiten des Weltfußballs geht. Dass ein FIFA-Präsident in einer Affäre dieser Größenordnung keinerlei Kenntnis von millionenschweren Transaktionen haben will, ist bestenfalls unglaubwürdig.
Seine Verteidigungsstrategie ist altbekannt: Es war immer jemand anderes. Erst war es das Organisationskomitee, dann Beckenbauer, nun ist es die FIFA selbst, die angeblich "nur eine Bank" gewesen sei. Doch wer diese Bank tatsächlich gelenkt hat, bleibt bei Blatter auffällig unerwähnt.
Die WM 2006 hat ihren Glanz längst verloren. Was als "Sommermärchen" begann, ist zu einem Justizdrama geworden, das von intransparenten Zahlungsströmen, fragwürdigen Absprachen und einer Mauer des Schweigens geprägt ist. Dass der 88-jährige Blatter nun vor Gericht nicht einmal mehr eine Erinnerung an entscheidende Treffen haben will, ist der letzte Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen.
Sollte der Prozess Beweise für seine Mitwisserschaft liefern, wird Blatters Ruf endgültig zerstört sein. Doch selbst wenn nicht – die Glaubwürdigkeit des Fußballs hat längst massiven Schaden genommen.
OZD-Analyse
Blatters Rolle im WM-Skandal
a) Blatter bestreitet jegliche Kenntnis der dubiosen Geldflüsse, obwohl zahlreiche Zeugen ihn in den Vorgang involviert sehen.
b) Die Zahlung von 6,7 Millionen Euro wurde nie eindeutig aufgeklärt – die Frage nach ihrem tatsächlichen Zweck bleibt offen.
c)
Der FIFA-Präsident von damals präsentiert sich erneut als
Unbeteiligter, obwohl er nachweislich in zahlreiche
Entscheidungsprozesse eingebunden war.
Juristische Implikationen
a) Die Staatsanwaltschaft bewertet die Verschleierung der Zahlung als Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.
b) Falls Blatter nachweislich von der Zahlung wusste, könnte dies auch für ihn strafrechtliche Konsequenzen haben.
c)
Das Verfahren zeigt erneut, wie undurchsichtig die FIFA-Strukturen
unter Blatter waren – und warum Reformen bis heute dringend notwendig
sind.
Auswirkungen auf den Fußball
a) Der WM-Skandal beschädigt weiterhin das Ansehen des DFB und des deutschen Fußballs.
b) Die Affäre untergräbt das Vertrauen in internationale Sportverbände und ihre Vergabepraxis.
c) Die FIFA hat bis heute mit den Altlasten der Blatter-Ära zu kämpfen – ein endgültiger Neuanfang scheint noch in weiter Ferne.
Wer ist Joseph S. Blatter?
Joseph S. Blatter, geboren am 10. März 1936 in Visp, Schweiz, war von 1998 bis 2015 Präsident des Weltfußballverbandes FIFA. Unter seiner Führung wuchs die FIFA wirtschaftlich enorm, gleichzeitig war seine Amtszeit von zahlreichen Korruptionsskandalen überschattet.
Blatter begann seine Karriere als Sportfunktionär beim Schweizer Eishockeyverband, bevor er 1975 zur FIFA wechselte. Dort stieg er zunächst zum Generalsekretär auf, ehe er 1998 zum Präsidenten gewählt wurde. Seine Wiederwahl 2002, 2007, 2011 und 2015 wurde von schweren Vorwürfen begleitet, die unter anderem Bestechung und Stimmenkauf betrafen.
2015 wurde Blatter im Zuge des großen FIFA-Korruptionsskandals gesperrt und trat unter massivem Druck von seinem Amt zurück. Die Ethikkommission des Weltverbands sprach gegen ihn eine achtjährige, später auf sechs Jahre reduzierte Sperre aus. Ein weiterer Bann folgte 2021 wegen unzulässiger Zahlungen an Michel Platini.
Trotz seiner Sperren und zahlreicher Ermittlungen in verschiedenen Ländern bestreitet Blatter bis heute jegliches Fehlverhalten und bezeichnet sich als Opfer politischer Intrigen.
Was ist die FIFA?
Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist der Weltfußballverband mit Sitz in Zürich, Schweiz. Sie wurde 1904 gegründet und organisiert die wichtigsten internationalen Fußballturniere, darunter die Weltmeisterschaften der Männer und Frauen.
Die FIFA zählt 211 Mitgliedsverbände und gilt als einer der mächtigsten Sportorganisationen der Welt. Neben der Organisation von Turnieren regelt sie auch den internationalen Transfermarkt, Schiedsrichterwesen und Fußballentwicklungsprogramme.
In den letzten Jahrzehnten geriet die FIFA wiederholt wegen Korruption, Bestechung und Machtmissbrauchs in die Schlagzeilen. Besonders die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar sowie die Verhaftung mehrerer hochrangiger Funktionäre 2015 im Rahmen der Ermittlungen durch das FBI und Schweizer Behörden führten zu schweren Imageverlusten.
Seit dem Abgang von Joseph Blatter bemüht sich der Verband unter Präsident Gianni Infantino um Reformen. Kritiker bemängeln jedoch weiterhin mangelnde Transparenz und Intransparenz bei finanziellen Entscheidungen sowie eine unzureichende Aufarbeitung der Vergangenheit.
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Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP