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"Historische Erklärung": Öcalan will PKK auflösen lassen - Ob das Gut geht?

Der inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan hat die Auflösung der PKK und ein Ende der Gewalt gefordert. Sein Aufruf könnte den jahrzehntelangen Konflikt mit der Türkei entscheidend verändern.

Nach mehr als vier Jahrzehnten des bewaffneten Kampfes hat der in der Türkei inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan zur Auflösung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und zum Gewaltverzicht aufgerufen. In einer von der pro-kurdischen Partei DEM in Istanbul verlesenen Erklärung forderte der 75-Jährige seine Anhänger auf, ihre Waffen niederzulegen. Er übernehme die "historische Verantwortung für diesen Aufruf".

Der Aufruf könnte den jahrzehntelangen Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat, der bereits rund 45.000 Menschenleben forderte, maßgeblich verändern. Die türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Öcalan im Herbst eine mögliche frühere Freilassung in Aussicht gestellt – unter der Bedingung, dass die PKK ihren Kampf beendet.

Gespanntes Warten auf die Reaktionen

Die kurdischen Hochburgen im Südosten der Türkei reagierten mit gemischten Gefühlen. Während sich in Städten wie Diyarbakir, Van und Mersin zahlreiche Menschen versammelt hatten, um die Pressekonferenz live zu verfolgen, untersagten die Behörden die Übertragung auf öffentlichen Leinwänden.

Ungewiss bleibt, wie die kurdischen Kämpfer in den Bergen des Nordiraks oder die mit den USA verbündeten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) auf den Aufruf reagieren. In Nordsyrien kämpft die kurdisch geführte YPG gegen die Türkei und die islamistischen Machthaber in Damaskus. Erdogan betrachtet sie als Ableger der PKK und bekämpft sie militärisch.

Politisches Kalkül oder echter Kurswechsel?

Während die türkische Regierung den Schritt als Erfolg wertet, bleibt unklar, ob es sich um eine echte Wende oder taktisches Kalkül handelt. Erdogan selbst äußerte sich zuletzt zurückhaltend zur versuchten Aussöhnung, setzte aber parallel die pro-kurdische Opposition verstärkt unter Druck. Hunderte Politiker, Aktivisten und Journalisten wurden festgenommen, zehn Bürgermeister der DEM des Amtes enthoben.

Öcalan wurde 1999 gefasst und verbüßt seither eine lebenslange Haftstrafe in fast völliger Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali. Trotz seiner Inhaftierung bleibt er für viele Kurden die unangefochtene Führungsfigur.

Sollte sein Aufruf umgesetzt werden, wäre es das Ende eines der längsten und blutigsten Konflikte der modernen Türkei – und könnte weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Region haben.

OZD-Kommentar

Öcalans Aufruf zur Auflösung der PKK könnte ein Wendepunkt in einem der blutigsten Konflikte der Türkei sein – oder ein taktisches Manöver, das am Ende nur der türkischen Regierung nutzt.

Die politische Dimension ist offensichtlich: Erdogan und sein ultranationalistischer Koalitionspartner MHP versprechen eine Friedenslösung, gleichzeitig verschärfen sie den Druck auf die pro-kurdische Partei DEM. Der angebliche "Friedensprozess" geht Hand in Hand mit massiven Repressionen gegen kurdische Aktivisten und Politiker. Das wirft die Frage auf: Geht es wirklich um einen Frieden auf Augenhöhe – oder um die endgültige Unterwerfung der kurdischen Bewegung?

Zudem bleibt fraglich, ob die Kämpfer in den Bergen Nordiraks und Syriens bereit sind, einem schriftlichen Aufruf aus einem türkischen Gefängnis zu folgen. Viele von ihnen kämpfen nicht nur für die PKK, sondern für ihre eigene Zukunft. Die kurdischen Einheiten in Syrien sind seit Jahren in einen Überlebenskampf gegen die Türkei, islamistische Milizen und Damaskus verstrickt. Sie könnten kaum weniger Vertrauen in Erdogans Regierung haben.

Das Timing des Aufrufs ist brisant. Erdogan, dessen Regierung in der Krise steckt, könnte den Deal mit Öcalan nutzen, um sich als Friedensstifter zu inszenieren – während er gleichzeitig hart gegen die Opposition durchgreift. Sollte die PKK tatsächlich ihr Ende finden, ohne dass die Türkei den Kurden echte politische Zugeständnisse macht, wäre dies ein einseitiger Friedensschluss, der nur einer Seite nutzt.


OZD-Analyse

Öcalans überraschender Aufruf

a) Der inhaftierte Kurdenführer fordert die vollständige Auflösung der PKK und ein Ende der Gewalt, dass möglicherweise unter Folter geschehen sein kkönnte.
b) Sein Aufruf wurde von der pro-kurdischen DEM verlesen, die ihn als "historisch" bezeichnet.
c) Die türkische Regierung hatte Öcalan im Vorfeld eine frühere Freilassung in Aussicht gestellt, falls die PKK ihren Kampf beendet.


Reaktionen und politische Hintergründe

a) Während die türkische Regierung den Schritt als Erfolg feiert, bleiben viele Kurden skeptisch.
b) Die türkischen Behörden verhindern öffentliche Übertragungen des Aufrufs in kurdischen Städten.
c) Erdogan hält sich mit direkten Kommentaren zurück, setzt aber weiterhin hart gegen kurdische Politiker und Aktivisten durch.


Unklare Folgen für den Konflikt

a) Ungewiss bleibt, wie die bewaffneten kurdischen Gruppen in Nordirak und Syrien auf den Aufruf reagieren.
b) Besonders die mit den USA verbündeten syrischen Kurden stehen unter Druck – ein unkontrollierter Rückzug könnte ihre Position schwächen.
c) Sollte die PKK sich tatsächlich auflösen, könnte die Türkei dies als Vorwand nutzen, um ihre Militäraktionen in kurdischen Gebieten fortzusetzen.


Wer ist Abdullah Öcalan?

Abdullah Öcalan ist der Gründer und langjährige Anführer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Er wurde 1949 in der Türkei geboren und organisierte ab den 1980er Jahren den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat. 1999 wurde er vom türkischen Geheimdienst gefasst und inhaftiert. Zunächst zum Tode verurteilt, wurde seine Strafe nach Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei in lebenslange Haft umgewandelt. Trotz Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali gilt er weiterhin als die wichtigste Führungsfigur für viele Kurden.

Was ist die PKK?

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wurde 1978 von Abdullah Öcalan gegründet und kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat für mehr Autonomie der Kurden. Die PKK wird von der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Ihr bewaffneter Kampf hat bis heute Zehntausende Opfer gefordert. Neben der Türkei ist die PKK auch in Nordirak und Syrien aktiv. Ihr syrischer Ableger YPG kämpfte im Syrienkrieg gegen den IS und wurde dabei von den USA unterstützt.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.



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Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP