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Gewaltspirale in Syrien

Islamistische Regierung setzt auf Härte

Nach den schweren Kämpfen im Westen Syriens hat der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa die Anhänger des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad zur Kapitulation aufgefordert. In einer Rede auf dem Onlinedienst Telegram appellierte al-Scharaa an die alawitischen Kämpfer, sich zu ergeben, "bevor es zu spät ist". Aktivisten berichten, dass Regierungstruppen 162 alawitische Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, "hingerichtet" haben. Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte ein Ende der Gewalt an.

Al-Scharaa betonte in seiner Ansprache: "Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen." Zudem bekräftigte er, dass die Übergangsregierung den unkontrollierten Waffenbesitz beenden und sicherstellen werde, dass nur staatliche Vertreter über Waffen verfügen.

In der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Region im Westen Syriens dauern seit Donnerstag heftige Kämpfe zwischen Assad-treuen Milizen und Truppen der neuen Machthaber an. Am Freitag verkündete die islamistische Übergangsregierung den Beginn eines "großangelegten" Militäreinsatzes gegen "die Überreste von Assads Milizen und ihre Unterstützer".

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Donnerstag 95 Kämpfer getötet. Zudem seien 162 alawitische Zivilisten von Regierungstruppen exekutiert worden. Die Beobachtungsstelle erklärte, dass die "überwiegende Mehrheit der Opfer" von Elementen hingerichtet wurde, die dem Verteidigungs- und dem Innenministerium unterstehen – beide Ministerien befinden sich unter Kontrolle der islamistischen Behörden.

Von Aktivisten veröffentlichte Videos zeigen Leichen in Zivilkleidung, Blutflecken sowie weinende Frauen. Weitere Aufnahmen dokumentieren, wie Männer in Militäruniform aus nächster Nähe auf Menschen schießen. Diese Berichte konnten von der Nachrichtenagentur AFP bislang nicht unabhängig verifiziert werden.

Der UN-Syriengesandte Geir Pedersen äußerte sich besorgt über "sehr beunruhigende Berichte über zivile Opfer" und warnte vor Aktionen, die "Syrien destabilisieren und einen glaubwürdigen, integrativen politischen Übergang gefährden" könnten.

Auch die Bundesregierung zeigte sich "schockiert angesichts der zahlreichen Opfer in den westlichen Regionen Syriens". Das Auswärtige Amt rief alle Seiten auf, eine friedliche Lösung, nationale Einheit und einen umfassenden politischen Dialog anzustreben, um die Gewaltspirale zu durchbrechen.

Die islamistische HTS-Miliz hatte Anfang Dezember Damaskus erobert und damit die jahrzehntelange Herrschaft Assads beendet. Die neue syrische Führung betonte wiederholt ihren Willen, Minderheiten zu schützen. Dennoch befürchten viele Alawiten Vergeltungsmaßnahmen – sowohl aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit als auch wegen ihrer Loyalität zur Assad-Familie.

Die HTS, eine aus der Al-Nusra-Front hervorgegangene Gruppierung, wird von westlichen Staaten weitgehend als Terrororganisation eingestuft, obwohl sie sich bemüht, sich ein gemäßigteres Image zu geben.

Unterdessen teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit, dass seit Assads Sturz mehr als 300.000 syrische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Zudem seien 900.000 Binnenvertriebene nach Syrien zurückgekehrt, so UNHCR-Sprecherin Céline Schmitt. Insgesamt belaufe sich die Zahl der Rückkehrer seit Dezember auf 1,2 Millionen Menschen. Dennoch bleibe die Syrienkrise die größte Flüchtlingskrise der Welt.

Parallel dazu fror die Schweiz am Freitag weitere Vermögenswerte in Höhe von 99 Millionen Franken (etwa 104 Millionen Euro) ein. Zwei Drittel dieser Gelder entfallen auf Mitglieder der ehemaligen Assad-Regierung und deren Umfeld. Die Schweizer Regierung erklärte, dass diese Vermögenswerte unabhängig von künftigen Entwicklungen im Sanktionsbereich gesperrt bleiben sollen. Falls sich eine illegale Herkunft der Gelder bestätigt, sollen sie der syrischen Bevölkerung zugutekommen.

OZD/AFP


OZD-Kommentar

a) Die neue syrische Führung versucht, sich als stabilisierende Kraft zu präsentieren, doch die Eskalation der Gewalt lässt Zweifel aufkommen. 

b) Die Übergangsregierung setzt auf Härte, während internationale Akteure mahnen, dass Vergeltung den Konflikt weiter anheizt. 

c) Wenn die Gewalt anhält, könnte sich Syrien erneut in einen langwierigen Bürgerkrieg stürzen.


OZD-Analyse

Machtwechsel in Syrien 

a) Der Sturz Assads brachte eine neue, islamistische Führung an die Macht. 

b) Die HTS-Miliz versucht, sich als gemäßigte Regierung zu präsentieren. 

c) Der Westen sieht die Gruppierung weiterhin als extremistisch an.

Risiken für die alawitische Minderheit 

a) Alawiten fürchten Vergeltung für ihre frühere Loyalität zu Assad. 

b) Berichte über Massaker schüren Angst und Unsicherheit. 

c) Internationale Organisationen fordern Schutzmaßnahmen.

Internationale Reaktionen 

a) Die UNO zeigt sich besorgt über die Gewalt. 

b) Die Bundesregierung fordert einen politischen Dialog. 

c) Die Schweiz setzt Sanktionen gegen ehemalige Assad-Verbündete um.


Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.