Studie: Klare Mehrheit für Lockerung der Schuldenbremse oder Ausnahmen
Mehr als drei Viertel der Deutschen stehen einer Lockerung der Schuldenbremse oder gezielten Ausnahmen für bestimmte Bereiche offen gegenüber. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die auf einer repräsentativen Umfrage basiert. Demnach befürworten 41 Prozent eine generelle Aufweichung der Schuldenregelung, weitere 36 Prozent sprechen sich für Ausnahmen in bestimmten Sektoren aus.
Obwohl zu Beginn 48,6 Prozent angaben, eine Lockerung abzulehnen, relativierte sich diese Haltung bei detaillierteren Fragen: Drei von vier dieser Befragten gaben an, dass sie in bestimmten Bereichen Ausnahmen für notwendig hielten. Damit liegt die Zahl der strikten Schuldenbremsen-Befürworter bei lediglich 12,6 Prozent.
Unterschiedliche Prioritäten je nach Partei
Die Umfrage zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Parteianhängern. Während Anhänger von Union und SPD höhere Verteidigungsausgaben als wichtigstes Motiv für eine Aufweichung der Schuldenbremse nannten, setzen SPD-Wähler zusätzlich auf Renten und Soziales. Anhänger der Grünen priorisieren hingegen Klimaschutz und Bildung, während bei der Linken Bildung und soziale Absicherung im Vordergrund stehen. Die AfD-Anhänger, die insgesamt am stärksten an der Schuldenbremse festhalten, sehen Renten als einzigen relevanten Ausnahmebereich.
IW fordert klare Begrenzung auf Investitionen
Das IW warnt jedoch vor einer undifferenzierten Lockerung der Schuldenbremse. Während Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung als gerechtfertigt angesehen werden, da sie künftigen Generationen zugutekommen, lehnt das Institut eine Schuldenaufnahme für konsumtive Ausgaben ab. Die Politik müsse sich auf Zukunftsausgaben konzentrieren, um die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen zu gewährleisten.
Die Diskussion um die Schuldenbremse dürfte angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen und der notwendigen Transformationsprozesse weiter an Dynamik gewinnen.
ozd/afp
OZD-Kommentar
Die Ergebnisse der IW-Studie belegen, was politisch längst offensichtlich ist: Die strikte Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form steht zunehmend infrage. Der ideologische Kampf zwischen eiserner Haushaltsdisziplin und der Notwendigkeit, Zukunftsinvestitionen zu tätigen, spitzt sich weiter zu.
Fakt ist: Eine Investitionsblockade durch die Schuldenbremse könnte Deutschland wirtschaftlich schwächen. Wer Straßen, Bahnstrecken und Energieinfrastruktur verfallen lässt, riskiert langfristig Wachstumseinbußen. Ähnliches gilt für Bildung und Forschung – Felder, die für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit essenziell sind.
Doch der Teufel steckt im Detail. Wenn Kreditfinanzierung zunehmend für laufende Sozialausgaben genutzt wird, anstatt für zukunftsweisende Projekte, droht eine gefährliche Schieflage. Auch die steigenden Verteidigungsausgaben als Argument für eine Aufweichung der Schuldenbremse sind problematisch: Wer Schulden für Rüstung legitimiert, aber Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung blockiert, setzt fragwürdige Prioritäten.
Die Politik muss die Schuldenbremse reformieren, aber mit Bedacht. Investitionen in Infrastruktur, Innovation und Bildung sind sinnvoll – doch sie dürfen nicht als Deckmantel für unkontrollierte Neuverschuldung dienen. Ein klarer Rahmen, der zwischen Zukunftsausgaben und konsumtiven Staatsausgaben unterscheidet, ist unerlässlich. Deutschland kann sich nicht leisten, weder in die eine noch in die andere Extreme zu verfallen.
OZD-Analyse
Mehrheit für Schuldenbremse-Reforma) Die Umfrage zeigt, dass nur eine Minderheit von 12,6 Prozent die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form beibehalten will.
b)
77 Prozent der Befragten befürworten entweder eine generelle Lockerung
oder gezielte Ausnahmen für bestimmte Ausgabenbereiche.
c)
Die größte Skepsis gegenüber einer Reform kommt von AfD-Anhängern,
wobei auch hier eine Mehrheit gezielte Ausnahmen befürwortet.
Investitionsschwerpunkte nach Parteien
a) Union und SPD-Anhänger setzen auf Verteidigungsausgaben als zentrales Argument für eine Aufweichung.
b)
Grünen-Wähler priorisieren Klimaschutz und Bildung, während SPD- und
Linken-Anhänger Soziales und Renten in den Vordergrund stellen.
c) Infrastruktur wird über Parteigrenzen hinweg als möglicher Bereich für Schuldenfinanzierung angesehen.
Herausforderungen für die Politik
a) Eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse ist politisch kaum durchsetzbar, gezielte Reformen hingegen realistisch.
b) Die Herausforderung liegt in der Abgrenzung zwischen zukunftsgerichteten Investitionen und konsumtiven Mehrausgaben.
c)
Ohne eine Lösung droht Deutschland wirtschaftlich an
Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren – mit langfristig negativen Folgen für
Wohlstand und Beschäftigung.
OZD-Erklärungen
Was ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse ist eine im Grundgesetz verankerte Regelung, die die Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) begrenzt. Sie wurde 2009 eingeführt und trat 2011 in Kraft. Ziel ist es, eine übermäßige Staatsverschuldung zu verhindern. Ausnahmefälle sind nur bei außergewöhnlichen Notsituationen, wie der Corona-Pandemie oder Naturkatastrophen, zulässig. Kritiker sehen die Schuldenbremse als Investitionshemmnis, Befürworter als Garant für solide Staatsfinanzen.
Was ist das Institut der deutschen Wirtschaft (IW)?
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist ein wirtschaftswissenschaftliches Forschungsinstitut mit Sitz in Köln. Es wird vor allem von Arbeitgeberverbänden finanziert und setzt sich für marktwirtschaftliche Reformen ein. Das IW erstellt regelmäßig Studien zu wirtschaftspolitischen Fragen und ist ein wichtiger Akteur in der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland. Kritiker werfen dem Institut eine wirtschaftsliberale Ausrichtung vor, während Befürworter die praxisnahen Analysen schätzen.
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Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP