Syriens neuer starker Mann, Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa, hat eine Verfassungserklärung für die nächsten fünf Jahre unterzeichnet. "Eine neue Geschichte für Syrien", verkündete er feierlich. Doch viele Beobachter bezweifeln, dass sich das Land tatsächlich in Richtung Demokratie bewegt. Denn al-Scharaa stützt sich auf die islamistische Miliz HTS, die durch Gewalt an die Macht kam und nun alte Strukturen zerschlägt.
Das neue Grundsatzdokument verspricht Rechte für Frauen und Pressefreiheit. Doch wie glaubwürdig sind diese Beteuerungen? Abdul Hamid al-Awak, Sprecher des Verfassungskomitees, spricht von "sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rechten" für Frauen. Zudem werde eine "absolute Gewaltenteilung" garantiert. Doch zugleich erhält al-Scharaa als Präsident uneingeschränkte Exekutivgewalt und darf sogar einen Ausnahmezustand verhängen.
Ein Drittel der Volksversammlung wird von ihm ernannt, der Rest soll durch ein Wahlkomitee bestimmt werden. Wie frei und fair diese Wahlen tatsächlich sein werden, bleibt fraglich. Fakt ist: Die Islamisten haben Assad gestürzt, das alte Parlament aufgelöst und die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt. Nun schreiben sie die Regeln neu – nach ihren eigenen Vorstellungen.
Die sieben Mitglieder des Verfassungskomitees, darunter zwei Frauen, wurden von al-Scharaa selbst bestimmt. Ein Zufall? Wohl kaum. Die HTS will mit demokratischem Anstrich ihren Machterhalt sichern. Die internationale Gemeinschaft schaut genau hin, doch bislang fehlt jede ernsthafte Reaktion.
Syrien steht an einem Wendepunkt. Die Frage ist: Wird diese "neue Geschichte" wirklich eine demokratische sein – oder nur ein weiteres Kapitel der Unterdrückung?
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