Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bei einem EU-Treffen in Brüssel 300 Millionen Euro an zusätzlichen Hilfen für Syrien zugesagt. Das Geld soll sowohl für den Wiederaufbau als auch für syrische Flüchtlinge in der Region verwendet werden. Deutschland wolle damit einen Beitrag zur Stabilisierung des Landes leisten, betonte Baerbock am Montag. Sie forderte zugleich den Schutz der religiösen Minderheiten in Syrien.
„Es kann nur eine friedliche Zukunft für Syrien geben, wenn es einen inklusiven politischen Prozess gibt“, sagte Baerbock am Rande des Treffens der EU-Außenminister. Der Wiederaufbau des kriegsgeplagten Landes sei „eine Mammutaufgabe“. Deutschland werde der UN und weiteren Organisationen daher 300 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Nach Angaben des Auswärtigen Amts stammen 168 Millionen Euro aus dem Außenministerium und 133 Millionen Euro aus dem Bundesentwicklungsministerium. Mehr als die Hälfte der Mittel sei für humanitäre Hilfe innerhalb Syriens vorgesehen. Der Rest solle syrischen Flüchtlingen in Jordanien, dem Libanon, dem Irak und der Türkei zugutekommen.
Baerbock nahm die neue islamistische Übergangsregierung in Damaskus in die Pflicht, Verbrechen an der Zivilbevölkerung aufzuklären. „Die Übergangsregierung muss sicherstellen, dass sie die Kontrolle über die unterschiedlichen Akteure in ihrem Sicherheitsapparat hat“, betonte sie.
Hintergrund sind Berichte über schwere Massaker im Westen Syriens, wo islamistische Milizen seit dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad im Dezember 2023 die Kontrolle übernommen haben. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden in den vergangenen Tagen mindestens 1383 Zivilisten getötet, vor allem Angehörige der Alawiten, der Religionsgemeinschaft des gestürzten Assad.
Die neue syrische Regierung hatte mehrfach versichert, religiöse Minderheiten zu schützen. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen ist jedoch groß, da viele Alawiten als Unterstützer des Assad-Regimes gelten.
In Brüssel findet im Anschluss an
das EU-Außenministertreffen eine internationale Unterstützerkonferenz
für Syrien statt. Dort soll es um humanitäre Hilfe für das Land und die
Nachbarstaaten gehen, die zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen haben.
Erstmals nimmt auch der neue syrische Außenminister Asaad al-Schaibani
an einem internationalen Treffen teil. OZD/AFP
OZD-Kommentar - Das Geld versackt?
Die erneute finanzielle Hilfe Deutschlands für Syrien zeigt, dass die
Bundesregierung an einer Stabilisierung der Region interessiert ist.
Doch bleibt die Frage, ob das Geld tatsächlich dort ankommt, wo es
gebraucht wird. Die neue syrische Regierung ist eine fragile Koalition
aus ehemaligen Rebellen, deren Herrschaft längst nicht überall
akzeptiert wird.
Minderheiten fürchten Vergeltungsmaßnahmen, und die Lage bleibt extrem instabil. Ein inklusiver politischer Prozess, wie ihn Baerbock fordert, bleibt eine vage Hoffnung – bislang gibt es kaum Anzeichen, dass alle Konfliktparteien dazu bereit wären. Sollte sich die Sicherheitslage in Syrien weiter verschärfen, droht eine neue Flüchtlingswelle, die auch Europa treffen würde.
Wahrscheinliche Zukunftsprognose:
a) Weitere Gewalt und Destabilisierung (zu 50%)
Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen eskalieren weiter
Islamistische Milizen werden sich gegenseitig bekämpfen
Das Geld verschwindet, versakt in krimminellen Strukturen, falls kein Moneycoach das Geld begleitet!
b) Stabilisierung der Lage mit internationaler Unterstützung (zu 40%)
Internationale Hilfe trägt zum Wiederaufbau bei
Die Übergangsregierung kann die Kontrolle über das Land festigen
c) Neue Flüchtlingswelle nach Europa (zu 10%)
Falls sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert
EU-Staaten müssen mit steigenden Asylanträgen rechnen
OZD-Erklärungen:
Was ist die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte?
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ist eine in
Großbritannien ansässige Nichtregierungsorganisation, die seit Beginn
des Syrienkriegs Berichte über Menschenrechtsverletzungen sammelt. Sie
stützt sich auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien und wird als
wichtige, wenn auch nicht unumstrittene Quelle für Informationen aus dem
Land angesehen.
Wer sind die Alawiten?
Die Alawiten sind eine religiöse Minderheit in Syrien, die zur
schiitischen Glaubensrichtung gehört. Der gestürzte Präsident Baschar
al-Assad gehörte dieser Gruppe an, die unter seiner Herrschaft bevorzugt
wurde. Nach seinem Sturz fürchten viele Alawiten Racheakte durch
sunnitische Extremisten.
Warum gibt es eine neue Regierung in Syrien?
Im Dezember 2023 stürzte die islamistische HTS-Miliz das Assad-Regime.
Seitdem versucht eine Koalition aus ehemaligen Rebellen, das Land zu
stabilisieren. Die internationale Gemeinschaft steht der neuen Regierung
skeptisch gegenüber, da sie eng mit radikalen Gruppen verbunden ist.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.